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  • 06.11.2014 · IWW-Abrufnummer 143197

    Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Urteil vom 04.06.2014 – 9 U 148/13

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    9 U 148/13
    4 O 74/13 Landgericht Kiel
    verkündet am: 4. Juni 2014

    Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht

    Urteil

    Im Namen des Volkes

    In dem Rechtsstreit

    hat der 9. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 21. Mai 2014 für Recht erkannt:

    Auf die Berufung des Klägers wird das am 4. Dezember 2013 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kiel unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 60.543,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p. a. über dem Basiszinssatz seit dem 16. April 2009 zu zahlen.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen der Kläger 44 % und die Beklagte 56 %. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 47 % und die Beklagte 53 %.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung der jeweils anderen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

    Gründe

    I.

    Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 16. April 2009 bei dem Amtsgericht Hamburg über das Vermögen des Ömer O. (nachfolgend: Schuldner) eröffneten Insolvenzverfahren. Dieser betrieb in H. ein Einzelhandelsgeschäft. Die Beklagte war seit Aufnahme der Lieferbeziehung am 3. April 2008 eine der Hauptlieferantinnen des Schuldners. In der Zeit vom 5. Juni 2008 bis zum 29. Oktober 2008 leistete der Schuldner an die Beklagte für erbrachte Warenlieferungen Zahlungen in Höhe von insgesamt 107.177,29 €. Auf Rückgewähr dieses Gesamtbetrages nimmt der Kläger die Beklagte aufgrund insolvenzrechtlicher Vorsatzanfechtung (§ 133 Abs. 1 InsO) in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage teilweise – in Höhe eines Betrages von 7.830,24 € - stattgegeben, und zwar betreffend die Zahlungen des Schuldners ab dem 29. September 2008. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass es für den Zeitraum vor dem 29. September 2008 jedenfalls an der Kenntnis der Beklagten von einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners fehle. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien, der in erster Instanz gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

    Der Kläger greift das Urteil an und verfolgt mit seiner Berufung den erstinstanzlich geltend gemachten Rückgewähranspruch in voller Höhe weiter. Sein Berufungsvorbringen ist der Berufungsbegründung vom 16. Dezember 2013 (Bl. 114 – 127 d. A.) zu entnehmen.

    Der Kläger beantragt,
    unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Kiel vom 4. Dezember 2013, 4 O 74/13, wird die Beklagte verurteilt, 107.177,29 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p. a. über dem Basiszinssatz seit

    - 05.06.2008 auf 12.241,06 €
    - 02.07.2008 auf 4.267,08 €
    - 09.07.2008 auf 6.475,94 €
    - 14.07.2008 auf 9.369,09 €
    - 18.07.2008 auf 454,39 €
    - 29.07.2008 auf 13.826,56 €
    - 04.08.2008 auf 1.315,27 €
    - 04.08.2008 auf 2.500,00 €
    - 07.08.2008 auf 307,85 €
    - 11.08.2008 auf 2.500,00 €
    - 13.08.2008 auf 5.902,88 €
    - 18.08.2008 auf 2.500,00 €
    - 20.08.2008 auf 4.040,97 €
    - 22.08.2008 auf 2.500,00 €
    - 02.09.2008 auf 5.486,60 €
    - 10.09.2008 auf 2.922,62 €
    - 15.09.2008 auf 10.005,25 €
    - 16.09.2008 auf 947,51 €
    - 18.09.2008 auf 2.165,48 €
    - 24.09.2008 auf 9.618,50 €
    - 29.09.2008 auf 2.500,00 €
    - 08.10.2008 auf 2.656,53 €
    - 13.10.2008 auf 2.500,00 €
    - 15.10.2008 auf 91,52 €
    - 29.10.2008 auf 82,19 €

    zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt,
    die Berufung zurückzuweisen.

    Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Ihr Berufungsvorbringen ergibt sich aus der Berufungserwiderung vom 2. April 2014 (Bl. 147 – 155 d. A.).

    II.

    Die Berufung des Klägers ist zulässig und hat teilweise Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagte gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO ein Anspruch auf Rückgewähr der in dem Zeitraum vom 4. August 2008 bis zum 29. Oktober 2008 geleisteten Zahlungen des Schuldners in Höhe von insgesamt 60.543,17 € zu. Soweit der mit der Klage geltend gemachte insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch von dem Kläger auf das Vorliegen der Voraussetzungen einer Anfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung nach § 133 Abs. 1 InsO gestützt wird, ist entgegen der Auffassung des Landgerichts auch für die Zahlungen des Schuldners in dem Zeitraum vom 4. August 2008 bis zum 24. September 2008 von einer Kenntnis der Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners auszugehen. Für die Zahlungen in dem Zeitraum vom 5. Juni 2008 bis zum 29. Juli 2008 gilt dies jedoch (noch) nicht. Insoweit ist die Klage abzuweisen.

    1.
    Nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, welche der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.

    a)
    Von einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auszugehen, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 InsO) die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Folge seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge - sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils - erkannt und gebilligt hat. Hierbei handelt ein Schuldner, der seine Zahlungsunfähigkeit kennt, in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz. In diesem Fall weiß der Schuldner, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen (std. Rspr., vgl. u.a. BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 – IX ZR 169/02 -, NJW 2003, 3347; Urteil vom 13. Mai 2004 – IX ZR 190/03 -, ZInsO 2004, 859; Urteil vom 13. April 2006 – IX ZR 158/05 -, NJW 2006, 2701; Urteil vom 18. Dezember 2008 – IX ZR 79/07 -, ZInsO 2009, 518; Urteil vom 29. September 2011 – IX ZR 202/10 -, WM 2012, 85). Dies gilt auch dann, wenn es sich um eine kongruente Leistung handelt, obschon in diesem Falle erhöhte Anforderungen an die Darlegung und den Beweis des Benachteiligungsvorsatzes zu stellen sind (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 2004 – IX ZR 190/03 -, aaO; Urteil vom 24. Mai 2007 – IX ZR 97/06 -, ZInso 2007, 819). Dass der Schuldner vorliegend zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Zahlungen an die Beklagte bereits zahlungsunfähig war, steht außer Zweifel. Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit beurteilt sich im gesamten Insolvenzrecht und darum auch im Insolvenzanfechtungsrecht nach § 17 InsO. Nach der Vermutungsregel in § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO ist Zahlungsunfähigkeit in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Zahlungseinstellung liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen und wenn dieser Zustand nach außen hin in Erscheinung tritt. Wenn im fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten vorlagen, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht bedient worden sind, so ist darin nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein deutliches Indiz der Zahlungseinstellung zu sehen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 2006 – IX ZR 228/03 -, ZIP 2006, 2222; Urteil vom 24. Januar 2012 – II ZR 119/10 -, ZIP 2012, 723). Der Kläger hat substantiiert dargelegt, dass zum Zeitpunkt der ersten streitgegenständlichen Zahlung an die Beklagte am 5. Juni 2008 bereits fällige Verbindlichkeiten des Schuldners in Höhe von 25.797,97 € bestanden, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 16. April 2009 nicht beglichen worden sind. Dass sich diese unbedienten Verbindlichkeiten im Wesentlichen aus Forderungen von Sozialversicherungsträgern und des Finanzamtes Hamburg zusammensetzen, stellt ein weiteres Indiz für eine Zahlungseinstellung durch den Schuldner dar (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 IX ZR 134/10 -, ZIP 2011, 1416). Infolge der vor diesem Hintergrund anzunehmenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners beruhen sämtliche angefochtenen – gläubigerbenachteiligenden - Zahlungen an die Beklagte auf einem (vermuteten) Benachteiligungsvorsatz des Schuldners.

    b)
    Soweit eine Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung der Gläubiger nach § 133 Abs. 1 InsO weiter voraussetzt, dass der Anfechtungsgegner zur Zeit der angefochtenen Handlung den Vorsatz des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen, kannte, ist der Senat – abweichend von der Würdigung des Landgerichts - der Ansicht, dass diese Kenntnis bei der Beklagten jedenfalls ab Anfang August 2008 vorhanden gewesen ist.

    Die Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners wird nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet, wenn der Anfechtungsgegner wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und die jeweilige Handlung die Gläubiger benachteiligte. Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können – weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt – regelmäßig nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Soweit dabei Rechtsbegriffe wie die Zahlungsunfähigkeit betroffen sind, muss deren Kenntnis außerdem oft aus der Kenntnis von Anknüpfungstatsachen erschlossen werden. Der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen (BGH, Urt. v. 24. Mai 2007 – IX ZR 97/06 -, zitiert nach juris Rn. 25; Urt. v. 20. November 2008 – IX ZR 188/07 -, zitiert nach juris Rn. 10 m.w.N.; Urt. v. 13. August 2009 – IX ZR 159/06 -, NZI 2009, 768 f.). Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Beurteilung die drohende Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt (BGH, Urt. v. 19. Februar 2009 – IX ZR 62/08 -, zitiert nach juris Rn. 13). Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass solche Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen (BGH, Urt v. 8. Oktober 2009 – IX ZR 173/07 -, zitiert nach juris Rn. 10). Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung hat der Tatrichter gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen. Kann der Insolvenzverwalter allerdings eine Kenntnis des Anfechtungsgegners von einer zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners beweisen, ist damit zugleich die Kenntnis des Anfechtungsgegners von einer Gläubigerbenachteiligung bewiesen, wenn er bei Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 InsO) um weitere ungedeckte Verbindlichkeiten des Schuldners wusste oder mit ihnen rechnete, wovon bei einem unternehmerisch tätigen Schuldner in der Regel auszugehen ist.

    Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Landgericht, worauf die Berufung zu Recht abstellt, bei seiner Entscheidung nicht hinreichend gewürdigt, dass Beweisanzeichen einer zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners vorlagen, von denen die Beklagte auch positive Kenntnis hatte und aus denen sie bei zutreffender rechtlicher Beurteilung jedenfalls ab Anfang August 2008 auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hätte schließen müssen.

    In diesem Zusammenhang kommt den im Zahlungsverkehr zwischen dem Schuldner und der Beklagten unstreitig mehrfach vorgekommenen Rücklastschriften eine entscheidende Bedeutung zu. Die Beklagte zog ihre Forderungen gegenüber dem Schuldner aus den erbrachten Warenlieferungen grundsätzlich im Wege des Lastschriftverfahrens ein. Beginnend mit dem 3. Juni 2008 und endend am 28. Oktober 2008 kam es zu insgesamt 19 Rücklastschriften, und zwar im Monat Juni 2008 bei drei Lastschrifteinzügen, im Monat Juli 2008 bei fünf Lastschriften, im Monat August 2008 drei Mal sowie in den Monaten September und Oktober 2008 jeweils vier Mal (Aufstellung Seite 10 der Klageschrift, Bl. 11 d. A.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes stellt die Rückgabe von Lastschriften ein erhebliches Beweisanzeichen für eine drohende Zahlungsunfähigkeit dar (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juli 2010 – IX ZR 70/08 -, zitiert nach juris Rn. 10). Gehäufte Lastschriftrückgaben bildeten ein eindeutiges Alarmanzeichen für eine Zahlungseinstellung, dem sich ein redlicher Gläubiger nicht verschließen könne (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 – IX ZR 3/12 – zitiert nach juris Rn. 44). Die Anzahl der im Zahlungsverkehr zwischen der Beklagten und dem Schuldner ab dem Monat Juni 2008 vorgekommenen Rücklastschriften ist beachtlich. Da einzelne Lastschriften, insbesondere in den Monaten Juni und Juli 2008, nach Rückgabe mit einem zeitlichen Versatz von einem Tag bzw. maximal nach drei Tagen indes (wieder) eingelöst werden konnten, musste die Beklagte allein aus dem Umstand, dass es vermehrt zu Rücklastschriften auf dem Geschäftskonto des Schuldners gekommen war, noch nicht zwingend die Schlussfolgerung ziehen, dass der Schuldner massive wirtschaftliche Schwierigkeiten hatte, sondern durfte zu diesem Zeitpunkt noch annehmen, dass es sich dabei möglicherweise um einen zu überbrückenden Zahlungsengpass auf dem Geschäftskonto des Schuldners handelte. Beginnend mit den Lastschriftrückgaben ab August 2008, bei denen der Ausgleich der ihnen zugrunde liegenden Forderungen der Beklagten teilweise erst nach mehr als drei Wochen erfolgte (Lastschriftrückgaben vom 7. August 2008 und 13. August 2008), stellt sich das Bild hingegen anders dar. In Anbetracht der Häufung der zu diesem Zeitpunkt bereits aufgetretenen Rücklastschriften und dem hinzukommenden Umstand, dass der Schuldner ab jetzt nicht mehr in der Lage war, unverzüglich für ausreichende Deckung auf seinem Geschäftskonto zu sorgen, musste sich der Beklagten der Verdacht aufdrängen, dass das ihr gegenüber erkennbare schleppende Zahlungsverhalten des Schuldners, dessen Geschäftskonto jeden Monat mehrfach eine Unterdeckung aufwies, die auch ein etwaiger Überziehungskredit nicht auffangen konnte, nicht mehr nur auf einen Zahlungsengpass, sondern vielmehr auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hinwies.

    Weiter hinzu kommt, dass sich in der Zeit der streitgegenständlichen Zahlungen an die Beklagte beginnend ab August 2008 fortlaufend weitere Verbindlichkeiten des Schuldners bei der Beklagten aufbauten. In der Zeit vom 13. August 2008 bis zum 2. September 2008 entstanden aus einzelnen Warenlieferungen rückständige Forderungen der Beklagten gegenüber dem Schuldner in Höhe von insgesamt 57.264,40 €, die der Schuldner bis zur Insolvenzeröffnung nicht mehr vollständig ausgeglichen hat (Aufstellung Tabelle Seite 7 und 8 der Klageschrift, Bl. 8 f. d. A.). Werden Verbindlichkeiten des Schuldners bei dem späteren Anfechtungsgegner über einen längeren Zeitraum hinweg in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen und ist diesem den Umständen nach bewusst, dass es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gibt, begründet dies ebenfalls ein Beweisanzeichen im Sinne eines Erfahrungssatzes (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2007, aaO. Rn. 24 m.w.N.; Urteil vom 13. August 2009, aaO.). Soweit es um die Kenntnis des Gläubigers von einer zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners geht, muss darauf abgestellt werden, ob sich die schleppende, möglicherweise erst unter dem Druck einer angedrohten Zwangsvollstreckung erfolgende oder auch ganz ausbleibende Tilgung der Forderung des Gläubigers bei einer Gesamtbetrachtung der ihm bekannten Umstände, insbesondere der Art der Forderung, der Person des Schuldners und des Zuschnitts seines Geschäftsbetriebes als ausreichendes Indiz für eine solche Kenntnis darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 13. August 2009, aaO.). Bei der Beklagten handelte es sich um eine, wenn nicht gar um die Hauptlieferantin des Schuldners. Dieser war zur Aufrechterhaltung seines Geschäftsbetriebes daher dringend auf die Fortsetzung der Belieferung durch die Beklagte angewiesen. Wenn er gleichwohl – trotz fortlaufender Bezahlung einzelner Rechnungsbeträge – erhebliche Rückstände bei der Beklagten entstehen ließ und insofern mit der jederzeitigen Einstellung der Warenlieferungen rechnen musste, deutete dies für die Beklagte erkennbar ebenfalls auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit hin.

    Beide Beweisanzeichen reichen nach Ansicht des Senats aus, um von einer Kenntnis der Beklagten von einer zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners beginnend ab Anfang August 2008, mithin zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Zahlungen ab dem 4. August 2008 auszugehen. Was es mit den erbrachten Teilzahlungen des Schuldners in Höhe von jeweils 2.500,00 €, geleistet am 4. August 2008, 11. August 2008, 18. August 2008, 22. August 2008, 29. September 2008 und 13. Oktober 2008, auf sich hat, ob diesen Zahlungen eine Ratenzahlungsvereinbarung zugrunde liegt oder ob es sich um Kennzeichen eines sog. Strategischen Zahlens handelt, kann dahingestellt bleiben. Sollte jedoch keine Ratenzahlungsvereinbarung zwischen der Beklagten und dem Schuldner getroffen worden sein, wie von der Beklagten behauptet, so deuteten auch die von dem Schuldner frei festgelegten Teilzahlungen im Zusammenwirken mit den geplatzten Lastschriften und den sich fortlaufend ab August 2008 aufbauenden Rückständen für die Beklagte erkennbar darauf hin, dass der Schuldner nur noch so viel an sie zahlte, wie er zur Aufrechterhaltung seines Geschäftsbetriebes meinte, an sie zahlen zu können.

    Da der Schuldner ein Einzelhandelsgeschäft betrieb, musste die Beklagte auch darum wissen bzw. davon ausgehen, dass außer ihr weitere Gläubiger vorhanden waren. Mit ihrer Kenntnis von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hatte sie mithin auch Kenntnis von einer durch die Zahlungen an sie verwirklichten Gläubigerbenachteiligung.

    Über die vom Landgericht bereits zuerkannten 7.830,24 € hinaus (Zahlungen in dem Zeitraum vom 29. September 2008 bis zum 29. Oktober 2008) kann der Kläger daher von der Beklagten die Rückerstattung weiterer anfechtbar erlangter 52.712,93 € (Zahlungen in dem Zeitraum vom 4. August 2008 bis zum 24. September 2008) verlangen.

    2.

    Der Kläger hat gemäß § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO i. V. m. den §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 291 Satz 1, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB Anspruch auf Verzinsung des von der Beklagten anfechtbar erworbenen Gesamtbetrages in Höhe von 60.543,17 € ab dem Tag der Insolvenzeröffnung bis zum Zahlungszeitpunkt. Ein darüber hinausgehender Zinsanspruch besteht nicht.

    3.

    Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    RechtsgebietInsolvenzanfechtungVorschriften§ 133 InsO