14.11.2018 · IWW-Abrufnummer 205424
Oberlandesgericht Hamburg: Beschluss vom 25.01.2018 – 8 W 5/17
Die GEMA kann ebenso wie ein Verband zur Verfolgung gewerblicher Interessen (§ 8 Abs.3 Nr.2 UWG) oder ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen aufgenommener Verband (§ 3 Abs.1 S.1 Nr.2 UKlaG) einen am Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt schriftlich instruieren und keine Reisekosten auswärtiger Anwälte erstattet verlangen.
Oberlandesgericht Hamburg
Beschl. v. 25.01.2018
Az.: 8 W 5/17
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittel der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hamburg vom 17.10.2016, AZ 315 O 179/09, abgeändert:
Die von der Klägerin an die Beklagte gem. § 106 ZPO nach dem vorläufig vollstreckbaren Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 14.04.2016 zu erstattenden Kosten werden auf
€ 10.187,72
nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.05.2016 festgesetzt.
Der weitergehende Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Beschwerdewert von € 325,75.
Gründe
I. Die Klägerin, ein wirtschaftlicher Verein kraft stattlicher Verleihung, ist die deutsche Wahrnehmungsgesellschaft für die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an den geschützten Werken der Musik. Ihr ist die nach § 1 UrhWG erforderliche Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb einer Verwertungsgesellschaft erteilt worden. Sie hat ihren Sitz in Berlin. In einem urheberrechtlichen Streit gegen die Beklagte vor dem Landgericht Hamburg und Hanseatischem Oberlandesgericht ließ sie sich von einer Rechtsanwaltskanzlei in München vertreten. Nach dem Urteil des Hanseatischen Oberlandesgericht vom 14.04.2016 hat von den Kosten der ersten Instanz die Klägerin 86 % und die Beklagte 14 % und von den Kosten der Berufungsinstanz die Klägerin 85% und die Beklage 15 % zu tragen.
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat das Landgericht Hamburg die von der Klägerin beantragten Reisekosten ihrer Münchner Prozessbevollmächtigten sowie Tage- und Abwesenheitsgelder (für die 1. Instanz insgesamt € 1.771,31 und für die 2. Instanz insgesamt € 517,97) und Kosten eines Handelsregisterauszuges (€ 4,50) bei der Kostenausgleichung nach § 106 ZPO berücksichtigt und die von der Klägerin an die Beklagte zu erstattenden Kosten auf € 9.861,97 festgesetzt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde ist zum größten Teil begründet.
1. Reisekosten, Tage- und Abwesenheitsgelder
Die von der Klägerin geltend gemachten Reisekosten des in München ansässigen Prozessbevollmächtigten nach Hamburg sind entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht erstattungsfähig. Die Beauftragung der Münchner Prozessbevollmächtigten war nicht notwendig (§ 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
a. Grundsätzlich gilt zwar Folgendes:
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung stellt die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht verklagte Partei im Regelfall eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverteidigung dar. Ein tragender Grund hierfür ist die Annahme, dass üblicherweise ein persönliches mündliches Gespräch erforderlich und gewünscht ist (BGH, Beschluss vom 13.09.2011 - VI ZB 42/10 -, Rn. 6 mwN, juris). Ein solches Mandantengespräch kann entbehrlich sein, wenn es sich bei der fraglichen Partei um ein Unternehmen handelt, das über eine eigene, die Sache bearbeitende Rechtsabteilung verfügt (BGH, Beschluss vom 13.05.2004 - I ZB 3/04 -, Rn. 6 mwN, juris). Dann muss ein am Ort des Prozessgerichts ansässiger Rechtsanwalt beauftragt werden (BGH, Beschluss vom 13.05.2004, aaO., Rn. 5, juris).
Macht die obsiegende Partei Reisekosten eines Rechtsanwalts geltend, der eine Partei vertritt, die nicht über eine eigene Rechtsabteilung verfügt und die bei einem auswärtigen Gericht verklagt wird, und der weder am Gerichtsort noch am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässig ist ("Rechtsanwalt am dritten Ort"), sind diese Kosten regelmäßig nur bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts zu erstatten (vgl. BGH, Beschluss vom 13.09.2011 - VI ZB 42/10 -, Rn. 6 mwN). Besondere Umstände, die eine volle Erstattung der Reisekosten eines an einem dritten Ort beauftragten Rechtsanwalts ermöglichen, können nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwar dann gegeben sein, wenn die dem Rechtsstreit vorangegangene unternehmensinterne Bearbeitung der Sache an einem Ort stattgefunden hat, an dem das Unternehmen weder seinen Hauptsitz noch eine Zweigniederlassung unterhält. Genauso wie die Hinzuziehung eines in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftssitzes ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht verklagte Partei grundsätzlich eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung darstellt, kann ein Unternehmen grundsätzlich einen Prozessbevollmächtigten auch an dem Ort beauftragen, an dem die dem Rechtsstreit vorangegangene unternehmensinterne Bearbeitung der Sache erfolgt ist, selbst wenn das Unternehmen an diesem Ort weder seinen Hauptsitz noch eine Zweigniederlassung unterhält. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen sind die Reisekosten, die dem Unternehmen durch die Beauftragung eines am Ort der Bearbeitung ansässigen Rechtsanwalts entstanden sind, nach denselben Grundsätzen zu erstatten wie sonst im Falle der Beauftragung eines am Sitz des Unternehmens ansässigen Rechtsanwalts (BGH, Beschluss vom 13.09.2011 - VI ZB 42/10 -, Rn. 8 mwN, juris).
b. Auf die vorstehende Rechtsprechung kann die Klägerin sich jedoch nicht mit ihrem Vortrag berufen, sie verfüge nicht über eine Rechtsabteilung, die Einzelforderungen geltend mache, und der dem Rechtsstreit zugrundeliegende Sachverhalt sei von ihrer Generaldirektion in München bearbeitet worden. Denn sie ist jedenfalls wie ein Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung zu behandeln:
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG n.F., § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UKlaG) und qualifizierte Einrichtungen, die in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagegesetzes eingetragen sind (§ 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG n.F. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG), wie Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung zu behandeln sind. Solche Verbände und Einrichtungen müssen personell, sachlich und finanziell so ausgestattet sein, dass sie auch ohne anwaltlichen Rat in der Lage sind, in typischen und durchschnittlich schwierigen Fällen Wettbewerbsverstöße (§ 3 UWG) bzw. Verstöße gegen die §§ 307 bis 309 BGB (§ 1 UKlaG) und gegen Verbraucherschutzgesetze (§ 2 UKlaG) zu erkennen und zu verfolgen. Sie müssen daher regelmäßig in der Lage sein, einen Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts schriftlich und telefonisch zu instruieren (BGH, Beschluss vom 18.12.2003 - I ZB 18/03 -, Juris Rn. 7, GRUR 2004, 448 - Auswärtiger Rechtsanwalt IV; BGH, Beschluss vom 21.09.2005 - IV ZB 11/04 -, juris Rn. 18, NJW 2006, 301, 303). Solchen Verbänden und Einrichtungen steht es - anders als gewerblichen Unternehmen - insoweit nicht frei, wie sie sich intern organisieren (BGH Beschluss vom 02.10.2008 - I ZB 96/17 -, juris Rn. 9, NJW-RR 2009, 556 [BGH 02.10.2008 - I ZB 96/07]).
Das OLG Nürnberg hat durch Beschluss vom 22. April 2004 (- 3 W 1302/04 -, juris Rn. 10) unter Bezugnahme auf den Beschluss des BGH vom 18.12.2003 (aaO.) entschieden, dass die Klägerin einem Verband im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. (§ 8 UWG n.F.) in vollem Umfang gleichzusetzen sei. Es hat ausgeführt:
"Denn ebenso wie der genannte Verband satzungsmäßig berechtigt ist, Wettbewerbsverstöße zu verfolgen, ist die Klägerin als eine über das UrhWGesetz installierte und erlaubnispflichtige Verwertungsgesellschaft gehalten, Urheberrechte wahrzunehmen. Auch sie muss wie ein Verband im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG personell und sachlich so ausgestattet sein, dass sie ohne anwaltschaftlichen Rat urheberrechtliche Verstöße erkennen und abmahnen kann. Sie ist damit in gleiche Weise wie der vom BGH genannte Verband angesichts dieser personellen Ausstattung einem Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung gleichzusetzen und in der Lage, einen Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichtes schriftlich zu instruieren"
Dem schließt sich der Senat an.
Zwar ist für die Verwertungsgesellschaft in dem für diesen Fall maßgebenden, bis 2016 geltenden, Urheberrechtswahrnehmungsgesetz (UrhWG) nicht wie in § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. bzw. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG n.F. für die rechtsfähigen Verbände ausdrücklich geregelt, dass sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sein müssen, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen. Ferner ist für die Verwertungsgesellschaft in dem genannten Urheberrechtswahrnehmungsgesetz auch nicht wie in § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UKlaG für die qualifizierten Einrichtungen ausdrücklich bestimmt, dass es auf Grund ihrer bisherigen Tätigkeit gesichert erscheinen muss, dass sie ihre satzungsmäßigen Aufgaben auch künftig dauerhaft wirksam und sachgerecht erfüllen werden, was nach § 4 Abs. 2 S. 2 UKlaG vermutet wird.
Jedoch besteht für die Verwertungsgesellschaft nach § 6 Abs. 1 UrhWG sogar ein Wahrnehmungszwang. Sie ist verpflichtet, die zu ihrem Tätigkeitsbereich gehörenden Rechte und Ansprüche aus dem Urheberrechtsgesetz auf Verlangen der Berechtigten wahrzunehmen. Sie muss zu diesem Zweck mit ihm ein Wahrnehmungsvertrag abzuschließen, der sie u.a. berechtigt, Rechte und Ansprüche gegenüber Dritten geltend zu machen (Dreier/Schulze, UrhWG, 5. Aufl., § 6 UrhWG, Rn. 13). Darüber hinaus hat die Verwertungsgesellschaft dafür zu sorgen, dass die Rechte gewahrt bleiben; hierzu zählen neben Inkasso und Kontrollen bei den einschlägigen Nutzungskreisen insbesondere Rechtsverfolgungen gegen Verletzte (Dreier/Schulze, aaO., Rn. 14). Die Bearbeitung von Rechtsangelegenheiten der Berechtigten gehört daher gerade zu ihren gesetzlichen Pflichten. Deshalb versteht es sich von selbst, dass die Verwertungsgesellschaft erst Recht personell und sachlich so ausgestattet sein muss, dass sie diesen Pflichten nachkommen kann. Sie muss auch ohne anwaltlichen Rat in der Lage sein Uhrheberrechtsverletzungen zu erkennen und zu verfolgen. Eine Verwertungsgesellschaft, die wie ein Wettbewerbsverband oder eine qualifizierte Einrichtung über diese Ausstattung verfügt, ist daher ebenso wie ein Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung regelmäßig in der Lage, einen Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts zu instruieren.
Ebenso wenig wie ein Verband zur Verfolgung gewerblicher Interessen oder ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen aufgenommener Verband (dazu BGH, Beschluss vom 21.09.2005, aaO., Rn. 21; Beschluss vom 02.10.2008, aaO., Rn. 9; Beschluss vom 12.12.2012, Rn. 26 und 27) kann sich eine Verwertungsgesellschaft, wie die Klägerin, darauf berufen, dass sie tatsächlich nicht über eine solche Ausstattung verfügt habe und es ihr daher nicht möglich gewesen sei, einen Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts schriftlich oder telefonisch zu instruieren. Denn anders als gewerbliche Unternehmen, steht es auch ihr nicht frei, wie sie sich intern organisiert (BGH, 02.10.2008, aaO., Rn. 9, für Verbände und Einrichtungen).
Diese Beurteilung des Regelfalls schließt es zwar nicht aus, die Mehrkosten, die durch die Zuziehung eines am Sitz der Klägerin ansässigen Rechtsanwalts entstünden, ausnahmsweise dann als notwendig anzuerkennen, wenn dargetan wird, dass zum Zeitpunkt der Beauftragung des Anwalts eine persönliche Kontaktaufnahme unverzichtbar erschien (BGH Beschluss vom 02.10.2008, aaO., Rn. 10). Die Klägerin hat aber nicht dargetan, dass in diesem Streitfall zum Zeitpunkt der Beauftragung des Prozessbevollmächtigten ausnahmsweise ein persönliches Gespräch erforderlich gewesen wäre. Dafür reicht ihr Hinweis auf den Umfang und die Dauer des Rechtsstreits nicht. Zum vorprozessualen Verhalten der Beklagte hat die Klägerin lediglich ausgeführt, diese habe ihre Rechnungen nicht bezahlt, so dass das gerichtliche Mahnverfahren eingeleitet worden sei.
Nach allem sind die im Zusammenhang mit den Reisen zum Landgericht Hamburg und zum Hanseatischen Oberlandesgericht entstandenen Auslagen der Münchner Prozessbevollmächtigten der Klägerin keine notwendigen Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.
2. Handelsregisterauszug
Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.10.2016 und im Nichtabhilfebeschluss vom 24.01.2017, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, die Kosten für den Handelsregisterauszug in Höhe von € 4,50 für erstattungsfähig angesehen.
3. Ausgleichung
Bei Nichtberücksichtigung der von der Klägerin beantragten Reisekosten und Abwesenheitsgelder errechnet sich der von der Klägerin an die Beklagte zu erstattende Betrag in Höhe von € 10.187,72 wie folgt:
a. I. Instanz
Anwaltskosten
Klägerin: € 7.909,- Beklagte: € 7.658,40 gesamt € 15.567,40 Davon tragen:
Klägerin 86 % = € 13.387,96 Beklagte 14 % = € 2.179,44 abzüglich eigene Kosten € 7.909,- € 7.658,40
der Gegenseite zu erstatten € 5.478,96 € 0,--
b. II. Instanz
Anwaltskosten
Klägerin: € 8.680,40 Beklagte: € 8.680,40 gesamt € 17.360,80 Davon tragen:
Klägerin 85 % = €14.756,68 Beklagte 15 % = € 2.604,12 abzüglich eigene Kosten € 8.680,40 € 8.680,40
der Gegenseite zu erstatten € 6.076,28 € 0,--
c. Zusammenfassung Berechnung
I. Instanz
Gerichtskosten € 1.367,52 zu erstatten von der Beklagten
außergerichtliche Kosten € 5.478,96 zu erstatten von der Klägerin
Summe € 4.111,44 zu erstatten von der Klägerin
II. Instanz
außergerichtliche Kosten € 6.076,28 zu erstatten von der Klägerin
Summe Instanzen € 10.187,72 zu erstatten von der Klägerin.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.