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  • 02.11.2010

    Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 13.04.2010 – 6 K 53/06

    1. Leistet der Allein-Gesellschafter einer GmbH eine in die Kapitalrücklage einzustellende Zuzahlung, in dem er seine nicht mehr werthaltigen Darlehensforderung gegenüber. der GmbH mit seiner Einlageverpflichtung aufrechnet, ist die – allein der Steuerminderung dienende – Aufrechnung wegen missbräuchlicher Gestaltung i. S. d. § 42 AO als Forderungsverzicht anzusehen.

    2. Der Ertrag aus dem Forderungsverzicht ist nach Einstellung des Geschäftsbetriebs der GmbH und fehlender Sanierungsabsicht nicht als privilegierter Sanierungsgewinn i. S. d. § 3 Nr. 66 EStG a. F. anzusehen.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg – 6. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13. April 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht …, die Richterin am Finanzgericht …, den Richter am Finanzgericht … sowie die ehrenamtlichen Richter … und …

    für Recht erkannt:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

    Tatbestand:

    Unternehmensgegenstand der 1992 gegründeten Klägerin war der Vertrieb der von der A.-Bau GmbH, einem verbundenen Unternehmen, erzeugten Produkte, … und die Vermietung von … jeglicher Art. 1994 erwarb Dr. A… (im Folgenden: Gesellschafter) sämtliche Anteile an der Klägerin für 1,– DM. Im Jahr 1995 stellte die Klägerin ihren Geschäftsbetrieb ein und erzielte seitdem keine Umsätze mehr, ohne sich allerdings in Liquidation zu befinden.

    Der Gesellschafter gewährte der Klägerin unverzinsliche und unbefristete Darlehen über insgesamt …TDM. Um eine Überschuldung der Klägerin zu vermeiden, gab der Gesellschafter gegenüber der Klägerin im Februar 1995 eine Rangrücktrittserklärung ab, wonach er mit seiner Rückzahlungsforderung gegen die Gesellschaft im Range zurück trat. Die Forderung auf Rückzahlung des Darlehens sollte nur aus Jahres- und Liquidationsüberschüssen oder aus sonstigem Aktivvermögen der Klägerin beglichen werden (Bl. 29 d.A.). In der Bilanz auf den 31. Dezember 1995 wies die Klägerin ein negatives Eigenkapital in Höhe von …TDM und u.a. die Darlehensverbindlichkeit gegenüber dem Gesellschafter als Fremdkapital aus. Wegen der weiteren Einzelheiten verweist der Senat auf den Jahresabschluss zum 31. Dezember 1995.

    Am 3. Dezember 1996 fasste der Gesellschafter einen Gesellschafterbeschluss folgenden Inhalts:

    „ Der Gesellschafter leistet eine Zuzahlung von …TDM, die in die Kapitalrücklage einzustellen ist.

    Der Gesellschafter hatte der Gesellschaft ein zinsloses Darlehen über …TDM gewährt, das zur Abwendung der Überschuldung mit einem Rangrücktritt gegenüber allen übrigen Gläubigern belegt wurde. Durch den aktivierungsfähigen Anspruch der Gesellschaft auf Einzahlung der Zuzahlung liegt eine Überschuldung nicht mehr vor, sodass die gewährten Darlehen im Umfang von …TDM zur Rückzahlung fällig sind.

    Der Gesellschafter ist berechtigt, seine Einlageverpflichtung mit seiner gegen die Gesellschaft bestehenden werthaltigen Forderung von …TDM aufzurechnen. Die Aufrechnung wird hiermit erklärt.

    …”

    Für die Klägerin erklärte ihre Geschäftsführerin, Frau Dr. R., in gleicher Urkunde die Zustimmung zur Aufhebung des Rangrücktritts und zur Aufrechnung des Rückzahlungsanspruchs mit der Zuzahlungsverpflichtung.

    Die verbleibende Einlage in Höhe von … DM – die hier nicht streitig ist – erbrachte der Gesellschafter ebenfalls nicht in bar, sondern durch die Übernahme einer Verbindlichkeit der Klägerin gegenüber ihrer Schwestergesellschaft A.-Bau GmbH in Höhe von … DM.

    Der im Jahresabschluss der Klägerin auf den 31. Dezember 1996 ausgewiesene Jahresfehlbetrag belief sich auf … DM. Infolge der um …TDM erhöhten Kapitalrücklage wies die Klägerin aber ein positives Eigenkapital in Höhe von … DM aus. Die Klägerin verfügte am 31. Dezember 1996 über keine stillen Reserven.

    Mit der Körperschaftsteuererklärung für 1996 erklärte die Klägerin einen Steuerbilanzverlust von … DM sowie ein zu versteuerndes Einkommen in gleicher Höhe. Der Beklagte veranlagte die Klägerin zunächst erklärungsgemäß und erließ am 9. März 1998 Bescheide über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag, mit denen er auf der Grundlage eines zu versteuernden Einkommens und eines Gewinns aus Gewerbebetrieb von jeweils ./. … DM die Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag mit 0,00 DM festsetzte. Mit Bescheiden vom gleichen Tag stellte der Beklagte den verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer in Höhe von …TDM und den vortragsfähigen Gewerbeverlust in Höhe von …TDM fest.

    Vom 26. August 2002 bis 19. Januar 2004 führte der Beklagte eine Außenprüfung bei der Klägerin für die Jahre 1996 bis 1999 durch. Streitig sind hier die Feststellungen in Tz. 13 des Abschlussberichts vom 19. Januar 2004. Die Prüferin stellte sich auf den Standpunkt, dass der Gesellschafterbeschluss vom 3. Dezember 1996 bei wirtschaftlicher Betrachtung als Verzicht auf die Gesellschafterforderung zu werten sei. Sie ermittelte den werthaltigen Teil der Forderung mit … DM und erhöhte das Einkommen der Klägerin um …TDM. Wegen der Einzelheiten verweist der Senat auf Tz. 13 des Abschlussberichts.

    Der Beklagte folgte den Feststellungen der Außenprüfung und erließ am 23. August 2004 einen nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung – AO – geänderten Bescheid über Körperschaftsteuer sowie einen nach § 35b Abs. 1 Gewerbesteuergesetz – GewStG – geänderten Gewerbesteuermessbescheid für 1996 und setzte auf der Grundlage eines zu versteuernden Einkommens und Gewinns aus Gewerbebetrieb in Höhe von … DM die Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag nach Verrechnung mit dem Verlustvortrag unverändert auf 0,00 DM fest. Den verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer stellte der Beklagte mit Bescheid vom gleichen Tag in Höhe von … TDM fest, den vortragsfähigen Gewerbeverlust in Höhe von …TDM.

    Dagegen wandte sich die Klägerin mit Einsprüchen vom 23. September 2004, die der Beklagte mit einer Einspruchsentscheidung vom 8. Dezember 2005 als unbegründet zurückwies.

    Die Klägerin verfolgt mit ihrer am 9. Januar 2006 bei Gericht eingegangenen Klage ihr Anliegen weiter. Sie macht vorrangig geltend, dass der Gesellschafter nicht auf seine Forderung verzichtet, sondern eine Einlage in die Klägerin geleistet habe. Lediglich zur Abkürzung der Zahlungswege hätten die Klägerin und ihr Gesellschafter eine Aufrechnung ihrer gegenseitigen Ansprüche vereinbart. Nach dem Gesellschafterbeschluss über die Einlage habe zudem auch kein negatives Eigenkapital der Klägerin mehr bestanden. Die Forderung des Gesellschafters gegenüber der Klägerin sei daher voll werthaltig gewesen. Desweiteren macht die Klägerin geltend, dass der Ertrag aus dem Forderungsverzicht als Sanierungsgewinn im Sinne des § 3 Nr. 66 Einkommensteuergesetz alter Fassung – EStG a.F. – steuerfrei sei.

    Mit Schriftsatz vom 15. Februar 2010 hat die Klägerin die Klage gegen den Gewerbesteuermessbescheid für 1996 zurückgenommen. Der Berichterstatter hat das Verfahren insoweit abgetrennt und eingestellt.

    Die Klägerin beantragt sinngemäß,

    den Bescheid für 1996 über Körperschaftsteuer vom August 2004 und die Einspruchsentscheidung vom Dezember 2005 aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte hält an seiner Auffassung fest, wonach der Gesellschafter bei wirtschaftlicher Betrachtung auf seine Forderung gegen die Klägerin verzichtet habe, auch wenn dies nicht ausdrücklich erklärt worden sei.

    Weiter ist er der Meinung, dass eine Steuerfreiheit als Sanierungsgewinn nach § 3 Nr. 66 EStG a.F. nicht in Betracht komme, da die Klägerin ihren Geschäftsbetrieb bereits eingestellt gehabt habe. Die Schulden seien nicht aus betrieblichen Gründen erlassen worden. Zudem habe kein Sanierungsplan vorgelegen.

    Wegen der weiteren Einzelheiten verweist der Senat auf die Schriftsätze der Beteiligten im gerichtlichen Verfahren.

    Entscheidungsgründe:

    Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid für 1996 über Körperschaftsteuer ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat zu Recht das körperschaftsteuerpflichtige Einkommen der Klägerin um …TDM erhöht.

    Der Beklagte konnte den Bescheid für 1996 verfahrensrechtlich ändern (dazu 1.). Der von der Klägerin angefochtene Bescheid ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Denn die im Gesellschafterbeschluss vom 3. Dezember 1996 erklärte Aufrechnung der Darlehensrückzahlungsforderung gegen die Einlageverpflichtung des Gesellschafters stellt im Hinblick auf die Wertlosigkeit der gegen die Klägerin gerichteten Rückzahlungsforderung des Gesellschafters einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne von § 42 AO dar und ist im Ergebnis wie ein Forderungsverzicht zu behandeln (dazu 2.). Es liegt kein nach § 3 Nr. 66 EStG a.F. privilegierter Sanierungsgewinn vor (dazu 3.).

    1. Der Beklagte konnte mit Änderungsbescheid vom August 2004 die Prüfungsfeststellungen hinsichtlich der Körperschaftsteuer für 1996 umsetzen, denn es war noch keine Festsetzungsverjährung für das Streitjahr eingetreten. Da die Klägerin ihre Körperschaftsteuererklärung für 1996 im Jahr 1998 abgegeben hat, wäre die reguläre Festsetzungsfrist zwar mit Ablauf des 31. Dezember 2002 abgelaufen (vgl. §§ 169 Abs. 2 Nr. 2, 170 Abs. 2 Nr. 1 AO). Durch die im August 2002 begonnene Außenprüfung war der Ablauf der Festsetzungsverjährungsfrist jedoch gehemmt (§ 171 Abs. 4 AO).

    Da die Außenprüfung nach Aktenlage bereits im August 2002 begonnen hat, handelt es sich bei der Angabe im Abschlussbericht vom 19. Januar 2004, wonach die Prüfung am 29. Juli 2003 begonnen habe, um ein Versehen.

    Der Beklagte konnte die Änderung der Körperschaftsteuer für 1996 auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO stützen, da ihm Tatsachen nachträglich bekannt geworden sind, die zu einer höheren Steuer führen. Dem Beklagten war nämlich bei Erlass des ursprünglichen Körperschaftsteuerbescheids für 1996 vom 9. März 1998 der Inhalt des Gesellschafterbeschlusses vom 3. Dezember 1996 nicht bekannt, der für die steuerliche Bewertung der (verdeckten) Einlage und der Aufrechnung gegen den Rückzahlungsanspruch notwendig ist. Dem Beklagten ist die Berufung auf die ihm neue Tatsache auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (zur Anwendung im Rahmen von § 173 AO vgl. Klein/Rüsken, 10. Aufl. 2009, § 173 Rn. 80) verwehrt, denn der Beklagte hat seine Untersuchungspflichten insofern nicht verletzt. Zwar hat die Klägerin im Jahresabschluss zum 31. Dezember 1996 die Einlage des Gesellschafters in Höhe von …TDM dargestellt und zugleich die sonstige Verbindlichkeit gegenüber dem Gesellschafter nicht mehr ausgewiesen. Dies allein hat den Beklagten aber nicht zu weiteren Untersuchungen verpflichtet. Es wäre vielmehr an der Klägerin gewesen, dem Beklagten durch die Vorlage und erforderlichenfalls Erläuterung sämtlicher Vorgänge im Zusammenhang mit der Ausbuchung der Gesellschafterforderung eine abschließende rechtliche Beurteilung der Vorgänge zu ermöglichen.

    2. Der von der Klägerin gewählten Vorgehensweise ist unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten die Anerkennung zu versagen, und die in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit der Zuzahlung in die Kapitalrücklage der Klägerin stehende Aufrechnung gegen die Darlehensforderung der Klägerin gegen ihren Gesellschafter ist gemäß § 42 AO a.F. wie ein Verzicht auf diese Forderung zu behandeln.

    a) Nach § 42 Satz 1 AO a.F. kann durch den Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten in diesem Sinn liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des angestrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. BFH-Urteile vom 21. Januar 1999 IV R 96/96, BFHE 187, 570; vom 27. Juli 1999 VIII R 36/98, BFHE 189, 408, BStBl. II 1999, 769; vom 19. August 1999 I R 77/96, BFHE 189, 342, BStBl. II 2001, 43; vom 19. Oktober 1999 IX R 39/99, BFHE 190, 173, BStBl. II 2000, 224, und vom 17. November 1999 I R 11/99, BFHE 190, 419, m.w.N.). Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll (BFH-Urteile vom 29. Mai 2008 IX R 77/06, BStBl. II 2008, 789; vom 17. Dezember 2003 IX R 56/03, BFHE 205, 70, BStBl. II 2004, 648, m.w.N.).

    b) Nach diesen Maßstäben war die Einlage in die Kapitalrücklage mit gleichzeitiger Erklärung der Aufrechnung der sich damit gegenüber stehenden Ansprüche eine unangemessene rechtliche Gestaltung, die allein der Steuerminderung diente und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen war. Denn tatsächlich sollte durch diese Maßnahmen eine Entlastung der (Steuer-)Bilanz der Klägerin von der nicht mehr werthaltigen Forderung des Gesellschafters erreicht werden, die stattdessen auch durch einen bloßen Verzicht hätte erreicht werden können. Der gewählte Weg, zunächst eine Einlage in die Klägerin zu vereinbaren und den daraus resultierenden Anspruch noch in gleicher Urkunde gegen die Rückzahlungsaufforderung aufzurechnen, hat allein dem Zweck gedient, den aus einem Verzicht auf eine (vollständig oder nahezu vollständig) wertlose Forderung resultierenden Ertrag bei der Klägerin zu vermeiden. Außersteuerliche Gründe für die gewählte Vorgehensweise sind nicht ersichtlich und sind von der Klägerin auch nicht vorgetragen worden.

    aa) Der Erlass einer Gesellschafterforderung gegenüber einer Kapitalgesellschaft führt aus der Sicht der Gesellschaft zum Erlöschen einer Verbindlichkeit und damit zu einer Gewinnerhöhung. Diese in der Steuerbilanz zu erfassende Gewinnerhöhung ist zwar außerhalb der Bilanz zu neutralisieren, soweit es sich bei dem Forderungsverzicht steuerrechtlich um eine Einlage handelt (§ 8 Abs. 3 Satz 3 Körperschaftsteuergesetz – KStG –). Ein im Gesellschaftsverhältnis veranlasster Forderungsverzicht eines Gesellschafters führt jedoch zu einer Einlage (nur) in Höhe des Teilwerts der Forderung im Zeitpunkt des Verzichts. Soweit die erlassene Forderung in diesem Zeitpunkt nicht (mehr) werthaltig war, bleibt es bei der durch den Wegfall der Verbindlichkeit ausgelösten Gewinnerhöhung (st. Rspr. seit BFH-Beschluss vom 9. Juni 1997 GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl. II 1998, 307).

    bb) Im Streitfall war die Darlehensforderung des Gesellschafters gegen die Klägerin in Höhe von nominell …TDM nach Auffassung des Senats nicht werthaltig, sodass im Falle eines Verzichts das körperschaftsteuerpflichtige Einkommen der Klägerin zumindest um die vom Beklagten angesetzten …TDM zu erhöhen gewesen wäre.

    Die Klägerin hat in der Bilanz auf den 31. Dezember 1996 ein Eigenkapital in Höhe von lediglich … DM ausgewiesen. Ohne Berücksichtigung der Zuführung zur Kapitalrücklage in Höhe von …TDM wäre die Klägerin zum 31. Dezember 1996 in Höhe von …TDM bilanziell überschuldet gewesen, da sich das negative Eigenkapital bereits zum 31. Dezember 1995 auf …TDM belief und die Klägerin im Streitjahr 1996 einen Jahresfehlbetrag von … DM erzielt hat.

    Zwar ist der Klägerin einzuräumen, dass der Teilwert der Forderung auf den Verzichtszeitpunkt (3. Dezember 1996) und nicht auf den Bilanzstichtag (31. Dezember 1996) zu ermitteln ist. Es ist aber – abgesehen von der streitigen Frage der Bewertung der Einlage – nicht ersichtlich, dass sich die wirtschaftliche Situation der Klägerin in der Zwischenzeit zu ihren Gunsten verändert hätte. Mangels einer Gewinnermittlung auf den 3. Dezember 1996 spricht daher nichts gegen einen Rückgriff auf den Jahresabschluss zum 31. Dezember 1996.

    Aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Klägerin war mit einer Rückzahlung der Darlehensverbindlichkeit durch die Klägerin nicht zu rechnen, da die Klägerin über keine Vermögenswerte verfügt hat, mittels derer sie die Verbindlichkeiten hätte erfüllen können. Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, und der Senat hat nach Aktenlage ebenfalls keine besseren Erkenntnisse, dass die Klägerin zum 31. Dezember 1996 nicht über stille Reserven verfügt hat, die die Forderung hätten werthaltig machen können. Die Klägerin war zudem nicht kreditwürdig und hätte die Verbindlichkeit deshalb auch nicht durch die Aufnahme weiteren Fremdkapitals erfüllen können. Zusätzlich ist Wert mindernd zu berücksichtigen, dass es sich aufgrund der Rangrücktrittserklärung vom Februar 1995 um eine nachrangige und damit Eigenkapital ersetzende Rückzahlungsforderung des Gesellschafters gegen die Klägerin gehandelt hat, die nur aus Jahres- und Liquidationsüberschüssen oder aus sonstigem Aktivvermögen der Klägerin beglichen werden sollte. Diese Rückzahlungsforderung wäre daher sogar erst nach den sonstigen Verbindlichkeiten – also wie Eigenkapital – zu bedienen gewesen.

    Dies alles führt dazu, dass nach Auffassung des Senats die Forderung vollständig wertlos war mit der Folge, dass das steuerpflichtige Einkommen der Klägerin um …TDM zu erhöhen wäre. Der Beklagte ist zugunsten der Klägerin jedoch davon ausgegangen, dass die Forderung in Höhe von … DM noch werthaltig gewesen ist und hat deshalb das Einkommen nicht um …TDM, sondern nach einer weiteren, sich dem Senat nicht erschließenden, Verhältnisrechnung nur um …TDM erhöht. Daran ist der Senat zugunsten der Klägerin gebunden, da eine Änderung des Bescheids zum Nachteil der Klägerin im gerichtlichen Verfahren ausgeschlossen ist (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 96 FGO Rn. 101).

    cc) Im Hinblick auf die steuerlichen Folgen eines Forderungsverzichts war die gewählte rechtliche Gestaltung zur Erreichung des angestrebten wirtschaftlichen Ziels – nämlich der Entlastung der Bilanz von der Verbindlichkeit gegenüber dem Gesellschafter – unangemessen, diente allein der Steuerminderung und war durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen:

    Zwar wäre es entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten grundsätzlich auch steuerlich anzuerkennen, wenn der Gesellschafter einen Barzuschuss in die Kapitalrücklage der Klägerin geleistet und diese die eingelegten Barmittel anschließend zur Rückzahlung der Verbindlichkeit gegenüber dem Gesellschafter genutzt hätte (vgl. Gosch/Roser, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8 Rn. 121). Der im Streitfall gewählten Vorgehensweise ist die steuerliche Anerkennung aber deshalb zu versagen, weil der Gesellschafter der Klägerin die von ihm geschuldete Einlage nicht in Form eines Barzuschusses oder durch Zuführung eines sonstigen (werthaltigen) Vermögenswerts erbracht hat. Die in gleicher Urkunde erklärte Aufrechnung der Einlageverpflichtung mit der Rückzahlungsverpflichtung ist vielmehr eine bloß auf dem Papier vollzogene Transaktion, die weder zu einer Veränderung der wirtschaftlichen Situation der Klägerin geführt noch den Gesellschafter wirtschaftlich belastet hat. Denn im wirtschaftlichen Ergebnis ist die wertlose Rückzahlungsforderung in die Klägerin eingebracht worden. Da die Werthaltigkeit einer gegen die Gesellschaft gerichteten Forderung nicht dadurch herbeigeführt werden kann, dass der Gesellschafter eben diese wertlose Forderung in die Gesellschaft einlegt, setzt der Gesellschafterbeschluss das voraus, was er herbeiführen soll: eine werthaltige Forderung.

    dd)Der Senat setzt sich nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des Finanzgerichts – FG – München vom 27. Oktober 2009 (6 K 3941/06, juris), auf die sich die Klägerin beruft. Das FG München hat einen Gestaltungsmissbrauch im Sinne von § 42 AO a.F. zwar verneint, hatte dabei aber über einen Sachverhalt zu entscheiden, in dem die Gesellschafter einer bilanziell überschuldeten GmbH fremdfinanzierte Gesellschaftereinlagen geleistet haben. Im Unterschied zu dem hier zu entscheidenden Sachverhalt wurden der Gesellschaft in dem vom FG München entschiedenen Fall tatsächlich Barmittel zugeführt, die anschließend zum Ausgleich des Verrechnungskontos einer ebenfalls beteiligten KG eingesetzt worden sind. Der Senat sieht darin einen erheblichen Unterschied, weil die der Gesellschaft zugeführten Barmittel dem Vollstreckungszugriff anderer Gläubiger ausgesetzt wären. Selbst bei nur kurzzeitigem Verbleib der Mittel im Betriebsvermögen der Gesellschaft hätte sich z.B. das Pfandrecht der kontoführenden Bank oder ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zugunsten anderer Gläubiger auswirken können.

    Ebenfalls keinen Widerspruch sieht der Senat zu dem BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2001 (I B 74/01, BFH/NV 2002, 678). Der dortigen Entscheidung lag zugrunde, dass der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft deren Verbindlichkeit unter Befreiung von Ersatzansprüchen übernommen hatte. Der BFH hat entschieden, dass die Verbindlichkeit bei Zahlung von der Gesellschaft auszubuchen und Gewinn neutral mit dem zu aktivierenden Freistellungsanspruch gegen den Gesellschafter infolge der Schuldübernahme aufzurechnen ist. Nach der Entscheidung des BFH handelt es sich in dem von ihm entschiedenen Fall nicht um den auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhenden Verzicht des Gesellschafters auf eine nicht mehr vollwertige Forderung gegenüber seiner Kapitalgesellschaft, die bei dieser zu einer Einlage in Höhe des Teilwerts der Forderung führt. Erneut liegt der maßgebliche Unterschied zum hier vorliegenden Streitfall darin, dass es in dem vom BFH entschiedenen Fall zu einem tatsächlichen Geldabfluss gekommen ist, und zwar vom Gesellschafter an den dritten Gläubiger.

    ee) Nach § 42 Satz 2 AO a.F. entsteht der Steueranspruch bei einem Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung entstanden wäre. Infolge dessen ist die Klägerin so zu behandeln, als hätte der Gesellschafter auf seine Forderung gegen die Klägerin verzichtet.

    3. Es liegt kein nach § 3 Nr. 66 EStG a.F. privilegierter Sanierungsgewinn vor.

    Nach § 3 Nr. 66 EStG a.F. in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG waren Erhöhungen des Betriebsvermögens, die dadurch entstanden, dass Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen wurden, von der Körperschaftsteuer befreit (vgl. für die Anwendung im Körperschaftsteuerrecht: BFH, Urteil vom 17. November 2004 I R 11/04, BFH/NV 2005, 1027 m.w.N.).

    Unter einer Sanierung im Sinne von § 3 Nr. 66 EStG a. F. sind nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, Maßnahmen zu verstehen, die geeignet sind, ein Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen. Dabei setzt die Steuerbefreiung voraus, dass das Unternehmen sanierungsbedürftig ist, die Gläubiger in Sanierungsabsicht handeln und die Maßnahme zur Sanierung geeignet ist. Fehlt es an einer dieser Voraussetzungen, so liegt kein steuerfreier Sanierungsgewinn vor (vgl. BFH, Urteil vom 10. April 2003 IV R 63/01, BFHE 202, 452, BStBl. II 2004, 9). Die Sanierungseignung einer Maßnahme ist zu bejahen, wenn der Schulderlass geeignet ist, ein sanierungsbedürftiges Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen. Der Schulderlass muss damit allein oder zusammen mit anderen Maßnahmen das Überleben des Unternehmens herbeiführen können.

    Im Streitfall fehlt es aufgrund der Einstellung des Geschäftsbetriebs der Klägerin im Jahr 1995, dem Vorjahr des Streitjahres, bereits an der Sanierungseignung des Forderungsverzichts. Da die Sanierungsmaßnahmen eine Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit ermöglichen müssen (vgl. Schmidt/Heinicke, 17. Aufl. 1998, § 3 EStG ABC Stichwort „Sanierungsgewinn”), setzt die Privilegierung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. nämlich voraus, dass die Gesellschaft in zeitlichem Zusammenhang mit dem Schuldenerlass ihre werbende Tätigkeit wieder aufgenommen hat (BFH-Urteil vom 17. November 2004 I R 11/04, BFH/NV 2005, 1027, m.w.N.).

    Zudem hat der Gesellschafter auch die erforderliche Sanierungsabsicht nicht nachgewiesen.

    „Zum Zweck der Sanierung” wird eine Schuld in der Regel erlassen, wenn der Schuldner sanierungsbedürftig und der Erlass geeignet ist, die Sanierung herbeizuführen. Eigennützige Motive des Gläubigers, wie etwa die Rettung eines Teils der Restforderung, sind unschädlich, sofern nur die Sanierungsabsicht mitentscheidend war. Sanierungsabsicht kann unterstellt werden, wenn sich mehrere Gläubiger an einem Schulderlass beteiligen (BFH-Urteil vom 14. März 1990 I R 64/85, BFHE 161, 28, BStBl. II 1990, 810), weil dann davon ausgegangen werden kann, dass das gleichgerichtete Vorgehen mehrerer nicht allein von deren jeweiligen Interessen geleitet wird. Aber auch im Falle des Erlasses durch nur einen Gläubiger ist nicht schlechthin ausgeschlossen, dass dieser in Sanierungsabsicht gehandelt hat. Es ist dann aber anhand anderer Indizien zu prüfen, ob dem Schulderlass die Absicht zugrunde gelegen hat, den Schuldner vor dem Zusammenbruch zu bewahren (BFH-Urteil vom 10. April 2003 IV R 63/01, BFHE 202, 452, BStBl. II 2004, 9). Die Sanierungsabsicht ist u.a. dann zu verneinen, wenn der Forderungsverzicht aus gesellschaftlichem Anlass erklärt wird, also eine verdeckte Einlage vorliegt (BFH-Urteil vom 29. Juli 1997 VIII R 57/94, BFHE 184, 63, BStBl. II 1998, 652).

    Die Abgrenzung zwischen einem Forderungsverzicht als gesellschaftlich veranlasster verdeckter Einlage und einer betrieblich veranlassten Sanierungsmaßnahme ist nach den für Zuwendungen eines Gesellschafters an „seine” Gesellschaft allgemein geltenden Grundsätzen vorzunehmen. Eine gesellschaftliche Veranlassung liegt danach vor, wenn ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns der Gesellschaft den Vermögensvorteil nicht eingeräumt hätte. Dementsprechend ist ein Forderungsverzicht gesellschaftlich und nicht betrieblich veranlasst, wenn der Gesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns die Schulden nicht erlassen hätte (BFH-Urteil vom 29. Juli 1997 VIII R 57/94, BFHE 184, 63, BStBl. II 1998, 652; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Mai 1995, § 3 Nr. 66 EStG Anm. 15).

    Im Streitfall ist von einer gesellschaftlichen Veranlassung des Verzichts auszugehen; ein Nichtgesellschafter hätte der Klägerin deren Schulden nicht erlassen. Dafür spricht insbe sondere, dass neben dem Gesellschafter keine weiteren Gläubiger auf Ansprüche gegen die Klägerin verzichtet haben. Für fremde Gläubiger hätte im Hinblick auf die Einstellung des Geschäftsbetriebs der Klägerin auch kein Anlass bestanden, auf ihre Forderungen zu verzichten. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass aus ihrer oder aus der Sicht des Gesellschafters zum damaligen Zeitpunkt mit einer Wiederaufnahme des Geschäftsbe triebs zu rechnen gewesen wäre. Schließlich berücksichtigt der Senat zulasten der Kläge rin, dass diese selbst ebenso wie ihr Gesellschafter sich vorrangig darauf berufen, dass gar kein Verzicht gewollt gewesen sei, sondern dass es zu einer Aufrechnung mit der Ein lageverpflichtung des Gesellschafters gekommen sei. Dies schließt es aus, dass der Ge sellschafter in Sanierungsabsicht gehandelt hat.

    4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht zuzulas sen, da der Senat nicht von der Rechtsprechung des BFH oder anderer FG abweicht und Zulassungsgründe i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 3 FGO nicht erkennbar sind.

    VorschriftenKStG 1996 § 8 Abs. 1, EStG 1990 § 4 Abs. 1, EStG 1990 § 3 Nr. 66, AO § 42

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