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  • 02.12.2014 · IWW-Abrufnummer 143336

    Amtsgericht Göttingen: Beschluss vom 21.10.2014 – 74 IK 208/14

    1. Eine Versagung der Restschuldbefreiung gem. § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO kann in den ab dem 01.07.2014 eröffneten Verfahren erfolgen, auch wenn noch kein Schlusstermin bzw. eine Schlussanhörung im schriftlichen Verfahren oder die Einstellung des Insolvenzverfahrens nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit erfolgt ist.
    2. Dies folgt aus einer teleologischen Reduktion des § 290 Abs. 2 Satz 2 InsO.


    Amtsgericht Göttingen 21.10.2014
    Insolvenzgericht
    Geschäfts-Nr.: 74 IK 208/14 (rechtskräftig)

    B e s c h l u s s

    In dem Restschuldbefreiungsverfahren
    über das Vermögen des

    Die beantragte Restschulbefreiung wird versagt.

    Gründe

    I. Aufgrund Eigenantrages des Schuldners vom 15./16. Juli 2014 ist über dessen Vermögen unter Bewilligung von Stundung am 21.7.2014 das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet worden. Beigefügt waren im Antrag u. a. Gehaltsabrechnungen für die Monate Mai und Juni 2014. Mit Schreiben vom 11.8.2014 teilte der Insolvenzverwalter mit, dass der Schuldner trotz mehrerer Aufforderungen weder den Mietvertrag, den unterschriebenen Belehrungsbogen noch den aktuellen Entgeltnachweis vorgelegt hatte. Nach vorheriger Aufforderung zur Vorlage der Unterlagen unter Fristsetzung hob die Rechtspflegerin mit – rechtskräftigen – Beschluss vom 4.9.2014 die im Beschluss vom 21.7.2014 bewilligte Stundung gem. § 4c Nr. 1, 2. Halbsatz InsO auf.

    Mit Schreiben vom 17.09/22.9.2014 beantragte die Gläubigerin laufende Nr. 4 die Versagung der Restschuldbefreiung gem. § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO unter Hinweis auf den Beschluss vom 04.09.2014. Die Gläubigerin hat ihre Forderung am 22./27.08. 2014 zur Tabelle angemeldet. Die Forderung ist zur Tabelle in voller Höhe festgestellt worden. Der Schuldner hat keine Stellung genommen.

    II. Der Antrag ist zulässig und begründet. Die Gläubigerin ist zur Antragstellung berechtigt und hat einen zulässigen Versagungsantrag gestellt (1.). Der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO liegt vor (2.). Obwohl noch kein Schlusstermin (im schriftlichen Verfahren) anberaumt worden ist, kann über den Versagungsantrag entschieden werden (3.).

    1. Die Gläubigerin hat ihre Forderung zur Tabelle angemeldet, die Forderung ist zur Tabelle festgestellt worden. Damit ist die Gläubigerin Insolvenzgläubigerin im Sinne des § 290 Abs. 1 InsO und zur Antragstellung berechtigt. Sie hat zulässigerweise durch Bezugnahme auf den die Stundung aufhebenden Beschluss vom 4.9.2014 wegen Nichtvorlage einer vom Gericht verlangten Erklärung den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO glaubhaft gemacht.

    2. Der Schuldner hat zumindest grob fahrlässig gegen die ihm obliegenden Mitwirkungs- und Auskunftspflichten verstoßen. Ein Insolvenzverwalter ist u. a. nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens berechtigt, vom Schuldner die Vorlage eines aktuellen Einkommensnachweises sowie des Mietvertrages zu verlangen. Ein Schuldner, der dem auch nach Aufforderung durch das Insolvenzgericht im Rahmen der Anhörung zur Aufhebung der Stundung gem. § 4 c InsO nicht nachkommt, verletzt die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße.

    3. Das Insolvenzgericht ist zumindest berechtigt, bereits zum jetzigen Zeitpunkt über den Versagungsantrag zu entscheiden, auch wenn noch kein (schriftlicher) Schlusstermins anberaumt worden ist.

    a) Durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte soll die Stellung der Insolvenzgläubiger u. a. dadurch gestärkt werden, dass sie schriftlich und jederzeit auch schon vor Anberaumung eines Schlusstermins oder Aufforderung zur Geltendmachung von Versagungsgründen gem. § 290 InsO Versagungsanträge stellen können. Unterschiedlich wird allerdings die Frage beantwortet, wann das Insolvenzgericht über Versagungsanträge entscheiden kann, wobei teilweise nach verschiedenen Fallgruppen differenziert wird.

    In der Gesetzesbegründung wird folgendes ausgeführt (RegE v. 12.07.2012, S .45):

    „Nach § 290 Absatz 2 Satz 2 InsO-E hat das Insolvenzgericht nach dem Schlusstermin über alle Versagungsanträge zu entscheiden. Diese Regelung entspricht im Kern dem bisherigen § 289 Absatz 1 Satz 2 InsO. Da nach der Konzeption des Gesetzentwurfs die Insolvenzgläubiger bis zum Schlusstermin einen Versagungsantrag stellen können, wird im Interesse der Justizentlastung vorgesehen, dass das Gericht über alle Anträge erst nach diesem Termin zu entscheiden hat. Damit wird auch klargestellt, dass diese Sachbehandlung nicht als unangemessene Verfahrensdauer gemäß § 198 Absatz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) gewertet werden kann.“

    Fraglich ist, ob es sich um einen zwingenden Verfahrensablauf oder lediglich um dei Ermöglichung einer (vermeintlichen) Entlastung der Justiz handelt.
    b) Bereits im Gesetzgebungsverfahren wurde kritisiert, dass eine zeitlich herausgeschobene Entscheidung nicht sachgerecht ist. Der antragstellende Gläubiger muss unter Umständen einen längeren (ggf. jahrelangen) Zeitraum auf eine Entscheidung warten (Grote/Pape ZInsO 2012, 409, 416). Werden Anträge nicht gesammelt, sondern die Schuldner informiert, wird er einem genauso langen Schwebezustand ausgesetzt und reduziert eventuell seine Bemühungen, das Insolvenz- und Restschulbefreiungsverfahren erfolgreich abzuschließen (Ahrens, Das neue Privatinsolvenzrecht Rz. 892). Bei Insolvenzverwalter können mehrere Stellungnahmen anfallen, beim Insolvenzgericht eine Vielzahl von Nachfragen (Frind ZInsO 2012, 668, 671).

    c) Dies hat zu der pragmatischen Ansicht geführt, unzulässige und unbegründete Versagungsanträge könnten umgehend verworfen bzw. abgewiesen werden.

    (Frind NZI 2013, 729, 731 f.; Laroche/Siebert NZI 2014, 541, 543; Schmerbach/Semmelbeck NZI 2014, 547, 550). Bei unzulässigen Anträgen entspricht dies der bisherigen Praxis. Allerdings hat der Gläubiger dann eine Nachbesserungsmöglichkeit, wobei zu bedenken ist, dass eine Hinweispflicht des Gerichtes bestehen kann, § 4 InsO i.V.m. § 139 ZPO.

    d) Für den Fall eines begründeten Versagungsantrages wird allerdings unter Hinweis auf den Wortlaut des § 290 Abs. 2 Satz 2 InsO einhellig gefordert, dass eine Versagungsentscheidung erst nach dem Schlusstermin bzw. der Schlussanhörung im schriftlichen Verfahren oder der Einstellung des Insolvenzverfahrens nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit ergeht, eingehende Anträge sind vom Insolvenzgericht zu sammeln (AGR/Fischer § 290 n. F. Rn. 10; Andres/Leithaus/Andres § 290 Rn. 5; Graf-Schlicker/Kexel § 290 Rn. 31; HK-InsO/Waltenberger § 290 n. F. Rn. 31; Kübler/Prütting/Bork/Wenzel § 290 Rn. 24; MünchKomm-InsO/Stephan § 290 (neu) Rn. 76; Schmerbach Insbüro 2013, 471, 473 f.; Ahrens ZVI 2014, 227, 231 f.; Heicke VIA 2014, 49, 51; Scholz-Schulze/Graeber ZInsO 2014, 587, 590; Ahrens Das neue Privatinsolvenzrecht, Rz. 895; zweifelnd aber Frind Praxishandbuch Privatinsolvenz, Rz. 898).

    Zu beachten ist, dass eine Sperrfristen gem. § 287a Abs. 2 InsO für einen Wiederholungsantrag erst mit der (Rechtskraft der) Entscheidung zu laufen beginnt (Schmerbach Insbüro 2013, 471, 474; Henning ZVI 2014, 7, 12). In den Fällen des § 287a Abs. 2 Nr. 2 InsO können so zwischen Antragstellung und Entscheidung bereits mehr als drei Jahre vergangen sein (Schmerbach/Semmelbeck NZI 2014, 547, 550).

    e) Aus praktischer Sicht bestehen gegen eine umgehende Entscheidung keine Einwände (a. A. Ahrens Rz. 893 f.), wenn über einen zulässigen und begründeten Versagungsantrag das Insolvenzgericht sofort nach vorheriger Anhörung des Schuldners (und des Insolvenzverwalters) entscheidet.

    f) Auch systematische Gründe sprechen nicht gegen eine vorgezogene Entscheidung (a. A. Ahrens Rz. 895). § 290 Abs. 2 Satz 2 InsO ist nicht als bewusste Abkehr von § 300 Abs. 1 ZPO zu verstehen, sondern dient der Justizentlastung. In Stundungsverfahren ist aber kein Grund ersichtlich, das nur der Erlangung der Restschuldbefreiung dienende Verfahren nicht zeitnah zu beenden, wenn der Schuldner die Restschuldbefreiung nicht erhalten kann (ähnlich Frind Praxishandbuch Privatinsolvenz, Rz. 898).

    4. Nach Rechtskraft der Entscheidung wird die Eintragung im Schuldnerverzeichnis gem. § 303a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO veranlasst werden und die Rechtspflegerin gem. § 207 InsO verfahren.

    Rechtsmittelbelehrung
    Diese Entscheidung kann durch den Antragsgegner mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden. Sie ist innerhalb einer Notfrist von 2 Wochen bei dem AG Göttingen einzulegen. - Insolvenzgericht -, Berliner Straße 8 - Eingang Maschmühlenweg 11 - Postanschrift: Postfach 1143, 37070 Göttingen..
    Die Frist beginnt mit der Zustellung bzw. mit der Verkündung der Entscheidung. Soweit die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgt ist, beginnt sie, sobald nach dem Tage der Veröffentlichung zwei weitere Tage verstrichen sind. Erfolgt die öffentliche Bekanntmachung neben der Zustellung ist für den Beginn der Frist das frühere Ereignis maßgebend.
    Die Beschwerde kann durch Einreichung einer Beschwerdeschrift bei dem AG Göttingen eingelegt oder auch zu Protokoll der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts erklärt werden, wobei es für die Einhaltung der Frist auf den Eingang bei dem AG Göttingen ankommt. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Soll die Entscheidung nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.
    Die Beschwerde soll begründet werden

    RechtsgebietRestschuldbefreiungVorschriften§ 290 InsO