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  • 15.02.2019 · IWW-Abrufnummer 207225

    Kammergericht Berlin: Urteil vom 15.08.2018 – 26 U 48/18

    Zur Zulässigkeit von negativen Feststellungsanträgen von Darlehesnehmern in Darlehenswiderrufssachen.


    Kammergericht

    Im Namen des Volkes
     
    Geschäftsnummer:  26 U 48/18
    verkündet am :    15.08.2018      
    4 O 79/17 Landgericht Berlin 

    In dem Rechtsstreit

    xxx

    hat der 26. Zivilsenat des Kammergerichts, Elßholzstraße 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 15. August 2018 durch den Richter am Kammergericht Dr. xxx als Einzelrichter

    für Recht erkannt:

    1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 23. März 2018 verkündete Urteil der Zivilkammer 4 des Landgerichts Berlin - 4 O 79/17 - wird zurückgewiesen.
    2. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
    3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; das angefochtene Urteil ist fortan ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung aus den beiden Urteilen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des gegen sie vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung die Kläger Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.
    Gründe:

    I.

    Die Parteien streiten auch in zweiter Instanz über den Antrag der Kläger festzustellen, dass “[sie] der Beklagten aus dem ... Darlehen infolge des wirksamen Widerrufs ... nicht mehr als die Zahlung ... von ... EUR ... schulden”, nachdem die Kläger am 13.6.2016 den Widerrufs eines mit der beklagten Bank am 27.12.2007 geschossenen Darlehens erklärt haben.

    Die Beklagte meint, die Klage sei wegen Verfristung des Widerrufs unbegründet, weil die Kläger bei Vertragsschluss ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt worden seien und die Frist daher schon damals angelaufen sei; insbesondere verstoße die damalig Belehrung, die Widerrufsfrist beginne, nachdem den Klägern “die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrags” zur Verfügung gestellt worden sei, nicht gegen das Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F.. Ferner meint die Beklagte, der Klageantrag sei mangels Feststellungsinteresses gemäß § 256 Abs. ZPO unzulässig, weil sie sich - wegen ihrer o.g. Auffassung zur Verfristung des Widerrufs - nie eines Anspruches aus einem Rückgewährschuldverhältnis berühmt habe.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des vorgetragenen Sachverhaltes wird auf den Tatbestand der angegriffenen Entscheidung verwiesen.

    Das Landgericht hat dem Feststellungsantrag mit Urteil vom 23.3.2018 stattgegeben. Zur Begründung führt das Landgericht im Wesentlichen aus, für den Klageantrag bestünde hinreichendes Feststellungsinteresse, weil die Beklagte geltend mache, unter bestimmten Umständen einen weitergehenden Anspruch geltend machen zu können als von den Klägern zugestanden. Im Übrigen sei die Klage begründet, weil insbesondere die Widerrufsbelehrung als nicht ordnungsgemäß anzusehen sei. Das landgerichtliche Urteil ist der Beklagten am 3.4.2018 zugestellt worden. Am 3.5.2018 hat die Beklagte Berufung gegen das Urteil eingereicht. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 4.7.2018 hat die Beklagte ihre Berufungsbegründung am 27.6.2018 bei Gericht eingereicht.

    Die Berufungsklägerin beantragt,

    das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23.3.2018 zum Aktenzeichen 4 O 79/17 abzuändern und die Klage abzuweisen.

    Die Berufungsbeklagten beantragen,

    die Berufung zurückzuweisen.

    II.

    1.

    Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere statthaft und wurde form- und fristgerecht eingereicht sowie begründet (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO).

    2.

    Die Berufung ist jedoch unbegründet.

    a)
    Die Klage ist zulässig; insbesondere besteht hinreichendes Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO.

    Letzteres ergibt sich aus Folgendem:

    aa)
    Die Beklagte hat dadurch, dass sie die Wirksamkeit des Widerrufs bestritten hat, sich fortbestehender vertraglicher Erfüllungsansprüche gegen die Kläger aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB zumindest stillschweigend berühmt (vgl. BGH, Urt. v. 16.5.2017, XI ZR 586/15, Rdnr. 15 a.E.).

    Denn es ist der offenkundige Sinn des Bestreitens der Wirksamkeit des Widerrufs, das Fortbestehen vertraglicher Erfüllungsansprüche gegen die Kläger aus dem Darlehensvertrag zu sichern.

    bb)
    Der streitgegenständliche Klageantrag ist so auszulegen, dass die Kläger vertragliche Erfüllungsansprüche der Beklagten aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB - in einem gewissen Umfang - leugnen (ebenso in einem gleich gelagerten Fall: BGH, Urt. v. 16.5.2017, XI ZR 586/15, Rdnrn. 4, 10 und 12).

    Denn zum einen spricht hierfür der Wortlaut des Klageantrages, wonach die Kläger “der Beklagten aus dem ... Darlehen infolge ... Widerrufs ... nicht mehr ... schulden” mögen. Der in dem Antrag in Bezug genommene Rechtsgrund (“aus dem Darlehen”) entspricht vertraglichen Erfüllungsansprüchen aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB, nicht aber gesetzlichen Rückgewähransprüchen gemäß § 357 BGB a.F. i.V.m. §§ 346 ff. BGB.

    Zum anderen entspräche es keiner vernünftigen Antragstellung, wenn die Kläger mit ihrer Klage die Feststellung begehren würden, dass der Beklagten keine Ansprüche aus § 357 BGB a.F. i.V.m. §§ 346 ff. BGB zustünden. Denn die Beklagte macht das Bestehen von Ansprüchen aus diesem Rechtsgrund gerade nicht geltend, sondern bekämpft sie (vgl. BGH, Urt. v. 23.1.2018, XI ZR 359/16, Rdnr. 13 sowie Urt. v. 16.5.2017, XI ZR 586/15, Rdnr. 13).

    cc)
    Dahinstehen kann danach, ob - was die o.g. Entscheidungen des Bundesgerichtshofes unausgesprochen voraussetzen - in Fällen des Streits über die Wirksamkeit von Darlehenswiderrufen der Erfüllungsanspruch der Bank aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB einen anderen Streitgegenstand darstellt als der (positive) Rückgewähranspruch der Bank aus § 357 BGB a.F. i.V.m. §§ 346 ff. BGB, mit der Folge, dass das angerufene Gericht gemäß § 308 Abs. ZPO das eine nicht zusprechen kann, wenn der Kläger das andere beantragt hat. Nicht unerwähnt soll allerdings blieben, dass wegen der Ähnlichkeit des für beide Ansprüche relevanten Sachverhaltes und wegen der Verknüpfung dieser Sachverhalte durch den Streit der Parteien über die Wirksamkeit des Widerrufs es naheliegender erscheint, einen einheitlichen Lebenssachverhalt als Grundlage der beiden Ansprüchen anzunehmen und folglich von einen einheitlichen Streitgegenstand auszugehen. Zudem haben klageabweisende Prozessurteile, die darauf beruhen, dass der Kläger - angeblich - den “falschen” Anspruch zum Gegenstand seiner Feststellungsklage gemacht hat (so wohl in BGH, Urt. v. 23.1.2018, XI ZR 359/16, Rdnr. 10-13), einen im Ergebnis jedenfalls zweifelhaften Gerechtigkeitsgehalt.

    Dahinstehen kann ferner, ob der Senat schon deshalb von der Zulässigkeit der Klage auszugehen hat, weil die Beklagte die Bejahung der Zulässigkeit durch das Landgericht möglicherweise nicht zum Gegenstand ihrer Berufung gemacht hat (in der Berufungsbegründungsschrift finden sich unter der Überschrift “I. Umfang der Anfechtung im Sinne von § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO” lediglich Angriffe gegen die materiell-rechtlichen Ausführungen in dem landgerichtlichen Urteil) und weil der Senat die Zulässigkeit - anders als etwa der Bundesgerichtshof in dem freilich anders gelagerten Fall seiner Entscheidung vom 7.11.2017 (XI ZR 369/16), Rdnr. 20 - möglicherweise nicht von Amts wegen zu prüfen hat.

    b)
    Die Klage ist auch begründet.

    Denn insbesondere war die Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß, die Widerrufsfrist daher nicht angelaufen und der Widerruf folglich nicht verfristet. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist nämlich anerkannt, dass eine Belehrung mit der Formulierung, die Widerrufsfrist beginne, nachdem dem Darlehensnehmer “die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrags” zur Verfügung gestellt worden sei, gegen das Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. verstößt (BGH, Urt. v. 21.02.2017, XI ZR 381/16, Rdnr. 13 ff., m.w.N.; Urt. v. 14.03.2017, XI ZR 442/16, Rdnr. 24; ebenso Senat, Beschl. v. 13.11.2017, 26 U 60/17).

    Unerheblich ist hiernach, ob die Parteien im konkreten Fall angenommen haben, dass das irreführende Belehrungselement “Vertragsantrag” vorliegend eingreife bzw. nicht eingreife. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kommt es nur auf die textlich dokumentierte Belehrung an (BGH, Urt. v. 21.02.2017, XI ZR 381/16, Rdnr. 16) und es bedarf keines Kausalzusammenhanges zwischen der Falschbelehrung und dem späten Zeitpunkt der Widerrufsausübung (BGH, a.a.O., Rdnr. 18). Vor dem Hintergrund der Eindeutigkeit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, auf die schon das Landgericht verwiesen hat und die die Beklagte in der Berufungsinstanz letztlich nicht in Frage stellt, sieht der Senat von weiteren Ausführungen ab.

    2.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

    3.

    Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 Satz 2 ZPO ZPO i.V.m. § 711 ZPO.

    4.

    Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht zuzulassen. Denn weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Fortbildung des Rechts oder die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich.

    RechtsgebietDarlehensrechtVorschriften§ 488 BGB