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  • 04.01.2022 · IWW-Abrufnummer 226705

    Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Urteil vom 29.09.2021 – 9 U 100/20

    1.

    Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV berechtigen Einwände, die der Kunde gegen Rechnungen des Grundversorgers erhebt, ihn nur dann zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung, wenn die "ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers" besteht. Daneben eröffnet § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StromGVV dem Kunden die Möglichkeit eines Zahlungsaufschubs, wenn der in einer Rechnung angegebene Verbrauch ohne ersichtlichen Grund mehr als doppelt so hoch ist wie der vergleichbare Verbrauch im vorherigen Abrechnungszeitraum.
    2.

    Aufgrund des beachtlichen Bestreitens des Beklagten oblag es der Klägerin - wie im Bestreitensfall grundsätzlich jedem Verkäufer, der nach § 433 Abs. 2 BGB den vereinbarten Kaufpreis geltend macht - die tatsächlichen Grundlagen der von ihr beanspruchten Forderung - hier: die Richtigkeit der in ihrer Rechnung zugrunde gelegten Verbrauchsmenge - zu beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 07. Februar 2018 - VIII ZR 148/17, juris Rn. 13).
    3.

    Der Beweis ist nicht durch die Berufung der Klägerin auf den Prüfschein der staatlich anerkannten Prüfstelle für Messgeräte für Elektrizität EHB 11 bei der w.-GmbH (Anlage K1) erbracht, die Messungen des geeichten Zählers und die Prüfung des Gerätes durchgeführt hat. Denn, wie sich aus der Systematik der StromGVV ergibt, begründet die Nachprüfung der Messeinrichtung in Fällen der Unplausibilität nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StromGVV gerade keinen Anscheinsbeweis zugunsten des Stromanbieters; vielmehr trägt dieser, sollte die von dem geeichten Messgerät ermittelte Verbrauchsmenge unplausibel sein, im Rückforderungsprozess des Kunden die volle Darlegungs- und Beweislast für den von ihm behaupteten Verbrauch (OLG Brandenburg, Urteil vom 29. Oktober 2019 - 6 U 151/18, juris Rn. 12).
    4.

    Durch den in § 17 Abs. 1 Satz 2 StromGVV vorgesehenen Einwendungsausschluss wird lediglich die Beweisaufnahme über die Einwendungen in den Rückforderungsprozess des Kunden verlagert. Die Darlegungs- und Beweislast des Versorgungsunternehmens für die Richtigkeit seiner Abrechnung, insbesondere für den tatsächlichen Verbrauch der berechneten Strommenge, ändert sich hingegen dadurch nicht (BGH, Urteil vom 07. Februar 2018 - VIII ZR 148/17, juris Rn. 19).


    Berechtigung eines Stromkunden zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung gem. § 17 StromGVV
    Tenor:

    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Kiel vom 28. Juli 2020, Az. 10 O 155/19, wird zurückgewiesen.

    Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

    Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch den Beklagten mittels Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
    Gründe

    I.

    Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Vergütung für Stromlieferungen. Die Klägerin ist die örtliche Stromversorgerin in X.. Der Beklagte ist Eigentümer eines Lagergebäudes in X. mit einer Lagerfläche von ca. 69 m2. Die Klägerin belieferte den Beklagten unter der Verbrauchsstelle ... mit Strom im Rahmen der Grundversorgung.

    Für das Kalenderjahr 2018 rechnete die Klägerin auf der Grundlage eines Zählerstandes von 51.397 am 31.12.2018 einen Verbrauch von 122 kWh ab.

    Am 8. Juli 2019 tauschte die Klägerin den Zähler aus mit einem Zählerstand von 16.291,7. Die Klägerin berechnete dem Beklagten daraufhin für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 7. Juli 2019 einen Stromverbrauch von 64.895 kWh auf der Grundlage einer Zählerdifferenz von 64.894,7. Die Rechnung vom 26. Juli 2019 endete mit einem Nachzahlungsbetrag zulasten des Klägers in Höhe von 20.950,61 €. Die Nachprüfung des ausgebauten Zählers durch eine staatlich anerkannte Messstelle ergab keine Auffälligkeiten. Ausweislich des Prüfscheins weist der Zähler das Baujahr 1979 aus. Für den Zeitraum vom 8. Juli 2019 bis 30. Dezember 2019 rechnete die Klägerin einen Verbrauch von 847 kWh ab.

    Die Klägerin hat behauptet, sie habe den Zähler zuletzt am 18. November 2010 mit einem Stand von 35.051 abgelesen. Der Beklagte habe die Zählerstände in der Folgezeit bewusst falsch mitgeteilt, um Nachzahlungen zu vermeiden. Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr der geltend gemachte Vergütungsanspruch zustehe und zudem der Beklagte ihr deliktisch zum Schadensersatz verpflichtet sei, weil er sich durch die Angabe falscher Zählerstände des Betruges schuldig gemacht habe.

    Die Klägerin hat beantragt,

        1.

        den Beklagten zu verurteilen, an sie 20.950, 61 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.08.2019 zu zahlen,
        2.

        festzustellen, dass es sich bei der Klageforderung um eine deliktische Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung handelt.

    Der Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte hat bestritten, die in Rechnung gestellte Strommenge von 64.895 kWh im Zeitraum 1. Januar bis 7. Juli 2019 verbraucht zu haben.

    Das Landgericht Kiel hat die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf restliche Vergütung bestehe nicht, weil die Klägerin nicht bewiesen habe, dass der Beklagte die für den Zeitraum 1. Januar bis 7. Juli 2019 in Rechnung gestellte Strommenge tatsächlich verbraucht habe. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV sei der Beklagte berechtigt, die Vergütungszahlung zu verweigern. Der dem Beklagten in Rechnung gestellte Verbrauch liege mehr als siebenmal höher als der Verbrauch des nachfolgenden Zeitraums 8. Juli 2019 bis 31. Dezember 2019. Zudem übersteige die Nachforderung von mehr als 20.000 € deutlich die Grenze, ab der ein durchschnittlicher Privathaushalt in Schwierigkeiten gerate. Auch soweit die Klägerin geltend mache, dass der abgerechnete Stromverbrauch bereits seit 2010 angefallen sei, ließe dies die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers nicht entfallen. Es stehe nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, welchen Stand der Zähler bei Auszug der Mieterin A. am 31. März 2006 und im Zeitpunkt der Übernahme der Verbrauchsstelle durch den Beklagten von Frau B. hatte. Zu den weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

    Gegen das am 30. Juli 2020 zugestellte Urteil hat die Klägerin fristgerecht am 24. August 2020 Berufung eingelegt sowie am 30. September 2020 die Berufung begründet. Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin im Wesentlichen Folgendes vor:

    1. Ein offensichtlicher Fehler der Abrechnung gemäß § 17 Abs. 1 Ziffer 1 StromGVV sei vorliegend nicht anzunehmen. Der Anfangszählerstand zum 1. Januar 2019 von 51.397 und der Endzählerstand am 8. Juli 2019 von 16.291,7 seien korrekt. Der Beklagte habe weder den Zählerstand am 31.12.2018 von 51.397 noch den Zählerstand am 8. Juli 2019 von 16.291,70 bestritten. Den Zählerstand zum 31. Dezember 2018 habe der Beklagte selbst mitgeteilt. Tatsächliche Zweifel an dem als Anfangsbestand zum 1. Januar 2019 zugrunde gelegten Zählerstand von 51.397 müsse der Beklagte beweisen. Ein solcher Beweis sei von ihm nicht angeboten worden.

    2. Wenn nicht von einem Anfangszählerstand zum 1. Januar 2019 von 51.397 auszugehen sei, bestehe die Möglichkeit, dass der Beklagte bewusst falsche Zählerdaten in den Abrechnungsjahren vor dem 1. Januar 2019 angegeben habe, um eine falsche Abrechnung und damit einen Vermögensschaden auf Seiten der Klägerin hervorzurufen. In diesem Falle stehe der Klägerin ein Schadensersatzanspruch in gleicher Höhe wie der geltend gemachte Vergütungsanspruch zu. Es könne nicht zulasten der Klägerin gehen, dass der Beklagte über mehrere Jahre falsche Zählerstände angebe und nunmehr die Klägerin die Aufgabe hätte, die festgestellte Zählermenge auf die jeweiligen Jahre ordnungsgemäß zu verteilen. Dies sei insbesondere in diesem konkreten Fall nicht möglich, da die Bewohner und Nutzer sowie deren Verbrauch sich über die Jahre geändert hätte.

    Die Klägerin beantragt,

        1.

        das am 28. Juli 2020 verkündete Urteil des Landgerichts Kiel - 10 O 155/19 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 20.950,61 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. August 2019 zu zahlen;
        2.

        hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Kiel zurückzuweisen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Zu seinem Verteidigungsvorbringen wird auf den Schriftsatz vom 27. November 2020 verwiesen.

    Dem Senat lag der nicht nachgelassene Schriftsatz des Klägervertreters vom 28. September 2021 vor. Dieser bot keinen Anlass für die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung

    II.

    Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

    Zu Recht hat das Landgericht Kiel den geltend gemachten Anspruch der Klägerin auf Zahlung (restlicher) Vergütung für gelieferten Strom (§ 433 Abs. 2 BGB) in Höhe von 20.950,61 € abgewiesen. Der Anspruch ist auch nicht als Schadensersatzanspruch begründet.

    1. Die Klägerin hat den tatsächlichen Verbrauch der berechneten Strommenge durch den Beklagten für den Zeitraum 1. Januar 2019 bis 7. Juli 2019 dargelegt, jedoch nicht bewiesen. Dabei ist nach dem Hauptvorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren zwischen den Parteien unstreitig, dass der Stand des Abnahmezählers an der Verbrauchsstelle am 31. Dezember 2018 51.397 und am 8. Juli 2019 bei Ausbau des Zählers 16.291,70 betrug. Aus den unstreitigen Zählerständen und der Prüfung des Zählers ergibt sich jedoch nicht zwingend, dass aus der Differenz der Zählerstände von 51.397 und (1)16.291,7 über 64.894,7 auf eine entsprechende Stromentnahmemenge des Beklagten im Zeitraum 1. Januar 2019 bis 7. Juli 2019 geschlossen werden kann.

    Soweit der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt hat, die in Rechnung gestellte Strommenge sei in den Jahren zuvor durch den Beklagten verbraucht worden und lediglich zum 7. Juli 2019 abgerechnet worden, substantiiert dies nicht, wann der Beklagte welchen Stromverbrauch zu welchem Zeitpunkt getätigt hätte, der in Folge zum 7. Juli 2019 hätte abgerechnet werden können.

    2. Der Beklagte hat gegen den abgerechneten Verbrauch für den Zeitraum 1. Januar 2019 bis 7. Juli 2019 eingewandt, die mit der Nachforderung abgerechnete Menge nicht verbraucht zu haben. Mit seinem diesbezüglichen Einwand ist er im vorliegenden Zahlungsprozess nicht ausgeschlossen, denn insoweit bestand die "ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers" der Abrechnung im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz (Stromgrundversorgungsverordnung - StromGVV).

    Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV berechtigen Einwände, die der Kunde gegen Rechnungen des Grundversorgers erhebt, ihn nur dann zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung, wenn die "ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers" besteht. Daneben eröffnet § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StromGVV dem Kunden die Möglichkeit eines Zahlungsaufschubs, wenn der in einer Rechnung angegebene Verbrauch ohne ersichtlichen Grund mehr als doppelt so hoch ist wie der vergleichbare Verbrauch im vorherigen Abrechnungszeitraum. Allerdings gilt dies nur unter der Voraussetzung, dass der Kunde eine Nachprüfung der Messeinrichtung verlangt und nur, solange nicht durch die Nachprüfung die ordnungsgemäße Funktion der Messeinrichtung festgestellt ist. Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall unstreitig nicht vor. Bei der Regelung zu Nr. 2 handelt es jedoch nicht um eine abschließende Sonderregelung für sämtliche Fälle ungewöhnlicher Verbrauchssteigerungen. In § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 StromGVV werden die beiden dort aufgeführten Möglichkeiten eines Zahlungsaufschubs oder einer Zahlungsverweigerung durch ein "oder" verbunden und somit als nebeneinander bestehende Möglichkeiten angesehen (BGH, Urteil vom 07. Februar 2018 - VIII ZR 148/17, juris Rn. 27).

    Zutreffend hat das Landgericht die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers angenommen. Ob die von einem Kunden erhobenen Einwendungen gegen eine Stromrechnung die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers aufzeigen und dem Kunden deshalb eine Zahlungsverweigerung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV erlauben, ist unter Würdigung aller konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (BGH, Urteil vom 07. Februar 2018 - VIII ZR 148/17, juris Rn. 23).

    Die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers ergibt sich bereits aus dem Vergleich mit den Verbrauchswerten des Vorjahreszeitraums 2018 und des nachfolgend abgerechneten Zeitraums vom 8. Juli 2019 bis zum 31. Dezember 2019. Insoweit schließt sich der Senat vollumfänglich den Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil an. Im Vorjahreszeitraum 2018 hat der Beklagte ausweislich der Abrechnung an 365 Tagen 122 kWh verbraucht, umgerechnet 0,33 kWh pro Tag. Im nachfolgenden Abrechnungszeitraum 8. Juli 2019 bis 31. Dezember 2019 hat der Beklagte an 177 Tagen 847 kWh verbraucht, umgerechnet 2,32 kWh pro Tag. Im streitigen Zeitraum 1. Januar bis 7. Juli 2019 soll er an 188 Tagen 64.895 kWh verbraucht haben. Dies entspricht umgerechnet 177,79 kWh pro Tag. Dies bedeutet im Vergleich 539 Mal des Verbrauchs der Vorperiode und 77 Mal des Verbrauchs der Nachperiode. Damit liegen ausreichend objektive Anhaltspunkte vor, die den Schluss auf die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers der Abrechnung für die streitgegenständliche Periode gestatten. Hinzu kommt, dass mit einer Stromrechnung von über 20.000 € für ein halbes Jahr für einen privat genutzten kleinen Lagerraum ein Betrag erreicht ist, der einen Durchschnittsverbraucher auch schon einmal in die Insolvenz treiben kann.

    3. Aufgrund des beachtlichen Bestreitens des Beklagten oblag es der Klägerin - wie im Bestreitensfall grundsätzlich jedem Verkäufer, der nach § 433 Abs. 2 BGB den vereinbarten Kaufpreis geltend macht - die tatsächlichen Grundlagen der von ihr beanspruchten Forderung - hier: die Richtigkeit der in ihrer Rechnung zugrunde gelegten Verbrauchsmenge - zu beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 07. Februar 2018 - VIII ZR 148/17, juris Rn. 13). Hierauf ist die Klägerin in der Ladungsverfügung hingewiesen worden. Einen geeigneten Beweis hat sie nicht angetreten. Ein geeignetes Beweismittel wäre beispielsweise die sachverständige Begutachtung des ausgebauten Zählers gewesen. Der erst in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 28. September 2021 erfolgte Beweisantritt ist nicht zu berücksichtigen, da dieser nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgte. Gründe für die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung im Sinne des § 156 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Der Senat hat bereits in der Ladungsverfügung vom 21. April 2021 ausführlich auf die Sach- und Rechtslage hingewiesen und auf die Erforderlichkeit eines geeigneten Beweisantritts. Der Senat macht auch von der Möglichkeit nach § 156 Abs. 1 ZPO im Rahmen des dort eingeräumten Ermessens, die mündliche Verhandlung zu wiedereröffnen, keinen Gebrauch. Die Hinweise sind rechtzeitig vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 1. September 2021 erteilt worden, so dass ausreichend Zeit bestand, weitere Angriffsmittel vorzubringen.

    Der Beweis ist nicht durch die Berufung der Klägerin auf den Prüfschein der staatlich anerkannten Prüfstelle für Messgeräte für Elektrizität EHB 11 bei der w.-GmbH (Anlage K1) erbracht, die Messungen des geeichten Zählers und die Prüfung des Gerätes durchgeführt hat. Denn, wie sich aus der Systematik der StromGVV ergibt, begründet die Nachprüfung der Messeinrichtung in Fällen der Unplausibilität nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StromGVV gerade keinen Anscheinsbeweis zugunsten des Stromanbieters; vielmehr trägt dieser, sollte die von dem geeichten Messgerät ermittelte Verbrauchsmenge unplausibel sein, im Rückforderungsprozess des Kunden die volle Darlegungs- und Beweislast für den von ihm behaupteten Verbrauch (OLG Brandenburg, Urteil vom 29. Oktober 2019 - 6 U 151/18, juris Rn. 12). Durch den in § 17 Abs. 1 Satz 2 StromGVV vorgesehenen Einwendungsausschluss wird lediglich die Beweisaufnahme über die Einwendungen in den Rückforderungsprozess des Kunden verlagert. Die Darlegungs- und Beweislast des Versorgungsunternehmens für die Richtigkeit seiner Abrechnung, insbesondere für den tatsächlichen Verbrauch der berechneten Strommenge, ändert sich hingegen dadurch nicht (BGH, Urteil vom 07. Februar 2018 - VIII ZR 148/17, juris Rn. 19).

    Auch der Beweisantritt der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht, mit dem sie sich auf das Zeugnis des Befundprüfers hinsichtlich der Funktionsfähigkeit des Zählers berufen hat, stellt keinen geeigneten Beweisantritt dar. Es ist unstreitig, dass der Zähler die Befundprüfung bestanden hat.

    4. Zutreffend hat das Landgericht auch einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten in Höhe der abgerechneten Vergütung verneint, auf den sich die Klägerin hilfsweise beruft. Sowohl für einen vertraglichen (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 1, 433 BGB) als auch einen deliktischen Schadensersatzanspruch (§§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB) fehlt es an einem Nachweis der Klägerin, dass der Beklagte ihr in der Vergangenheit bei der Selbstablesung bewusst falsche Zählerstände mitgeteilt hat. Die Klägerin äußert diesbezüglich lediglich Vermutungen und bietet für diese im Übrigen auch keinen Beweis an.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.

    Vorschriften§ 17 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StromGVV; Energieversorgung