16.01.2024 · IWW-Abrufnummer 239182
Kammergericht Berlin: Beschluss vom 30.10.2023 – 8 U 212/21
Die Bank entgeht der Anwendung der §§ 305 ff BGB nicht dadurch, dass sie eine klare Regelung zum Bearbeitungsentgelt im Darlehensvertrag selber vermeidet, dort ein der Höhe nach nicht ausgewiesenes Bearbeitungsentgelt lediglich indirekt als Faktor zu Ermittlung des effektiven Jahreszinses anspricht, die Höhe des Entgelts sodann nur im beigefügten ESIS-Merkblatt ausweist und dem Kunden als "Auszahlungsvoraussetzung" die Unterzeichnung einer "Erklärung zur Individualabrede der Vertragsparteien" abverlangt, welche die vorformulierte Erklärung enthält, dass "die Vertragsbestandteile, insbesondere Zinsen und Bearbeitungsgebühren, ... frei verhandelt (wurden) und als Individualabrede Bestandteil des Darlehensvertrages (werden)".
Kammergericht Berlin
Beschluss vom 30.10.2023
Tenor:
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 29.10.2021, Aktenzeichen 38 O 286/20, wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
- Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Berlin ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts und aus diesem Beschluss durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
- Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 39.340,00 € festgesetzt.
Gründe
A.
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Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen das am 29.10.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin, mit dem sie zur Rückzahlung einer Bearbeitungsgebühr in Höhe von 39.340 € an die klagende Darlehensnehmerin verurteilt worden ist. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und erstinstanzlichen Anträge wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
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Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Berufung vor:
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Zu Unrecht habe das Landgericht schon eine - hinreichend klare und bestimmte - Einigung über die Zahlung eines Bearbeitungsentgelts verneint. Zwischen den Parteien haben offenkundig Klarheit über Höhe und Fälligkeit des Entgelts geherrscht. Dies werde bestätigt durch die Befolgung der Zahlungsaufforderung der Beklagten vom 11.09.2017 (B 3) und durch die in Ziffer 5 des Darlehensvertrags vorgesehene Berechnung des Bearbeitungsentgelts auf den Auszahlungszeitpunkt 30.11.2017. Hilfsweise ergäbe sich die Fälligkeit jedenfalls aus § 271 BGB.
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Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei das Bearbeitungsentgelt mit den Vertretern der Klägerin frei ausgehandelt worden. Die Beklagte habe in der Klageerwiderung vom 29.01.2021 die Dauer der Verhandlungen und "die Ergebnisoffenheit zu sämtlichen Konditionen des Vertrages, auch zum Bearbeitungsentgelt" vorgetragen. Das Landgericht habe den benannten Zeugen G hören müssen.
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Zudem sei eine Rückforderung entgegen dem Landgerichtsurteil nach § 814 BGB ausgeschlossen. Der für die Klägerin, einem Zusammenschluss von Gesellschaften im Immobilienbereich, tätige Herrn M habe eine weit überdurchschnittliche Expertise. Er sei Vollkaufmann und Geschäftsbesorger und habe sich seit Jahren mit dem Immobilienmarkt sowie den Finanzierungsmöglichkeiten in diesem Bereich befasst. Nach den Umständen sei davon auszugehen, dass er Kenntnis von der Rechtsprechung des BGH zur Unwirksamkeit von Bearbeitungsentgelten gehabt habe.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 29.10.2021 - 38 O 286/20 - abzuweisen,
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hilfsweise, das Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückzuverweisen.
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Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Insbesondere weist sie darauf hin, dass nach der von der Beklagten vorbereiteten Erklärung vom 06.09.2017 (K 3) die Verhandlung des Bearbeitungsentgelts im Gesprächstermin am 05.11.2016 erfolgt sein soll, während die Beklagte im Prozess ohne jede Substantiierung Verhandlungen vor der Gesellschafterversammlung vom 05.11.2016 behaupte.
B.
10
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 29.10.2021, Aktenzeichen 38 O 286/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
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I. Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf seinen Hinweisbeschluss vom 28.09.2023, der folgenden Inhalt hat, und auf den die Beklagte nicht Stellung genommen hat:
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"Zu Recht hat das Landgericht die Beklagte nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zur Rückzahlung des vereinnahmten Bearbeitungsentgelts verurteilt.
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1) Dahinstehen kann, ob dem Landgericht darin zu folgen ist, dass es bereits an einer Willensübereinstimmung durch Antrag und Annahme i.S. der §§ 145 ff BGB fehlt, weil nur das zur Information dem Vertrag beigefügte ESIS-Merkblatt die Angabe zur Höhe des Bearbeitungsentgelts ausweist und sich auch eine hinreichend klare Regelung zur Fälligkeit weder dem Vertrag noch auch nur dem Merkblatt entnehmen lasse.
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2) Jedenfalls ist eine Abrede über das Bearbeitungsentgelt nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
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a) Nach der mit den Urteilen vom 13.05.2014 begründeten Rechtsprechung des BGH enthalten AGB der Banken, die ein einmaliges Bearbeitungsentgelt für den Abschluss des Darlehensvertrags vorsehen, eine kontrollfähige Preisnebenabrede, die wegen Abwälzung des eigenen Aufwands der Bank auf den Kunden von wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechts abweicht und unwirksam ist (s. XI ZR 405/12, BGHZ 201, 168 = NJW 2014, 2420 Rn 26 ff, 66 ff; XI ZR 170/13, NJW-RR 2014, 1133; ferner BGHZ 215, 172 = NJW 2017, 2986 Rn 18, 22). Unerheblich ist, ob die Klausel einen Prozentsatz der Darlehenssumme ausweist oder im Vertrag ein Entgelt ausgewiesen ist, das anhand eines solchen Prozentsatzes berechnet ist (s. BGH NJW 2017, 2995 [BGH 04.07.2017 - XI ZR 233/16] Rn 20; NJW-RR 2014, 1133 [BGH 13.05.2014 - XI ZR 170/13] Rn 21).
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Auch die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass ein Bearbeitungsentgelt in AGB nicht wirksam vereinbart werden kann.
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b) Der vorliegende Darlehensvertrag vom 27.07.2017 enthält (in der Sache) eine unwirksame AGB-Klausel über ein Bearbeitungsentgelt in Höhe von 1 % des Darlehensbetrags. Zwar ist eine solche Klausel in den beigefügten "Allgemeinen Bedingungen für Kredite und Darlehen" aus gutem Grund nicht (mehr) enthalten. Dort wäre sie als offensichtlich unwirksame Klausel leicht zu identifizieren. Die Beklagte entgeht - zumal angesichts des Umgehungsverbots des § 306a BGB - der Anwendung der §§ 305 ff BGB jedoch nicht dadurch, dass sie eine klare Regelung zum Bearbeitungsentgelt im Darlehensvertrag selber vermeidet, dort ein der Höhe nach nicht ausgewiesenes Bearbeitungsentgelt lediglich indirekt als Faktor zur Ermittlung des effektiven Jahreszinses anspricht (s. Ziffer 5), die Höhe des Entgelts nur im beigefügten (s. Art. 247 § 1 Abs. 2 EGBGB) ESIS-Merkblatt der Höhe nach ausweist und dem Kunden als "Auszahlungsvoraussetzung" die Unterzeichnung einer "Erklärung zur Individualabrede der Vertragsbestandteile" abverlangt (Ziffer 3.2 mit 14), in der sodann die vorformulierte Erklärung enthalten ist, dass "die Vertragsbestandteile, insbesondere Zinsen und Bearbeitungsgebühren, .. frei verhandelt (wurden) und als Individualabrede Bestandteil des Darlehensvertrages (werden)".
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Es liegt trotz der Vermeidung einer klaren Regelung in der Darlehensurkunde und der Aufsplittung des Erklärungstatbestands, der sich erst aus der Zusammenschau mehrerer Umstände ergibt, eine AGB vor. Eine solche erfordert nach § 305 Abs. 1 S. 1 BGB eine Verwendungsabsicht für eine Vielzahl von Verträgen. Die Bedingungen in Darlehensverträgen mit Banken werden lebensnah und nach erstem Anschein von diesen in der Absicht mehrfacher Verwendung gestellt und stellen AGB dar (vgl. zum Beweis des ersten Anscheins BGHZ 118, 229 = NJW 1992, 2160 - juris Rn 31 f.; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 305 Rn 23). Die von der Beklagten vorformulierte Erklärung, dass die Vertragsbestandteile, insbesondere auch zum Bearbeitungsentgelt, frei verhandelte Individualabreden seien, deren Unterzeichnung durch den Kunden zudem im Darlehensformular unter Ziffer 14 als Auszahlungsvoraussetzung aufgeführt ist, ist nicht nur wegen des zwingenden Schutzes der §§ 305 ff BGB "bedeutungslos" (s. BGHZ 200, 326 = NJW 2014, 1725 Rn 27), sondern indiziert ihrerseits, dass es sich bei der vermeintlich bestätigten "Individualabrede" gerade um eine AGB handelt (s. BGHZ 157, 102 = NJW 2004, 502 - juris Rn 26). So hat die Beklagte den Vortrag in der Klageschrift, dass die Regelung zum Bearbeitungsentgelt eine AGB darstelle, auch nicht bestritten, sondern in der Klageerwiderung nur behauptet, dass ein Aushandeln vorliege.
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Das trifft jedoch nicht zu. Ein Aushandeln i.S. von § 305 Abs. 1 S. 3 BGB muss sich auf die konkrete in Frage stehende Klausel beziehen und setzt voraus, dass der Verwender seine Verhandlungsbereitschaft zu der streitigen Klausel deutlich und ernsthaft erklärt hat (BGH NJW 2019, 2080 Rn 15 f.; NJW 2017, 2995 [BGH 04.07.2017 - XI ZR 233/16] Rn 25: deutliche Verhandlungsbereitschaft muss auch zum Anfall der Bearbeitungsgebühr überhaupt erklärt werden, nicht nur zur Höhe). Ein Aushandeln einer Bearbeitungsgebühr wird danach in der Regel nicht naheliegen (s. Grüneberg/Grüneberg, a.a.O., § 305 Rn 20).
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Vorliegend hat die Beklagte ein Aushandeln des Bearbeitungsentgelts nicht schlüssig dargetan.
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Nachdem in der vorbereiteten Erklärung Anlage K 3 das Verhandeln "im Gesprächstermin vom 05.11.2016" (gemeint offenbar: die Gesellschafterversammlung) angegeben wird, hat die Beklagte in der Klageerwiderung und im Schriftsatz vom 15.09.2021 gerade erklärt, dass nicht am 05.11.2016, sondern "im Vorfeld" Verhandlungen zu den Konditionen geführt worden seien.
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Dem Vortrag der Beklagten ist jedoch nicht zu entnehmen, wann zwischen wem welche Verhandlungen mit welchem Inhalt geführt worden sein sollen. Auch dem Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 07.11.2015 ist keine Erklärung des Hr. M zu entnehmen, dass mit der Beklagten (gerade) über die Frage des Bearbeitungsentgelts verhandelt worden sei oder noch werde. Die Vernehmung des Zeugen G, der nach dem Schriftsatz vom 15.09.2021 dafür benannt ist, dass die Konditionen des Darlehens der Klägerin schon vor dem 05.11.2016 "als verhandelbar bekannt" gewesen seien, würde eine unzulässige Ausforschung darstellen.
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3) Die Rückforderung ist nicht nach § 814 BGB ausgeschlossen. Zur Kenntnis der Nichtschuld genügt es nicht, wenn dem Leistenden die Tatsachen bekannt sind, aus denen sich das Fehlen der rechtlichen Verpflichtung ergibt. Er muss vielmehr aus diesen Tatsachen nach der maßgeblichen Parallelwertung in der Laiensphäre auch die im Ergebnis zutreffende rechtliche Schlussfolgerung gezogen haben, und damit im Zeitpunkt der Leistung positive Kenntnis der Rechtslage gehabt haben (s. etwa BGH NJW-RR 2014, 1133 [BGH 13.05.2014 - XI ZR 170/13] Rn 109; Grüneberg/Sprau, a.a.O., § 814 Rn 4). Selbst wenn der für die Klägerin handelnde Herr M die BGH-Rechtsprechung vom 13.05.2014 gekannt haben sollte, folgte daraus hier keine positive Kenntnis von der Nichtschuld.
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Denn die Vertragsgestaltung der Beklagten und insbesondere die verlangte Unterzeichnung der Bestätigung, eine Individualabrede getroffen zu haben, verschleierten das Vorliegen einer AGB und konnten auch bei einem branchen- und geschäftserfahrenen Kunden den Irrtum begründen, aufgrund der gesonderten Unterzeichnung der "Erklärung zur Individualabrede der Vertragsbestandteile" zur Leistung verpflichtet zu sein." II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.
RechtsgebietBankrechtVorschriften§ 305 BGB