Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 28.08.2015 · IWW-Abrufnummer 145221

    Oberlandesgericht Koblenz: Beschluss vom 17.03.2015 – 3 U 1514/14

    Ein Fehler in einer Abrechnung ist in der Regel dann nicht offensichtlich im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV, wenn die Klärung der Fehlerhaftigkeit umfangreiche Tatsachenfeststellungen erfordern würde. Dies ist dann der Fall, wenn die ordnungsgemäße Funktionsweise eines Stromzählers erst durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens geklärt werden könnte.

    Die Vorschrift des 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StromGVV gewährt ein zeitliches Zurückbehaltungsrecht, wenn der in einer Rechnung angegebene Verbrauch ohne ersichtlichen Grund mehr als doppelt so hoch wie der vergleichbare Verbrauch im vorherigen Abrechnungszeitraum ist und der Kunde eine Nachprüfung der Messeinrichtung verlangt und solange durch die Nachprüfung nicht die ordnungsgemäße Funktion des Messgeräts festgestellt ist.

    Eine Verbrauchsmessung, die durch einen von einer staatlich anerkannten Prüfstelle überprüften Zähler vorgenommen wurde, hat nach ganz einhelliger Meinung die vom Kunden zu widerlegende Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich.

    Diese Vermutung wird allein durch ungewöhnlich hohe Verbrauchswerte nicht erschüttert. Es bedarf vielmehr konkreter Angaben des Kunden zu dem Verbrauchsverhalten und zu dem Stromverbrauch der vorhandenen Endgeräte. Erst auf der Grundlage dieses Sachvortrags kommt eine weitere Sachaufklärung, etwa durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens, in Betracht (Abgrenzung zum Beschluss des Senats vom 21. Juli 2014, 3 W 343/14).


    Oberlandesgericht Koblenz

    Beschl. v. 17.03.2015

    Az.: 3 U 1514/14

    In dem Rechtsstreit
    XXX
    gegen
    XXX
    wegen Versorgungsleistung
    -
    hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Grünewald, den Richter am Oberlandesgericht Henrichs und die Richterin am Oberlandesgericht Haberkamp am 17.03.2015 einstimmig beschlossen:
    Tenor:

    Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird zurückgewiesen.

    Der Senat erwägt, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 15. Zivilkammer -Einzelrichter - des Landgerichts Koblenz vom 1. Dezember 2014 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
    Gründe

    I.

    Die Klägerin macht Entgeltansprüche wegen Stromlieferung in Höhe von 11.188,29 € für die Jahre 2009 bis 2011 geltend.

    Die Klägerin versorgt den Beklagten für die Lieferstelle R. in K. mit Strom. Die Erfassung des Stromverbrauchs erfolgte durch den Stromzähler mit der Nummer 620000-5048540. Mit Rechnung vom 15. Februar 2011 berechnete die Klägerin für den Abrechnungszeitraum 25. Juni 2009 bis 29. Juni 2010 einen Betrag von 5.758,68 €. Der Jahresverbrauch wurde mit 33.639 kWh angegeben und überstieg den Verbrauch des Vorjahres um das fast siebenfache. Mit Rechnung vom 23. Mai 2011 berechnete die Klägerin für den Abrechnungszeitraum 30. Juni 2010 bis 4. April 2011 einen Betrag von 5.419,61 € bei einem Verbrauch von 22.432 kWh für 280 Tage.

    Bei der Lieferstelle handelt es sich um ein Einfamilienhaus. In den abgerechneten Zeiträumen war das Anwesen nicht von dem Beklagten, sondern von seiner getrennt lebenden Ehefrau sowie der Stieftochter bewohnt.

    Auf Bitte des Beklagten wurde der Stromzähler von der Staatlich anerkannten Prüfstelle für Messgeräte für Elektrizität Essen-Kettwig am 14. Juli 2011 geprüft. Die Prüfstelle gelangte zu dem Ergebnis, dass das Messgerät die Befundprüfung bestanden habe, jedoch nicht weiter verwendet werden könne. Der Stromzähler wurde vernichtet und durch einen anderen ersetzt.

    Der Beklagte verweigert die Zahlung mit der Begründung, der der Klageforderung zugrunde liegende Energieverbrauch sei nicht nachvollziehbar und technisch nicht möglich. Das Einfamilienhaus verfüge über keinen größeren oder ungewöhnlichen Energieverbraucher. Der Stromzähler müsse defekt gewesen sein. Der Zähler sei nicht ordnungsgemäß abgelesen worden. Die Forderung aus den Stromlieferungen für die Jahre 2009 und 2010 sei verjährt.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 ZPO.

    Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 11.188,29 € nebst Verzugszinsen und Inkassokosten zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte könne mit seinen Einwendungen nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 StromGVV im hiesigen Verfahren nicht durchdringen. Hohe Verbrauchswerte als solche könnten die Vermutung der Zuverlässigkeit eines geeichten Zählers nicht widerlegen, solange der Kunde keine konkreten Angaben zum Verbrauchsverhalten in dem betreffenden Zeitraum mache. Daran fehle es hier. Die Forderung sei nicht verjährt. Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er eine unzureichende Sachaufklärung und eine Verletzung der Hinweispflicht durch das Landgericht rügt. Das Landgericht hätte seinen Beweisangeboten zu dem Nutzungsverhalten seiner getrennt lebenden Ehefrau und zu der von ihm behaupteten technischen Unmöglichkeit des berechneten Energieverbrauchs nachgehen müssen. Durch die Vernichtung des Stromzählers habe die Klägerin die Beweisführung vereitelt. Sofern das Landgericht konkrete Angaben zu dem Verbrauchsverhalten in dem betreffenden Zeitraum misse, habe es rechtsfehlerhaft einen entsprechenden Hinweis unterlassen. Ein Stromverbrauch bei einem Zweipersonenhaushalt in einem Einfamilienhaus von jährlich 33.639 kWh sei ohne weiteren Sachvortrag zum Nutzungsverhalten so ungewöhnlich, dass das Landgericht eine weitere Aufklärung hätte betreiben müssen.

    Der Beklagte beantragt,

    unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Koblenz vom 1. Dezember 2014 die Klage abzuweisen.

    Er beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren.

    Die Klägerin beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

    II.

    Die begehrte Prozesskostenhilfe ist zu versagen, weil der Berufung des Beklagten die nach § 114 ZPO erforderliche Erfolgsaussicht fehlt.

    Das angefochtene Urteil beruht weder gemäß §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO auf einer Rechtsverletzung, das heißt einer Nichtanwendung oder unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

    Der Klägerin steht aus dem zwischen den Parteien bestehenden Stromlieferungsvertrags ein Anspruch auf Zahlung von 11.188,29 € zu. Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Einwendungen des Beklagten nach § 17 Abs. 1 StromGVV als unbeachtlich angesehen.

    1. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV führen Einwände gegen Rechnungen nur dann zu einer berechtigten Zahlungsverweigerung, wenn die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht.

    Das setzt voraus, dass die Rechnung bereits auf den ersten Blick Fehler erkennen lässt, also bei objektiver Betrachtung kein vernünftiger Zweifel über die Fehlerhaftigkeit möglich ist (BGH, Urteil vom 6. Dezember 1989 - VIII ZR 8/89 - MDR 1990, 538, zu § 30 Nr. 1 AVBFernwärmeV; Urteil vom 21. November 2012 - VIII ZR 17/12 - NJW 2013, 2273, zu § 30 Nr. 1 AVBeltV; OLG Celle, Urteil vom 26. September 2013 - 13 U 30/13 -, [...]). Ausgeschlossen ist der Versorgungskunde im Primärprozess dagegen mit dem Einwand, es müsse ein Ablesefehler oder Defekt des Zählers vorliegen, weil nicht so viel Energie in einem bestimmten Rechnungszeitraum verbraucht worden sein könne. Allgemein berechtigen Einwände zur Zahlungseinstellung dann nicht, wenn vertiefte rechtliche Überlegungen über die Berechtigung der Forderung angestellt werden müssen oder wenn im Rechtsstreit eine Beweisaufnahme über den vom Kunden behaupteten Fehler erforderlich wäre. So ist die Offensichtlichkeit in der Regel zu verneinen, wenn die Klärung der Fehlerhaftigkeit umfangreiche Tatsachenfeststellungen erfordern würde, etwa wenn die ordnungsgemäße Funktionsweise eines Stromzählers erst durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens geklärt werden könnte (so auch OLG Celle, Urteil vom 26. September 2013 - 13 U 30/13 -, [...]).

    Ziel der Norm ist es, dem Energieversorger eine zeitnahe Forderungsdurchsetzung zu ermöglichen und ihn vor unbegründeten Einwendungen des Vertragspartners zu schützen.

    Ausgehend von diesen Grundsätzen ist hier eine offensichtliche Unrichtigkeit der Rechnung nicht gegeben.

    Die Rechnungen der Klägerin weisen den Anfangs- und Endzeitpunkt der Abrechnungszeiträume auf, ebenso den Zählerstand zu Beginn und Endes des Verbrauchszeitraumes sowie die sich daraus ergebende Anzahl an verbrauchten StromKilowattstunden. Soweit der Beklagte meint, die offensichtliche Unrichtigkeit ergäbe sich aus einem ungewöhnlich hohem Verbrauch, ist dies unbeachtlich, da sich in diesem Fall die offensichtliche Unrichtigkeit nicht aus der Rechnung selbst ergibt.

    2. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StromGVV berechtigen Einwände gegen Rechnungen und Abschlagsberechnungen gegenüber dem Grundversorger zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung dann, wenn der in einer Rechnung angegebene Verbrauch ohne ersichtlichen Grund mehr als doppelt so hoch wie der vergleichbare Verbrauch im vorherigen Abrechnungszeitraum ist und der Kunde eine Nachprüfung der Messeinrichtung verlangt und solange durch die Nachprüfung nicht die ordnungsgemäße Funktion des Messgeräts festgestellt ist. Die Vorschrift des 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StromGVV gewährt insoweit ein zeitliches Zurückbehaltungsrecht ("solange ... nicht die ordnungsgemäße Funktion des Messgeräts festgestellt ist").

    Die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StromGVV sind, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, hier nicht erfüllt.

    a) Der Stromverbrauch der Abrechnung vom 15. Februar 2011 überschritt die Strommenge der Vorabrechnung zwar um mehr als das Doppelte. Der Beklagte hat auch eine Überprüfung der Messeinrichtung, hier des Stromzählers Nummer 620000-5048540 verlangt.

    Die Klägerin hat das Messgerät jedoch sodann einer Überprüfung unterzogen und ein Fehler wurde nicht festgestellt. Auf den Prüfschein der Staatlich anerkannten Prüfstelle für Messgeräte für Elektrizität Essen-Kettwig vom 20. Juli 2011 (Bl. 40 bis 42 GA) wird Bezug genommen. Danach wurde der Stromzähler nicht nur einer äußeren sondern auch einer inneren Beschaffenheitsprüfung unterzogen und Fehler nicht festgestellt.

    b) Eine Verbrauchsmessung, die durch einen von einer staatlich anerkannten Prüfstelle überprüften Zähler vorgenommen wurde, hat nach ganz einhelliger Meinung die vom Kunden zu widerlegende Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich (allgemeine Ansicht; vgl. OLG Köln, Urteil vom 28. August 2013 - 11 U 209/12 -, [...] m.w.N.). Diese Vermutung wird allein durch ungewöhnlich hohe Verbrauchswerte nicht erschüttert. Es bedarf vielmehr konkreter Angaben des Kunden zu dem Verbrauchsverhalten und zu dem Stromverbrauch der vorhandenen Endgeräte. Erst auf dieser Grundlage dieses Sachvortrags kommt eine weitere Sachaufklärung, etwa durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens, in Betracht. Soweit der Einzelrichter des Senats in dem Beschluss vom 21. Juli 2014 in dem Prozesskostenhilfebeschwerdeverfahren (3 W 343/14) diese Sachaufklärung im Zahlungsprozess schon allein aufgrund eines ungewöhnlich hohen Stromverbrauchs für geboten hält, hält der Senat daran nicht fest.

    Vorliegend hat der Beklagte keine konkreten Angaben zu dem Verbrauchsverhalten gemacht. Der Beklagte rügt ohne Erfolg, das Landgericht habe es unterlassen, auf die Erforderlichkeit eines konkreten Sachvortrags hinzuweisen. Denn er hat auch mit der Berufung hierzu nichts vorgetragen. Rügt der Berufungsführer einen unterlassenen Hinweis des Landgerichts muss er jedoch spätestens mit der Berufungsbegründung vortragen, was er bei erteiltem Hinweis vorgetragen hätte. Fehlt es daran, beruht das Urteil auf einer etwaigen Verletzung der Hinweispflicht (§ 139 ZPO) nicht.

    c) Aus dem Umstand, dass der Zähler nach seinem Ausbau nicht wieder eingebaut sondern durch einen anderen Zähler ersetzt worden ist, ist nicht auf einen Defekt zu schließen. Der Senat teilt die Annahme des Landgerichts, dass dem Austausch des Zählers betriebswirtschaftliche Erwägungen zu Grunde lagen. Es entspricht im Übrigen der Praxis, dass ein einmal zu Untersuchungszwecken geöffneter Stromzähler nicht wieder verwendet wird. Der Energieversorger ist zur Aufbewahrung des Zählers nicht verpflichtet.

    Die Beseitigung des Zählers durch den Energieversorger kann allenfalls dann eine im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigende Beweisvereitelung (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 286 Rdn. 14 a) sein, wenn außergewöhnliche, auch nach dem Vortrag des Kunden nicht näher erklärliche Verbrauchsabweichungen bestehen, die eine Untersuchung des Zählers durch einen Sachverständigen veranlasst hätten. Das kann aber nicht angenommen werden, wenn und solange es wie hier an einem konkreten Sachvortrag des Kunden zum Verbrauchsverhalten fehlt.

    3. Danach ist der Beklagte mit seinen Einwendungen nach § 17 Abs. 1 StromGVV ausgeschlossen. Damit ist er nicht rechtslos gestellt. Er ist auf einen eventuellen Rückforderungsanspruch nach § 18 StromGVV zu verweisen.

    4. Gegen die Annahme des Landgerichts, dass keine Verjährung eingetreten ist, wendet sich die Berufung nicht.

    Die Nebenforderungen sind aus §§ 286, 288 BGB begründet.

    III.

    Der Senat erwägt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat aus den oben genannten Gründen offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung ist nicht geboten. Der Klägerin wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 10. April 2015. Es wird zur Vermeidung weiterer Kosten angeregt, die Berufung zurückzunehmen. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 Kostenverzeichnis zum GKG).

    Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 11.188,29 € festzusetzen.

    RechtsgebietEnergieversorgungsvertragVorschriften§ 17 StromGVV