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  • · Fachbeitrag · Obliegenheiten

    Richtiger Zeitpunkt für den Versagungsantrag

    Hat der Schuldner in der Treuhandphase eine wirtschaftlich selbstständige Tätigkeit ausgeübt, sind die Gläubiger wegen der Nichtabführung von Beträgen an den Treuhänder regelmäßig berechtigt, einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung erst am Ende dieses Verfahrensabschnitts zu stellen (BGH 10.10.13, IX ZB 119/12, Abruf-Nr. 133887).

     

    Sachverhalt

    Über das Vermögen des Schuldners, eines selbstständigen Zahnarztes, der zwei Kindern zur Hälfte Unterhalt leisten muss, wurde das Insolvenzverfahren 2006 eröffnet und ihm 2007 die Restschuldbefreiung angekündigt. Er leistete keine Zahlungen an den Treuhänder. 2012 forderte das Insolvenzgericht die Gläubiger gemäß § 300 Abs. 1 InsO auf, innerhalb einer Frist von zwei Wochen zu dem Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung Stellung zu nehmen. Hierauf beantragte der Gläubiger unter Hinweis auf § 295 Abs. 2 InsO, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen. Dieser hätte unter Zugrundelegung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst bei einem monatlichen Nettoeinkommen von knapp 2.500 EUR monatlich 683,02 EUR an den Treuhänder abführen müssen, sodass sich ein rückständiger Betrag von insgesamt 36.200 EUR für die gesamte Treuhandperiode ergebe. Darauf wurde dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt. Auf seine Beschwerde hat das LG den Versagungsantrag wegen Fristversäumnis zurückgewiesen. Das sieht der BGH auf die Rechtsbeschwerde hin anders.

     

    Entscheidungsgründe/Praxishinweis

    Die Voraussetzungen des aufgrund der Verweisung in § 300 Abs. 2 InsO auch auf die Schlussanhörung zur Restschuldbefreiung anwendbaren § 296 Abs. 1 InsO liegen vor, soweit S. 2 bestimmt, dass der Antrag nur binnen eines Jahres nach dem Zeitpunkt gestellt werden kann, in dem die Obliegenheitsverletzung dem Gläubiger bekannt geworden ist.

     

    Für die Verletzung der den Schuldner gemäß § 295 Abs. 2 InsO treffenden Abführungsobliegenheit beginnt die Frist grundsätzlich erst mit Abschluss der Treuhandperiode zu laufen (BGH Rpfleger 11, 559; BGH ZInsO 13, 405). Zwar hat der BGH zwischenzeitlich entschieden, dass der selbstständig tätige Schuldner die Zahlung nicht erst am Ende der Wohlverhaltensphase zu leisten hat, sondern vielmehr verpflichtet ist, in regelmäßigen Abständen, zumindest jährlich, Zahlungen an den Treuhänder zu erbringen (BGH NJW-RR 12, 1330). Dennoch kann oft erst am Ende der Wohlverhaltensperiode sicher festgestellt werden, ob ein Obliegenheitsverstoß vorliegt. Deswegen sind die Gläubiger regelmäßig berechtigt, den Versagungsantrag unabhängig von einer vorherigen Kenntnis von der Nichtabführung einzelner Beträge erst am Ende der Treuhandphase zu stellen. Hieran ändert auch die Feststellung nichts, dass der Schuldner zu periodischen Zahlungen an den Treuhänder verpflichtet ist. Der im August 2009 beim Insolvenzgericht eingegangene Versagungsantrag ist schon deshalb nach § 296 Abs. 1 S. 2 InsO rechtzeitig gestellt worden, weil der Schuldner bis zum Ende der Treuhandperiode keine Zahlungen geleistet hat.

     

    Bedenken gegen die Zulässigkeit des Versagungsantrags ergeben sich auch sonst nicht. Die Gläubigerin hat sowohl die Obliegenheitsverletzung wie auch die Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung glaubhaft gemacht. Ein Gläubiger genügt im Fall des § 295 Abs. 2 InsO seiner Pflicht zur Glaubhaftmachung der Obliegenheitsverletzung des Schuldners und der Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger (§ 300 Abs. 2, § 296 Abs. 1 InsO), wenn er darlegt, dass der Schuldner an den Treuhänder nicht den Betrag abgeführt hat, den er bei Ausübung einer vergleichbaren abhängigen Tätigkeit nach dem üblichen Lohnniveau hätte abführen müssen (BGH WM 11, 1338).

     

    Der Schuldner hat unstreitig keine Beträge an den Treuhänder abgeführt. Durch die Bezugnahme auf den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst ist glaubhaft gemacht, dass der Schuldner in einem fiktiven angemessenen Dienstverhältnis so viel hätte verdienen können, dass er unter Berücksichtigung der ihn treffenden Unterhaltsverpflichtungen während des Laufs der Wohlverhaltensphase monatlich 683,02 EUR, insgesamt 36.200,06 EUR, an den Treuhänder hätte abführen müssen. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben.

     

    MERKE | Nach der Zurückweisung der Sache an das Beschwerdegericht muss geklärt werden, ob der Schuldner die abhängige Beschäftigung tatsächlich hätte ausüben können. Darlegungs- und Beweispflichtig dafür ist allerdings der Schuldner. Der Schuldner muss sich nämlich von dem Vorwurf, seine Obliegenheitspflichten schuldhaft verletzt zu haben, nach § 296 Abs. 1 S. 1 letzter HS InsO entlasten (BGH ZInsO 09, 1217). Neben einer schlechten Lage am Arbeitsmarkt, die es verhindert, dass der Schuldner eine angemessene abhängige Beschäftigung findet, kann sich die Unangemessenheit auch daraus ergeben, dass der Schuldner aufgrund seines Alters oder aus Krankheitsgründen nicht in der Lage ist, die vergleichbare Tätigkeit auszuüben.

     

    Im konkreten Fall hat der Schuldner, der nur auf einem Auge sieht, geltend gemacht, aufgrund seiner Sehbeeinträchtigung gehindert zu sein, als angestellter Zahnarzt den Verdienst zu erzielen, den ein nicht behinderter Zahnarzt erzielen würde. Dieser Einwand, der für den von dem Schuldner zu führenden Entlastungsbeweis (BGH ZInsO 09, 2069) erheblich sein könnte, ist zu klären.

     

    Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, dass der öffentliche Arbeitgeber sowie die Privatwirtschaft verpflichtet sind, behinderte Menschen unter den Arbeitnehmern angemessen zu berücksichtigen.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Richtiger Zeitpunkt für den Versagungsantrag, FMP 14, 51 (in dieser Ausgabe)
    • Der Schuldner darf sich einiges erlauben, FMP 14, 22
    • Rechtsschutzbedürfnis für Versagungsantrag bei Widerspruch gegen Forderungsgrund, FMP 13, 166
    Quelle: Ausgabe 03 / 2014 | Seite 51 | ID 42531113