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  • 25.04.2022 · IWW-Abrufnummer 228813

    Oberlandesgericht Köln: Beschluss vom 08.03.2022 – 6 W 10/22



    Tenor:

    Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Köln vom 08.02.2022 (Az. 31 O 14/22) in Gestalt der Nichtabhilfeentscheidung vom 18.02.2022 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
     
    1

    Gründe:
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    I.
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    Die Parteien streiten im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens über die Frage, ob die Antragsgegnerin es zu unterlassen hat, Kunden, die Energie über die Grund- oder Ersatzversorgung beziehen, unterschiedliche Preise anzubieten, wenn die Kunden vor oder nach einem bestimmten Stichtag mit dem Bezug begonnen haben.
    4

    Die Antragstellerin ist die Verbraucherzentrale O. e.V. und widmet sich nach ihrer Satzung der Durchsetzung von Verbraucherinteressen. Sie ist in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen.
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    Die Antragsgegnerin ist ein Energieversorgungsunternehmen und Grund- und Ersatzversorger im Sinne des EnWG im Bereich der leitungsgebundenen Versorgung mit Strom und Gas unter anderem in L..
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    Die Antragsgegnerin unterscheidet in der Preisgestaltung bei der Grund- und Ersatzversorgung zwischen Kunden, die bereits längere Zeit ihre Energie über den Grund- oder Ersatzversorgungstarif beziehen und Neukunden. Kunden, deren Vertrag vor dem 16.12.2021 begonnen hat (im Folgenden: Altkunden), zahlen ein geringeres Entgelt, als Kunden, deren Vertrag am 16.12.2021 oder später (im Folgenden: Neukunden) begonnen hat. Die Tarife der Grund- und Ersatzversorgung sind im Übrigen identisch.
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    Während der Tarif für einen Altkunden bei der Belieferung mit Strom beispielsweise in den Gemeinden S. und X. vorsieht, dass diese 30,76 ct pro Kilowattstunde brutto und einen Grundpreis von 109,39 € pro Zähler und Jahr brutto entrichten müssen, sieht der Tarif für Neukunden in diesem Gebiet einen Arbeitspreis von 72,80 ct pro Kilowattstunde und einen Grundpreis von 145,89 € vor. Ähnliche Preisunterschiede enthalten die Tarife für andere Versorgungsgebiete und auch im Bereich der Versorgung mit Gas. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage 1 zum Verfügungsantrag Bezug genommen.
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    Die Antragstellerin hat die Antragsgegnerin erfolglos abgemahnt.
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    Die Antragstellerin hat behauptet, sie habe erstmals am 30.12.2021 von der unterschiedlichen Preisgestaltung bei Alt- und Neukunden Kenntnis erlangt. Sie ist der Ansicht gewesen, die Preisgestaltung mit einer Unterscheidung zwischen Alt- und Neukunden sei rechtswidrig. § 36 Abs. 1 S. 1 EnWG sei eine verbraucherschützende Norm im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 UKlaG. Die Preisunterschiede für Alt- und Neukunden stellten einen Verstoß gegen § 36 Abs. 1 S. 1 EnWG dar, weil eine solche Aufspaltung unzulässig sei. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut, dem Regelungszweck und der richtlinienkonformen Auslegung der Norm.
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    Der Verfügungsanspruch ergebe sich auch aus §§ 3a, 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1 S. 1 UWG.
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    Die Antragstellerin hat beantragt,
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    die Antragsgegnerin zu verpflichten, bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, Ordnungshaft zu vollstrecken an den Mitgliedern des Vorstands, es im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern im Zusammenhang mit Strom- und/oder Gaslieferverträgen in der Grund- und/oder Ersatzversorgung künftig zu unterlassen, Haushaltskunden im Sinne des § 3 Nr. 22 EnWG zu unterschiedlichen Preisen zu beliefern, wenn für die Unterscheidung allein das Datum des Vertragsschlusses wesentlich ist.
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    Die Antragsgegnerin hat beantragt,
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                  den Antrag zurückzuweisen.
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    Die Antragsgegnerin ist der Ansicht gewesen, dass der Antragstellerin die angegriffene Preisgestaltung bereits erheblich vor dem 30.12.2022 bekannt gewesen sei, sodass bereits kein Verfügungsgrund vorliege. Dies hat die Antragsgegnerin im Einzelnen dargelegt.
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    Jedenfalls sei die Preisdifferenzierung nach dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses zulässig. Die Differenzierung sei erfolgt, weil zahlreiche Kunden aufgrund von Kündigungen oder Insolvenzen dritter Energielieferanten die Grund- oder Ersatzversorgung in Anspruch nähmen. Daher sei der Energiebedarf der Grundversorger sprunghaft angestiegen, sodass die zusätzlich benötigte Energie kurzfristig am Markt zu erheblich höheren Preisen beschafft werden müsse. Diese Differenzierung werde ‒ unstreitig ‒ stufenweise wieder abgebaut.
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    Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom 08.02.2022 zurückgewiesen. Ob ein Verfügungsgrund bestehe, könne offenbleiben, weil kein Verfügungsanspruch bestehe. Zwar sei die Antragstellerin anspruchsberechtigt im Sinne des UKlaG. Ein Verstoß gegen § 36 Abs. 1 S. 1, § 38 Abs. 1 EnWG liege indes nicht vor. Dies hat das Landgericht im Einzelnen begründet. Auf die Entscheidung des Landgerichts wird ergänzend Bezug genommen.
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    Gegen diesen, der Antragstellerin am 10.02.2022 zugestellten, Beschluss hat die Antragsgegnerin am 17.02.2022 sofortige Beschwerde eingelegt und ihre Rechtsansicht unter Wiederholung und Vertiefung erneut dargestellt. Der sofortigen Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 18.02.2022 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
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    II.
    20

    Die nach § 567 Abs. 1 Nr. 2, § 569 ZPO zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortigeBeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss vom 08.02.2022, mit dem das Landgericht Köln ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen hat, hat in der Sache keinen Erfolg. Auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen.
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    1. Der Senat lässt ‒ wie das Landgericht ‒ offen, ob ein Verfügungsgrund anzunehmen ist, weil ein Verfügungsanspruch nicht besteht.
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    2. Ein Anspruch aus § 2 Abs. 1 S. 1, § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1, 2 UKlaG in Verbindung mit § 36 Abs. 1 S. 1, § 38 Abs. 1 EnWG auf Unterlassung der Preisdifferenzierung bei Alt- und Neukunden besteht nicht.
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    a) Die Antragstellerin ist berechtigt, Ansprüche aus § 2 Abs. 1 S. 1 UKlaG geltend zu machen, weil sie gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen ist.
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    b) Bei der Vorschrift des § 36 Abs. 1 S. 1 EnWG handelt es sich um eine verbraucherschützende Vorschrift im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 UKlaG.
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    Unter Vorschriften in Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 UKlaG sind alle in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Rechtsnormen zu verstehen. Sie müssen nach ihrem Regelungszweck (auch) dazu dienen, Personen in ihrer Eigenschaft als Verbraucher zu schützen (vgl. BGH, Urteil vom 06.06.2018 ‒ VIII ZR 247/17. GRUR-RR 2018, 454 ‒ Strompreise, mwN).
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    Durch § 36 Abs. 1 S. 1 EnWG soll zugunsten des Verbrauchers sichergestellt werden, dass die Grundversorgung der Haushalte mit Energie erfolgt, sodass für jeden Verbraucher die Belieferung mit Strom und Gas gesichert ist, weil die Vorschrift einen Kontrahierungszwang für den Grundversorger enthält (vgl. Hellermann in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 3. Aufl., § 36 Rn. 1). Der Zweck des Gesetzes ist die Versorgungssicherheit für Verbraucher zu gewährleisten und dabei auch sicherzustellen, dass diese Belieferung zu den allgemeinen Bedingungen erfolgt (vgl. Hellermann in Britz/Hellermann/Hermes aaO, § 36 Rn. 2). Insgesamt dient die Vorschrift der Daseinsvorsorge (vgl. Hellermann in Britz/Hellermann/Hermes aaO, § 36 Rn. 3) und damit auch dem Schutz der Verbraucher (vgl. Hellermann in Britz/Hellermann/Hermes aaO, § 36 Rn. 25).
    27

    c) Ein Verstoß gegen § 36 Abs. 1 S. 1 EnWG liegt indes nicht vor.
    28

    Nach § 36 Abs. 1 S. 1 EnWG haben Energieversorgungsunternehmen für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen.
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    aa) Die Antragsgegnerin ist ein Energieversorgungsunternehmen, das die Grundversorgung von Haushaltskunden in bestimmten Gebieten u.a. in L. vornimmt.
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    bb) Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise öffentlich bekannt zu geben und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu beliefern.
    31

    cc) Gegen die vorgenannte Verpflichtung hat die Antragsgegnerin nicht verstoßen, indem sie unterschiedliche Preise für Alt- und Neukunden anbietet.
    32

    Der Wortlaut des § 36 Abs. 1 S. 1 EnWG begründet keine Verpflichtung zur Belieferung sämtlicher Kunden zu gleichen Preisen, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat.
    33

    Die Vorschrift geht von „Allgemeinen Preisen“ aus. Ein allgemeiner Preis in diesem Sinn kann bereits nach dem Wortlaut dahin verstanden werden, dass eine Preisgestaltung für einzelne Kunden nicht erfolgen darf, sondern die Preise für sämtliche Kunden nach den gleichen Grundsätzen bestimmt werden. So hat der BGH zu § 10 Abs. 1 EnWG 1998 und § 36 Abs. 1 EnWG bereits entschieden, dass eine Differenzierung der Preise nach Abgabemengen im Rahmen einer Bestpreisabrechnung zulässig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 13.04.2021 ‒ VIII ZR 277/19, ZNER 2021, 385, mwN). Hieraus wird deutlich, dass mit der Formulierung „Allgemeiner Preis“ nicht ein einheitlicher Preis für sämtliche Verbraucher gemeint ist. Damit kann jeder Haushaltskunde zu den allgemeinen Preisen eine Lieferung verlangen.
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    Der Grundsatz der Preisgleichheit, den § 36 Abs. 1 EnWG normiert, weil aufgrund der Versorgungspflicht das Wettbewerbsprinzip nicht greift (vgl. BGH, Urteil vom 07.03.2017 ‒ EnZR 56/15, RdE 2018, 27), führt vor diesem Hintergrund zu keiner anderen Bewertung.
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    Der Sinn und Zweck der Regelung bestätigt das vorliegende Ergebnis. Wie dargelegt soll § 36 Abs. 1 S. 1 EnWG sicherstellen, dass für jeden Verbraucher im Rahmen der Daseinsvorsorge die Belieferung mit Strom und Gas gesichert ist, diese Belieferung zu den allgemeinen Bedingungen erfolgt (vgl. Ziffer II 2 b) und das Wettbewerbsprinzip nicht greift.
    36

    Wie dargelegt liegt eine Belieferung zu Allgemeinen Preisen indes bereits dann vor, wenn ein Aushandeln der Preise mit dem einzelnen Kunden nicht erfolgt, sondern diese für jeden Kunden festgelegt sind. So liegt der Fall hier.
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    Für die entsprechende Auslegung spricht, dass in der Vorschrift des § 39 EnWG die Möglichkeit der Regelung der Bedingungen und Preise für den Fall normiert ist, dass unangemessene Preise die Kunden im  Rahmen der Grund- und Ersatzversorgung unangemessen benachteiligen (vgl. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Neuregelung der Energiewirtschaft, BT-Drucks. 15/3917, S. 66; Hellermann in Britz/Hellermann/Hermes aaO, § 39 Rn. 2). Insgesamt ist eine Differenzierung im Grundsatz möglich, solange die Preise nicht unangemessen sind.
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    Entscheidend ist damit, ob die Antragsgegnerin die Lieferung der Energie zu den Allgemeinen Preisen, die veröffentlicht wurden, oder im Rahmen der Vertragsfreiheit anbietet (vgl. BGH, Urteil vom 15.07.2009 ‒ VIII ZR 225/07, NJW 2009, 2662).
    39

    Weiter hat das Landgericht mit Recht berücksichtigt, dass der Kontrahierungszwang im Rahmen der Grundversorgung einen erheblichen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 GG) sowie ggf. die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) darstellt (vgl. Heinlein/Weitenberg in Theobald/Kühling, Energierecht, Stand: 112. EL, Juni 2021, § 36 Rn. 11, 72). Allerdings findet der Kontrahierungszwang seine Grenze in § 36 Abs. 1 S. 3 EnWG, wenn die Versorgung dem Energieversorgungsunternehmen nicht mehr zumutbar ist. Durch diese Einschränkung wird die Verfassungsmäßigkeit der Grundversorgung sichergestellt (vgl. Heinlein/Weitenberg in Theobald/Kühling, Energierecht aaO, § 36 Rn. 72). Selbst wenn diese Vorschrift vorliegend nicht anwendbar ist, wird hierdurch deutlich, dass die Einschränkungen der Freiheiten des Grundversorgers begrenzt sind. Da der Grundversorger die höheren Preise allein durch eine Preiserhöhung für sämtliche Kunden, die im Rahmen der Grundversorgung mit Energie beliefert werden, kompensieren könnte, führte die von der Antragstellerin dargestellte Auslegung zu einer unverhältnismäßigen Einschränkung der Entscheidungsfreiheit der Antragsgegnerin.
    40

    Soweit nach § 38 Abs. 1 S. 3 EnWG die Tarife für die Ersatzversorgung für Haushaltskunden die Tarife für die Grundversorgung nicht übersteigen dürfen, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Tarife sind jeweils für die Kunden der Grund- und Ersatzversorgung vollständig identisch. Allein die Tatsache, dass Kunden, die nach einem bestimmten Zeitpunkt die Ersatzversorgung in Anspruch nehmen, mehr für die Versorgung zahlen müssen, als Kunden, die vor diesem Zeitpunkt begonnen haben, die Grundversorgung in Anspruch zu nehmen, stellt keinen Verstoß dar, weil lediglich auf die Tarife als Ganzes abzustellen ist. Es kommt hinzu, dass ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 38 Abs. 1 S. 3 EnWG allenfalls dazu führen könnte, dass die Preise der Ersatzversorgung als unzulässig anzusehen wären, was den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung nicht rechtfertigen kann.
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    § 36 EnWG diente der Umsetzung von Art. 3 Abs. 3 S. 1 und 2 der Elektrizitätsrichtlinie und Art. 3 Abs. 1 S. bis 3 der Gasrichtlinie (vgl. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Neuregelung der Energiewirtschaft, BT-Drucks. 15/3917, S. 66) in ihrer damaligen Fassung. Daher hat eine richtlinienkonforme Auslegung zu erfolgen.
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    Eine richtlinienkonforme Auslegung der Vorschrift des § 36 Abs. 1 EnWG führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar sieht Art. 3 Abs. 3 der RL 2009/72/EG, die zwischenzeitlich außer Kraft getreten ist, ebenso wie Art. 27 RL 2019/944/EU, die die vorgenannte Richtlinie ersetzt hat, vor, dass die Grundversorgung diskriminierungsfrei zu erfolgen hat, sodass diese Vorgabe auch im Rahmen der Auslegung des § 36 Abs. 1 EnWG zu berücksichtigen ist. Eine Diskriminierung durch unterschiedliche Preise bei Alt- und Neukunden findet indes nicht statt. Eine solche ist nur dann anzunehmen, wenn die unterschiedlichen Tarife unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls darauf gerichtet sind, die Neukunden ohne sachlich gerechtfertigten Grund zu benachteiligen.
    43

    Dies ist nicht der Fall. Vielmehr sind die Neukunden verpflichtet, die Preise zu zahlen, die zum Zeitpunkt des Beginns der Grundversorgung angemessen sind. Insoweit ist allgemeinbekannt, dass die Preise auf dem Energiemarkt erheblich gestiegen sind. Ebenfalls allgemeinbekannt und auch von der Antragsgegnerin glaubhaft gemacht ist, dass die Einkaufspreise eines Energieversorgers sich maßgeblich unterscheiden und erheblich niedriger sind, wenn er die geschätzte Verbrauchsmenge im Voraus und damit langfristig bestellen kann. Der Wechsel von zahlreichen Haushaltskunden in den Grundversorgertarif, den die Antragsgegnerin mit eidesstattlicher Versicherung des Zeugen W. glaubhaft gemacht hat, führt daher dazu, dass die Antragsgegnerin den Strom zu erheblich höheren Preisen beziehen muss.
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    Vor diesem Hintergrund erfolgt weder eine Bestrafung von unerwünschtem Wettbewerb, noch eine Gefährdung des hohen Verbraucherschutzniveaus.
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    Zwar werden die Kunden benachteiligt, die zu einem späteren Zeitpunkt die Grundversorgung in Anspruch nehmen. Die Benachteiligung erfolgt aber aus einem sachlichen Grund. Alternativ müssten die Kunden, die bereits (ggf. aus wirtschaftlicher Not) die Grundversorgung in Anspruch nehmen, erhöhte Preise bezahlen. Vor diesem Hintergrund führt die ‒ sachlich gerechtfertigte ‒ Ungleichbehandlung auch nicht zu einer Gefährdung des hohen Verbraucherschutzniveaus, das durch die europarechtlichen Regelungen und § 36 EnWG erreicht werden soll.
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    Aus der Unterscheidung, die der Erwägungsgrund 58 der RL (EU) 2019/944 hinsichtlich Haushaltskunden und kleinen Unternehmen zulässt, wie die Antragstellerin anführt, ergibt sich wiederum, dass eine Diskriminierung nicht zulässig ist. Eine solche liegt ‒ wie dargelegt ‒ jedoch nicht vor.
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    Nach den vorstehenden Erwägungen folgt aus der RL 2009/73/EG nichts anderes. Auch die Erdgasbinnenmarkts-Richtlinie will die Versorgung zu angemessenen Preisen sicherstellen.
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    Soweit die Antragstellerin darauf abstellt, dass die Preisanpassung nach § 5 Abs. 2 GasGVV bzw. § 5 Abs. 2 StromGVV erfolgen müsse und diese Regelungen abschließend seien, sodass die erhöhten Einkaufspreise der Antragsgegnerin entsprechend kompensiert werden müssten, führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Vielmehr regeln die vorgenannten Vorschriften allein die Umsetzung einer Preisänderung. Es ist indes nicht ersichtlich, dass hierdurch die Möglichkeiten der Tarifgestaltung der Energieversorger eingeschränkt werden sollten.
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    Aus dem Urteil des Landgerichts Mannheim (22 O 3/22 Kart, Bl. 28 d.A.) ergibt sich nichts anderes. Dort hat das Landgericht für den dort vorgetragenen Sachverhalt angenommen, dass die Preisgestaltung im Einzelfall missbräuchlich war, weil die dortige Antragsgegnerin einen sachlichen Grund nicht glaubhaft gemacht habe. Hierbei hat das Landgericht Mannheim auf die konkret angegriffenen Tarife abgestellt. So liegt der Fall hier indes nicht, weil Gegenstand des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung allein die grundsätzliche Unterscheidung der Preise für Alt- und Neukunden ist. Vor diesem Hintergrund scheidet auch ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch die Antragsgegnerin aus, die vorliegend zudem nicht geltend gemacht wird.
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    Die vorstehenden Ausführungen gelten insgesamt für § 38 EnWG entsprechend, sodass die Frage, ob auch die Ersatzversorgung von den Richtlinien erfasst ist oder es sich um eine unabhängige Sonderregelung handelt (vgl. Heinlein/Weitenberg in Theobald/Kühling, Energierecht aaO, § 36 Rn. 4), nicht erheblich ist.
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    3. Nach den vorstehenden Erwägungen ergibt sich ein Anspruch auch nicht aus §§ 3, 3a, 8 Abs. 1, 3 UWG in Verbindung mit § 36 Abs. 1 S. 1, § 38 Abs. 1 EnWG, weil ein Verstoß gegen die vorgenannten Vorschriften nicht vorliegt.
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    4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
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    5. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.000 € festgesetzt.

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