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  • 28.08.2018 · IWW-Abrufnummer 203121

    Bundesgerichtshof: Beschluss vom 12.07.2018 – IX ZB 78/17


    Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den Richter Prof. Dr. Gehrlein, die Richterin Lohmann, die Richter Dr. Schoppmeyer und Meyberg
    am 12. Juli 2018 beschlossen:

    Tenor:

    Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Augsburg vom 3. November 2017 aufgehoben.

    Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

    Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 8.716,91 € festgesetzt.



    Gründe



    I.

    1


    Auf einen am 17. Juni 2014 eingegangenen Antrag eröffnete das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 28. Oktober 2014 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und ernannte den weiteren Beteiligten zu 1 zum Treuhänder. Auf Antrag der Schuldnerin stellte das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 22. Januar 2016 fest, dass die Schuldnerin Restschuldbefreiung erlangt, wenn sie während der Laufzeit der Abtretungserklärung, also ab Aufhebung des Insolvenzverfahrens, den Obliegenheiten nach § 295 InsO nachkommt und die Voraussetzungen für eine Versagung nach § 297 InsO oder § 298 InsO nicht vorliegen. Mit Beschluss vom 3. Februar 2016 hob das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren auf.


    2


    Mit Schreiben vom 20. Januar 2017 beantragte die weitere Beteiligte zu 2, die Restschuldbefreiung zu versagen. Sie machte geltend, dass der Ehemann der Schuldnerin mindestens seit Januar 2015 neben seiner Rente monatliche Einkünfte in Höhe von 450 € erzielt habe. Die Schuldnerin habe nur die Renteneinkünfte ihres Ehemannes angegeben, jedoch die zusätzlichen monatlichen Einkünfte ihres Ehemannes vorsätzlich verschwiegen. Daher sei der Ehemann bei der Berechnung des pfändbaren Teils des Einkommens der Schuldnerin als unterhaltsberechtigte Person berücksichtigt worden. Dies habe dazu geführt, dass die Schuldnerin einen zu geringen Teil ihres Einkommens zur Masse abgeführt habe. Auf Anforderung des weiteren Beteiligten zu 1 zahlte die Schuldnerin daraufhin 3.147,12 € für das Jahr 2016 als weiteren pfändbaren Teil ihres Einkommens an den weiteren Beteiligten zu 1.


    3


    Das Insolvenzgericht hat den Antrag der weiteren Beteiligten zu 2 auf Versagung der Restschuldbefreiung zurückgewiesen. Der dagegen eingelegten sofortigen Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 hat das Insolvenzgericht abgeholfen und der Schuldnerin die angekündigte Restschuldbefreiung versagt. Das Landgericht - Einzelrichter - hat die sofortige Beschwerde der Schuldnerin zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde erstrebt die Schuldnerin die Zurückweisung des Antrags.




    II.

    4


    Die Rechtsbeschwerde ist statthaft ( § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO , §§ 6 , 289 Abs. 2 Satz 1 InsO aF) und auch im Übrigen zulässig. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.


    5


    Entscheidet der originäre Einzelrichter - wie hier - in einer Sache, der er rechtsgrundsätzliche Bedeutung beimisst, über die Beschwerde und lässt er die Rechtsbeschwerde zu, so ist die Zulassung wirksam. Auf die Rechtsbeschwerde unterliegt die Entscheidung jedoch wegen der fehlerhaften Besetzung des Beschwerdegerichts der Aufhebung von Amts wegen, weil der Einzelrichter über die Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung ( § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ) nicht selbst entscheiden durfte, sondern das Verfahren gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO der mit drei Richtern besetzten Kammer hätte übertragen müssen. Dem originären Einzelrichter nach § 568 ZPO ist die Entscheidung von Rechtssachen grundsätzlicher Bedeutung schlechthin versagt ( BGH, Beschluss vom 16. Mai 2012 - I ZB 65/11 , NJW 2012, 3518 Rn. 4 mwN). Bejaht er mit der Zulassungsentscheidung zugleich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, ist seine Entscheidung objektiv willkürlich und verstößt gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ( BGH, Beschluss vom 13. März 2003 - IX ZB 134/02 , BGHZ 154, 200, 201 ff ; vom 28. Juni 2012 - IX ZB 298/11 ,ZInsO 2012, 1439Rn. 3; vom 20. November 2014 - IX ZB 56/13 ,ZInsO 2015, 108Rn. 4; vom 16. April 2015 - IX ZB 93/12 ,ZInsO 2015, 1103Rn. 4).


    6


    Die Zurückverweisung gibt dem Beschwerdegericht Gelegenheit, sich mit den von der Rechtsbeschwerde gegen die tatsächlichen Feststellungen erhobenen Einwendungen auseinanderzusetzen. Die Frage, ob dem Schuldner Restschuldbefreiung zu versagen ist, richtet sich nach den bis zum 30. Juni 2014 geltenden Vorschriften ( Art. 103h Satz 1 EGInsO ). Nach diesen Vorschriften scheidet eine Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO aF aus, wenn kein Gläubiger im Schlusstermin einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung gestellt hat ( BGH, Beschluss vom 20. März 2003 - IX ZB 388/02 , WM 2003, 980, 981; vom 18. Mai 2006 - IX ZB 103/05 ,ZInsO 2006, 647Rn. 6; vom 6. November 2008 - IX ZB 34/08 , NZI 2009, 66 Rn. 10). Ebenso wenig käme ein Widerruf der Restschuldbefreiung wegen Vorliegens von Versagungsgründen nach § 290 InsO aF in Betracht, die dem Gläubiger erst nach Erteilung der Restschuldbefreiung bekannt geworden sind ( BGH, Beschluss vom 8. September 2016 - IX ZB 72/15 ,ZInsO 2016, 2097Rn. 8, 16 f mwN).


    7


    Das Beschwerdegericht wird daher zu prüfen haben, ob eine Versagung der Restschuldbefreiung gemäß § 296 Abs. 1 InsO aF in Betracht kommt. Dabei weist der Senat darauf hin, dass für einen Verstoß gegen § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO aF allein erheblich ist, ob in die Treuhandperiode fallende Einkünfte verheimlicht werden. Der Begriff des Verheimlichens geht über denjenigen des schlichten Verschweigens hinaus ( BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2009 - IX ZB 249/08 ,ZInsO 2009, 2212Rn. 11; vom 10. März 2011 - IX ZB 168/09 , WM 2011, 660 Rn. 8). Eine Pflicht, den Treuhänder unaufgefordert über einen höheren ausgezahlten Lohn oder über die Einkünfte eines Unterhaltsberechtigten zu unterrichten, enthält § 295 Abs. 1 InsO nicht (BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2009, aaO Rn. 11, 14 ff). Ob der Sachverhalt nach diesen Maßstäben die Anforderungen an ein Verheimlichen auch der Einkünfte in der Treuhandperiode erfüllt, hat der Tatrichter zu entscheiden.


    Kayser
    Gehrlein
    Lohmann
    Schoppmeyer
    Meyberg

    Vorschriften§ 295 InsO, § 297 InsO, § 298 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO, §§ 6, 289 Abs. 2 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 568 ZPO, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 103h Satz 1 EGInsO, § 290 InsO, § 296 Abs. 1 InsO, § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO, § 295 Abs. 1 InsO