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  • 21.03.2014 · IWW-Abrufnummer 141268

    Bundesgerichtshof: Beschluss vom 13.02.2014 – IX ZB 91/12

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den Richter Vill, die Richterin Lohmann, den Richter Dr. Pape und die Richterin Möhring

    am 13. Februar 2014 beschlossen:

    Tenor:

    Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Ingolstadt vom 27. Juni 2012 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

    Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.114,01 € festgesetzt.

    Gründe

    I.

    1

    Am 15. März 2012 wurde das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und der weitere Beteiligte (fortan: Treuhänder) zum Treuhänder bestellt. Der Schuldner ist abhängig beschäftigt und verdient monatlich etwa 1.100 € (netto). Er hat ein Kind, mit dessen Mutter er zusammenlebt. Sein monatliches Einkommen wird auf sein Girokonto bei der S. überwiesen. Am 30. März 2012 beantragte er bei der S. die Umwandlung seines Kontos in ein Pfändungsschutzkonto. Die S. stellte sich auf den Standpunkt, der Treuhänder müsse der Umwandlung zustimmen. Am 27. April 2012 überwies sie das Kontoguthaben von 1.114,01 € an den Treuhänder. Seit dem 30. April 2012 wird das Konto als Pfändungsschutzkonto geführt.

    2

    Am 9. Mai 2012 hat der Schuldner beim Insolvenzgericht die Freigabe des im April 2012 zur Masse gezogenen, seiner Ansicht nach unpfändbaren Guthabens beantragt. Der Treuhänder hat dem Antrag widersprochen. Er hat die Ansicht vertreten, der Girovertrag zwischen dem Schuldner und der S. sei mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß §§ 115, 116 InsO beendet worden. Das Konto habe deshalb nicht nach § 850k Abs. 7 ZPO in ein Pfändungsschutzkonto umgewandelt werden können. Das Konto, das seit dem 4. Mai 2012 als Pfändungsschutzkonto geführt werde, sei als ein neu eröffnetes Konto anzusehen. Er, der Treuhänder, habe dem Schuldner zur Deckung der Lebenshaltungskosten darlehensweise einen Betrag von 1.000 € zur Verfügung gestellt.

    3

    Am 13. Juni 2012 hat das Insolvenzgericht folgenden Beschluss gefasst:

    "Dem Schuldner wird das vom Treuhänder zur Masse eingezogene Guthaben vom Girokonto des Schuldners bei der S. in Höhe eines Betrages von Euro 1.114,01 aus der Insolvenzmasse freigegeben gemäß § 4 InsO i.V.m. § 765a ZPO."

    4

    Die sofortige Beschwerde des Treuhänders ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Beschwerdegericht Einzelrichter zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Treuhänder den Antrag auf Abweisung des Freigabeantrags des Schuldners weiter.

    II.

    5

    1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, §§ 724, 573, 567 Abs. 1 ZPO, § 4 InsO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht. Der Beschluss des Beschwerdegerichts kann schon aus verfahrensrechtlichen Gründen keinen Bestand haben. Misst der Einzelrichter einer Rechtssache grundsätzliche Bedeutung bei, hat er sie nach § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung zu übertragen. Entscheidet er selbst und bejaht er mit der Zulassungsentscheidung zugleich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, ist seine Entscheidung objektiv willkürlich und verstößt gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (BGH, Beschluss vom 7. Mai 2013 - IX ZB 51/12, WM 2013, 1516 Rn. 5 mwN). Die Entscheidung unterliegt der Aufhebung und Zurückverweisung (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).

    6

    2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgende rechtliche Gesichtspunkte hin:

    7

    a) Der Einzelrichter hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil eine höchstrichterliche Entscheidung zum Problem der Umwandlungsmöglichkeit eines Girokontos in ein Pfändungsschutzkonto gemäß § 850k Abs. 1 Satz 3 ZPO im Insolvenzverfahren trotz §§ 115, 116 InsO noch nicht ergangen sei. Die Entscheidung der Rechtssache hängt jedoch nicht von der Beantwortung von Rechtsfragen ab, die sich im Zusammenhang mit der Umwandlung des Kontos in ein Pfändungsschutzkonto stellen könnten. Für den auf eine wirksame oder mit Rückwirkung zu fingierende Umwandlung des Kontos in ein Pfändungsschutzkonto gestützten Antrag, den Treuhänder zur Rücküberweisung des an ihn ausgekehrten Guthabens zu veranlassen, ist das Insolvenzgericht nicht zuständig.

    8

    aa) Nach § 36 Abs. 4 InsO ist das Insolvenzgericht für Entscheidungen darüber zuständig, ob ein Gegenstand nach den in § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO in Bezug genommenen Vorschriften der Zivilprozessordnung, darunter diejenige des § 850k ZPO, zur Insolvenzmasse gehört. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens tritt das Insolvenzgericht an die Stelle des Vollstreckungsgerichts. Es trifft diejenigen Entscheidungen, für die außerhalb des Insolvenzverfahrens das Vollstreckungsgericht zuständig ist. Voraussetzung einer Entscheidung nach § 36 Abs. 4 InsO ist deshalb, dass die in Bezug genommene Vorschrift der Zivilprozessordnung überhaupt eine Maßnahme oder Entscheidung des Vollstreckungsgerichts vorsieht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2012 - IX ZB 7/12, ZVI 2013, 64 Rn. 5 mwN).

    9

    bb) Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Die Umwandlung eines Girokontos in ein Pfändungsschutzkonto wird gemäß § 850k Abs. 7 ZPO zwischen dem Kunden und dem Kreditinstitut vereinbart. Das Vollstreckungsgericht ist daran nicht beteiligt. Für ein Tätigwerden des Insolvenzgerichts gibt es deshalb keine gesetzliche Grundlage. Insbesondere ist das Insolvenzgericht nicht befugt, die Rechtswirksamkeit einer vereinbarten Umwandlung einschließlich des Zeitpunktes ihres Wirksamwerdens (vgl. § 850k Abs. 1 Satz 4 ZPO) für die Verfahrensbeteiligten bindend festzustellen. Die Auszahlung des Guthabens an den Treuhänder beruhte ebenfalls nicht auf einer Maßnahme oder einem Beschluss des Insolvenzgerichts. Auch sie kann deshalb nicht Gegenstand eines Verfahrens nach § 36 InsO sein.

    10

    cc) Ob der Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen noch die Umwandlung des Kontos in ein Pfändungsschutzkonto beanspruchen konnte (vgl. hierzu etwa LG Verden, ZIP 2013, 1954, 1955 [LG Verden 19.09.2013 - 4 S 3/13]; AG Verden, ZVI 2013, 196, 197; Ahrens in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 2. Aufl., § 36 Rn. 76; Günther, ZInsO 2013, 859, 861 f; Sudergat, ZVI 2013, 169, 170 ff), wäre im Wege der Klage gegen die S. zu klären gewesen, notfalls unter Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes (§ 935 ZPO). Die Rückzahlung des an den Treuhänder ausgekehrten Guthabens unter Berufung auf § 850k ZPO kann der Schuldner allenfalls im Wege einer (Zahlungs-)Klage gegen den Treuhänder erreichen.

    11

    b) Die Vorschrift des § 765a ZPO ist im Insolvenzverfahren entsprechend anwendbar (BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2008- IX ZB 77/08, NZI 2009, 48 Rn. 14 ff). Zuständig für die Entscheidung über einen Vollstreckungsschutzantrag ist das Insolvenzgericht (BGH, Beschluss vom 15. November 2007 - IX ZB 34/06, NZI 2008, 93 Rn. 10; zu den Voraussetzungen einer Anordnung nach § 765a ZPO vgl. etwa BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2010 - IX ZB 120/10, WM 2011, 134 Rn. 9). Eine mit den guten Sitten nicht zu vereinbarende ganz besondere Härte könnte darin liegen, dass das Kontoguthaben am Tag nach dem Eingang des Arbeitslohns auf dem Konto an den Treuhänder ausgezahlt worden ist, so dass dem Schuldner möglicherweise keinerlei Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts verblieben sind.

    Kayser
    Vill
    Lohmann
    Pape
    Möhring

    RechtsgebietUmwandlungVorschriften§§ 115, 116 InsO, § 850k Abs. 7 ZPO, § 4 InsO, § 765a ZPO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, §§ 724, 573, 567 Abs. 1 ZPO, § 4 InsO