09.04.2024 · IWW-Abrufnummer 240753
Amtsgericht Köln: Urteil vom 11.12.2023 – 203 C 73/23
1. Das Recht auf Anpassung der Betriebskostenvorauszahlungen nach § 560 Abs. 4 BGB wird durch Ausübung für die jeweilige Abrechnung verbraucht.
2. Eine nachträgliche Anpassung der Vorauszahlungen kann jedenfalls dann nicht auf § 313 BGB gestützt werden, wenn die veränderten Umstände, auf die sie gestützt wird, bereits bei der vorherigen Ausübung des Anpassungsrechts nach § 560 Abs. 4 BGB bekannt waren.
Amtsgericht Köln
Tenor:
Die Beklagte wird unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, als Gesamtschuldnerin mit dem anderweitig in Anspruch genommenen Herrn U. K. an die Klägerin 1.217,48 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.06.2023 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 11 %, der Beklagten zu 89 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abgewendet werden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
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T a t b e s t a n d :
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Die Parteien sind durch einen Wohnraummietvertrag miteinander verbunden. Die Klägerin ist Vermieterin, die Beklagte Mieterin. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Miete für die Monate März 2023 bis Juni 2023 sowie auf Zahlung von Mahngebühren in Anspruch.
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Die Beklagte wohnt bereits seit 2016 nicht mehr in der Mietwohnung und versuchte wiederholt, einvernehmlich aus dem Mietverhältnis entlassen zu werden. Die Klägerin stimmte dem jedoch nicht zu.
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Zunächst zahlten die Beklagte und ihr gesondert verfolgter Mitmieter eine Miete von insgesamt 798,04 € bestehend aus einer Grundmiete von 588,04 € Heizkostenvorauszahlungen von 49,00 € und Betriebskostenvorauszahlungen von 161,00 €.
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Unter dem 06.07.2021 kündigte die Klägerin gegenüber der Beklagten und ihrem Mitmieter unter anderem eine Modernisierung an (Bl. 109 ff. GA). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Ankündigungsschreiben verwiesen.
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Unter dem 26.04.2022 rechnete die Klägerin über die Heiz- und Betriebskosten des Jahres 2021 ab (Anl. K5, Bl. 90 ff. GA). In der Abrechnung forderte sie ab Juni 2022 um 7,00 € erhöhte Heiz- und um 13,00 € erhöhte Betriebskostenvorauszahlungen. Die sich hieraus ergebende Gesamtmiete von 818,04 € (Heizkostenvorauszahlungen: 56,00 €) zahlten die Beklagte und ihr Mitmieter zunächst.
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Mit Schreiben vom 22.09.2022 (Bl. 96 ff. GA) forderte die Klägerin nach angekündigten und durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen eine Mieterhöhung um 75,97 € ab dem 01.12.2022. Die zu zahlenden Heizkostenvorauszahlungen setzte sie von 56,00 € um 17,82 € auf 38,18 € herab. Die Betriebskostenvorauszahlungen blieben unverändert. Es ergab sich eine Gesamtmiete von 876,19 €.
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Mit Schreiben vom 21.11.2022 (Anl. K4, Bl. 86 ff. GA) machte die Klägerin zum 01.01.2023 nunmehr Heizkostenvorauszahlungen von 77,00 € statt 38,18 € geltend. Dies begründete sie mit den allgemein gestiegenen Energiepreisen infolge des Krieges gegen die Ukraine.
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Bis einschließlich Februar 2023 wies das Mietkonto der Beklagten und des Mitmieters ein Guthaben auf, von dem die Klägerin die ihrer Ansicht zu wenig gezahlten laufenden Mieten in Abzug brachte. Auf die Märzmiete verrechnete die Klägerin noch ein Guthaben von 204,25 €. Unter Berücksichtigung dessen stellen sich von der Klägerin in Anspruch genommene Forderungen und die Zahlungen der Beklagten und des Mitmieters wie folgt gegenüber:
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Forderung lt. Kl'in Gezahlt Differenz
Mrz 23 710,76 € 500,00 € 210,76 €
Apr 23 915,01 € 798,04 € 116,97 €
Mai 23 915,01 € 700,00 € 215,01 €
Jun 23 915,01 € 915,01 € 1.457,75 €
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Die Klägerin behauptet, die Beklagte mit Schreiben vom 08.03.2023 und 17.03.2023 gemahnt zu haben. Bis dahin war eine Zahlung für März noch überhaupt nicht eingegangen. Sie behauptet weiter im April 2023 ebenfalls zweimal gemahnt zu haben, bevor die obige Zahlung erfolgt sei. Für die Mahnungen verlangte sie jeweils 2,50 €, insgesamt 10,00 €.
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Diese Mahngebühren und die sich aus der Tabelle ergebende Forderung hat die Klägerin im Mahnverfahren erfolgt. Der Mahnbescheid ist am 23.06.2023 zugestellt worden. Nach einer Zahlung vor Abgabe an das Streitgericht haben die Parteien den Rechtsstreit in Höhe von 84,99 € übereinstimmend für erledigt erklärt.
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In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin die Klage wegen der Mahnkosten in Höhe von insgesamt 6,00 € zurückgenommen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte neben dem anderweitig in Anspruch genommenen Herrn U. K. zu verurteilen, an die Klägerin 1.382,76 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung des Mahnbescheides zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte bestreitet die Zahlungsrückstände mit Nichtwissen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.11.2023 (Bl. 127 f.GA) und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte den geltend gemachten Zahlungsanspruch aus § 535 Abs. 2 BGB nur in Höhe von insgesamt 1.217,48 €.
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Das klägerische Vorbringen kann noch dahingehend ausgelegt werden, dass ursprünglich eine Grundmiete von 588,04 €, Heizkostenvorauszahlungen von 49,00 € und Betriebskostenvorauszahlungen von 161,00 € vereinbart waren, insgesamt also 798,04 €. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten, der insoweit ausnahmsweise ein substantiiertes Bestreiten obläge.
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Auch im Übrigen kann die Beklagte ihre Mietrückstände nicht mit Nichtwissen bestreiten, selbst wenn sie in der Wohnung nicht mehr lebt und sich um Entlassung aus dem Mietverhältnis vergeblich bemüht hat. Sie ist vielmehr für etwaige Zahlungen darlegungs- und beweisbelastet. Ungeachtet dessen ist die Klägerin für das Bestehen ihrer Ansprüche darlegungs- und beweisbelastet.
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Die Klägerin hat sich zunächst zwar damit begnügt, nachträgliche Erhöhungen der Miete undifferenziert nach Grundmiete, Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen pauschal zu behaupten, ohne zu den zugrundeliegenden Tatsachen vorzutragen. Auf den gerichtlichen Hinweis, dass es konkreten Tatsachenvortrags bedürfe, hat sie zunächst nicht reagiert. Erst auf erneuten Hinweis kurz vor dem Termin hat sie die Betriebskostenabrechnung 2021, die Modernisierungsmieterhöhung nebst vorheriger Ankündigung und das Schreiben, mit dem sie gesondert erhöhte Heizkostenvorauszahlungen verlangt hat, vorgelegt.
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Die Erhöhung der Vorauszahlungen nach § 560 Abs. 4 BGB auf Grundlage der Betriebskostenabrechnung des Jahres 2021 und die Modernisierungsmieterhöhung nach §§ 559 ff. BGB sind nicht zu beanstanden. Einwendungen hat die Beklagte auch nicht vorgebracht.
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Soweit die Klägerin mit Schreiben vom 21.11.2022 die Heizkostenvorauszahlungen erneut um 38,82 € erhöht hat, ist diese Erhöhung unwirksam. Sie kann insbesondere nicht auf § 560 Abs. 4 BGB gestützt werden, weil eine Anpassung der Betriebskostenvorauszahlung aufgrund der jeweiligen Abrechnung nur einmal erfolgen kann (allgM, stellv.: Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, 16. Aufl. 2024, BGB § 560 Rn. 55.) Dieses Recht hat die Klägerin mit der Anpassung im April 2022 bereits verbraucht. Soweit im Schrifttum teilweise ein Anpassungsrecht auf Grundlage eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB angenommen wird (Zehelein, NZM 2022, 593, 597 ff.; a. A.: Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, 16. Aufl. 2024, BGB § 560 Rn. 57a), kann dahinstehen, ob dem zu folgen ist. Jedenfalls im vorliegenden Fall scheitert ein solches Anpassungsrecht daran, dass die Klägerin ihr Gestaltungsrecht nach § 560 Abs. 4 BGB zu einem Zeitpunkt ausgeübt hat, zu dem infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine die Energie-Preise schon ganz erheblich gestiegen waren und im Übrigen in etwa gleich hoch waren wie bei der späteren Erklärung der Klägerin Ende November 2022 (vgl. Zehelein, a. a. O, 598 f.). Weiter hat die Klägerin nichts dazu vorgetragen, warum das Festhalten an den bisherigen Vorauszahlungen für sie unzumutbar gewesen wäre.
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Die noch geltend gemachten Mahnkosten kann die Klägerin schon deshalb nicht verlangen, weil die Beklagte die Mahnungen bestritten hat. Die Klägerin als beweisbelastete Partei hat insoweit Beweis nicht angeboten.
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Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 S. 2 BGB.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 269 Abs. 3 S. 2, 92 Abs. 1, 91a ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 u. S. 2, 709 S. 2 ZPO.
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Streitwert: bis 3.000,00 €
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R e c h t s b e h e l f s b e l e h r u n g :
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RechtsgebietMietrechtVorschriften§ 560 BGB