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  • · Fachbeitrag · Schuldnerobliegenheiten

    Erwerbsobliegenheit muss ernst genommen werden

    Je detaillierter die Anfrage des Insolvenzgerichts ist, desto dezidierter muss der Schuldner seine Erwerbsbemühungen nachweisen. Die pauschale Angabe von behaupteten Bewerbungen ohne jeglichen Beleg ist (dann) nicht ausreichend (LG Dessau-Roßlau 24.1.14, 1 T 22/14, Abruf-Nr. 141444).

     

    Sachverhalt

    Das Insolvenzgericht hat den Schuldner am 14.11.13 wegen eines zulässigen Versagungsantrags aufgefordert, binnen zwei Wochen „im Einzelnen durch Vorlage entsprechender Bewerbungsschreiben oder anderer vergleichbarer Belege nachzuweisen, inwieweit Sie sich während der Laufzeit der Abtretungserklärung um eine angemessene Erwerbstätigkeit bemüht haben.“ Zugleich ist der Schuldner auf die Folgen einer Verletzung seiner Mitwirkungspflichten hingewiesen worden.

     

    Mit einem undatierten Schreiben vom 15.11.13 hat der Schuldner mitgeteilt, er sende „anbei … meine Bewerbungsbemühungen“. Tatsächlich haben dem Schreiben keine Anlagen beigelegen. Der Schuldner hat weiter ausgeführt, er habe „an diverse Leihfirmen Bewerbungen geschickt sowie zwei Dauerbewerbungen an das S., zwei Dauerbewerbungen an ... und eine Bewerbung an ...“. Jedoch seien ihm nur Absagen erteilt worden.

     

    Das Insolvenzgericht hat ihn danach zur Konkretisierung seiner Bemühungen aufgefordert, insbesondere wann welche Bewerbung versandt wurde, jedenfalls aber, wie viele Bewerbungen er im Monat geschrieben habe. Innerhalb der gesetzten Frist ging keine Antwort des Schuldners mehr ein, sodass ihm die Restschuldbefreiung versagt wurde. Erst danach antwortete er und behauptete fünf bis zehn Bewerbungen pro Monat ohne nähere Details.

     

    Entscheidungsgründe/Praxishinweis

    Das LG hat die Entscheidung des Insolvenzgerichtes bestätigt und damit einmal mehr aufgezeigt, dass die Geltendmachung eines Verstoßes gegen die Erwerbsobliegenheit für den Gläubiger eine gute Möglichkeit ist, den Verlust seiner Forderung zu vermeiden, in dem dem nicht kooperativen und hinreichend um die Erzielung einer Quote bemühten Schuldner die Restschuldbefreiung versagt wird. Dabei beruhte im konkreten Fall die Versagung der Restschuldbefreiung nicht einmal auf dem eigentlichen Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit, sondern auf der unzureichenden Erfüllung seiner Mitwirkungs- und Auskunftspflichten.

     

    Die vom Schuldner am 15.11.13 gemachten Angaben genügen nicht den - sachgerechten und sich an dem Inhalt der Obliegenheit aus § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO orientierenden - Auskünften, die das Insolvenzgericht verlangte. Die Auskünfte des Schuldners nach § 296 Abs. 2 S. 2, 1. Fall InsO müssen sich an den konkreten Fragen an ihn ausrichten. Je genauer die Frage ist, desto detaillierter muss die Antwort des Schuldners ausfallen.

     

    Das LG würdigt den konkreten Fall: Der Schuldner ist aufgefordert worden, „im Einzelnen durch Vorlage entsprechender Bewerbungsschreiben oder anderer vergleichbarer Belege nachzuweisen, inwieweit Sie sich während der Laufzeit der Abtretungserklärung um eine angemessene Erwerbstätigkeit bemüht haben.“ Dem genügt seine mehr als vage, durch nichts belegte Antwort, er habe „an diverse Leihfirmen (welche?) Bewerbungen (wie viele? Belege?) geschickt“, nicht. Zudem bleibt unklar, was besagte „Dauerbewerbungen“ sein sollen, die ebenfalls - wie auch die vorgebliche Bewerbung „an“ - nicht belegt sind. Wenn der Schuldner in der Folge auf die weitere Aufforderung des Insolvenzgerichts zur Konkretisierung seiner Angaben und dazu, „genau“ darzulegen, „zu welchem Zeitpunkt während der Wohlverhaltensperiode bei welchem Arbeitgeber Sie sich beworben haben“, nicht antwortet, folgt allein hieraus die Berechtigung des Insolvenzgerichts, die Restschuldbefreiung nach fruchtlosem Fristablauf zu versagen.

     

    MERKE | Zu der Obliegenheit des Schuldners, sich um eine angemessene Beschäftigung zu bemühen, gehört es, sich im Regelfall bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden und laufend Kontakt zu den dort für ihn zuständigen Mitarbeitern zu halten. Weiter muss er sich selbst aktiv und ernsthaft um eine Arbeitsstelle bemühen, etwa durch stetige Lektüre einschlägiger Stellenanzeigen und durch entsprechende Bewerbungen. Als ungefähre Richtgröße können zwei bis drei Bewerbungen in der Woche gelten, sofern entsprechende Stellen angeboten werden (BGH FMP 11, 161, Abruf-Nr. 112304).

     

    Das LG hat auch in dem verspäteten Schreiben des Schuldners keine hinreichende Auskunft gesehen, da unklar bleibe, bei welchen Arbeitgebern er sich beworben haben will. Auch stehe diese Auskunft in Widerspruch zum ersten Schreiben.

     

    MERKE | In prozessualer Hinsicht ist die Frage beachtlich, ob der Schuldner im Beschwerdeverfahren noch seiner Mitwirkungs- und Auskunftspflicht nachkommen kann. Dafür könnte § 571 Abs. 2 S. 1 ZPO sprechen, wonach eine Beschwerde auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel gestützt werden kann. Allerdings verkennt dies die Zielrichtung von § 571 ZPO. Den einmal verwirkten Verstoß gegen die Auskunfts- und Mitwirkungsverpflichtung kann der Schuldner nicht mehr revidieren, da sonst jede Fristsetzung ins Leere liefe. Er kann allenfalls noch geltend machen, dass kein Verstoß vorliege, weil er die Auskunftsverlangen nicht erhalten habe. Im konkreten Fall schied dies aber aus, weil er hierauf ja jeweils - unzureichend - geantwortet hatte.

     

    Nach dem BGH ist es jedenfalls erforderlich, dass sich der Schuldner auf alle angebotenen Stellen bewirbt. Welche Stellen angeboten werden, kann der Gläubiger auch selbst recherchieren. Selbst wenn er keinen Zugriff auf die örtlichen Zeitungen mit ihren Stellenanzeigen hat, kann doch auf Online-Stellenbörsen der jeweiligen Region sowie die Jobbörse der Arbeitsagentur (www.jobboerse.arbeitsagentur.de) zurückgegriffen werden. Die dortigen Stellenangebote sind dann zu archivieren und auf das Auskunftsverlangen mit den tatsächlichen Bewerbungen des Schuldners zu vergleichen.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2014 | Seite 99 | ID 42683135