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  • 08.04.2014 · IWW-Abrufnummer 141082

    Bundesgerichtshof: Beschluss vom 20.03.2014 – IX ZB 17/13

    Nimmt der Schuldner in der Wohlverhaltensperiode den Antrag auf Restschuldbefreiung zurück, nachdem er neue Schulden (hier: in Höhe von etwa 1.000.000 €) begründet hat, ist ein am folgenden Tag zur Durchführung eines neuen Insolvenzverfahrens gestellter Antrag auf Kostenstundung und Restschuldbefreiung unzulässig.


    Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den Richter Vill, die Richterin Lohmann, die Richter Dr. Fischer und Dr. Pape

    am 20. März 2014 beschlossen:

    Tenor:

    Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Traunstein vom 20. Februar 2013 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.

    Der Wert des Verfahrens der Rechtsbeschwerde wird auf 5.000 € festgesetzt.

    Gründe

    I.

    1

    Der Schuldner ist Facharzt für Dermatologie in eigener Praxis. Am 15. Mai 2000 wurde ein Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet. Er beantragte Restschuldbefreiung. Mit Beschluss vom 25. Juli 2006 wurde die Restschuldbefreiung angekündigt. Am 7. September 2010 nahm der Schuldner den Antrag auf Restschuldbefreiung zurück.

    2

    Am 8. September 2010 beantragte der Schuldner erneut die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen sowie Restschuldbefreiung und Stundung der Verfahrenskosten. Er hatte Verbindlichkeiten von etwa 7.660.000 €, wovon ein Betrag von 6.750.000 € aus der Zeit vor Eröffnung des ersten Insolvenzverfahrens stammten. Das Verfahren wurde am 13. Oktober 2010 eröffnet und der weitere Beteiligte zum Insolvenzverwalter bestimmt. Der weitere Beteiligte berichtete an das Insolvenzgericht, dass der Schuldner monatliche Umsätze von etwa 16.000 € bei Kosten von etwa 8.100 € erziele und zusätzlich eine Rente des Versorgungswerks von 1.407 € beziehe. Er gab die selbständige Tätigkeit des Schuldners frei, weil sämtliche Honorarforderungen unanfechtbar an zwei Darlehensgläubiger abgetreten worden seien. Der Schuldner führt monatlich 1.964,05 € an die Masse ab. Im Schlusstermin am 12. Juli 2012 beantragte eine Gläubigerin die Versagung der Restschuldbefreiung.

    3

    Mit Beschluss vom 12. November 2012 hat das Insolvenzgericht die Anträge des Schuldners auf Restschuldbefreiung und Stundung der Verfahrenskosten sowie den Versagungsantrag der Gläubigerin als unzulässig verworfen. Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde will der Schuldner die Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen, soweit sie nicht den Versagungsantrag betreffen, die Stundung der Verfahrenskosten sowie die Ankündigung der Restschuldbefreiung erreichen.

    II.

    4

    Die Rechtsbeschwerde ist nach § 4d Abs. 1, §§ 6, 289 Abs. 2 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie bleibt jedoch ohne Erfolg.

    5

    1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Der Antrag auf Restschuldbefreiung sei unzulässig, weil er vor Ablauf von drei Jahren seit der Rücknahme des Restschuldbefreiungsantrags im ersten Insolvenzverfahren gestellt worden sei. Dem Schuldner könne zwar nicht vorgeworfen werden, den ersten Antrag zurückgenommen zu haben, um die Bescheidung eines Versagungsantrags zu verhindern. Nach Aktenlage sei der im ersten Verfahren gestellte Versagungsantrag dem Schuldner nicht zugestellt und alsbald zurückgenommen worden. Hierauf komme es jedoch nicht an. Sinn der Sperrfrist sei zu verhindern, dass innerhalb kurzer Zeit mehrere aufwendige und kostenintensive Verfahren durchgeführt werden müssten. Hier habe der Schuldner den ersten Antrag auf Restschuldbefreiung wohl vor allem deshalb zurückgenommen, weil er nach der Eröffnung des ersten Insolvenzverfahrens neue Schulden von etwa 1.000.000 € begründet habe. Nachdem der Antrag auf Restschuldbefreiung unzulässig sei, komme auch eine Stundung der Verfahrenskosten nicht in Betracht.

    6

    2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

    7

    a) Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat das Insolvenzgericht keine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags auf Restschuldbefreiung getroffen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Mai 2011 - IX ZB 221/09, NZI 2011, 544 Rn. 5). Über die Zulässigkeit dieses Antrags hat das Insolvenzgericht von Amts wegen zu befinden. Es geht nicht um die Bescheidung des bereits rechtskräftig abgewiesenen Versagungsantrags. Dieser ist nicht Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens.

    8

    b) Nimmt der Schuldner seinen Antrag auf Restschuldbefreiung zurück, ist nach derzeitiger Rechtslage ein neuer Antrag erst nach Ablauf einer Sperrfrist von drei Jahren zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Mai 2011 - IX ZB 221/09, NZI 2011, 544 Rn. 7; vom 6. Oktober 2011 - IX ZB 114/11, NZI 2011, 948 Rn. 2 f). Es steht nicht im Belieben des Schuldners, neue Verfahren einzuleiten, um die an zeitliche Fristen geknüpften Versagungstatbestände des § 290 Abs. 1 Nrn. 2 bis 4 InsO zu umgehen und durch eine Anpassung der tatsächlichen Grundlagen nachträglich eine Restschuldbefreiung zu erreichen. Die Sperrfrist von drei Jahren beginnt in einem solchen Fall mit der Rücknahme des Antrags auf Restschuldbefreiung (BGH, Beschluss vom 12. Mai 2011, aaO Rn. 7).

    9

    c) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde kommt es nicht darauf an, dass der Versagungsantrag im ersten Insolvenzverfahren zurückgenommen worden ist, die Rücknahme des ersten Restschuldbefreiungsantrags also nicht der Vermeidung einer Entscheidung über den Versagungsantrag diente. Das Verhalten des Schuldners steht im klaren Widerspruch zum Anliegen des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO, nach welchem die Restschuldbefreiung zu versagen ist, wenn der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag Restschuldbefreiung erteilt oder nach § 296 oder § 297 InsO versagt worden ist. Der Zweck dieses Versagungsgrundes liegt darin, einen Missbrauch des Insolvenzverfahrens als Mittel zur wiederholten Reduzierung der Schuldenlast zu verhindern. Die Restschuldbefreiung soll als Hilfe für unverschuldet in Not geratene Personen dienen, nicht als Zuflucht für diejenigen, die bewusst finanzielle Risiken auf andere abwälzen wollen (BT-Drucks. 12/2443 S. 190). So liegt der Fall hier.

    10

    d) Ist der Antrag auf Restschuldbefreiung unzulässig, kommt auch eine Stundung der Verfahrenskosten nicht in Betracht.

    11

    e) § 287a InsO in der Fassung des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15. Juli 2013 (BGBl. I S. 2379) regelt ausdrücklich mehrere Fälle, in denen ein erneuter Antrag auf Restschuldbefreiung unzulässig ist. Die hier bestimmten Fristen von zehn Jahren (§ 287a Abs. 2 Nr. 1) und drei Jahren (§ 287a Abs. 2 Nr. 2) beginnen jeweils mit der Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Versagungsantrag; der Fall der Antragsrücknahme ist nicht erfasst. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs sollen die in § 287a InsO zusammengefassten Regelungen abschließend sein. Es werden mehrere Fallgestaltungen genannt, die der Regierungsentwurf bewusst anders entscheidet als bisher der Senat. Die Senatsrechtsprechung zur Sperrwirkung des zurückgenommenen Antrags wird nicht behandelt. Sie wird zu gegebener Zeit, nach Inkrafttreten der Vorschrift des § 287a InsO am 1. Juli 2014, zu überprüfen sein (vgl. hierzu etwa Heicke, NZI 2012, 873, 875; Schädlich, NZI 2013, 848, 849). Im vorliegenden Fall ist § 287a InsO nicht anwendbar. Eine "Vorwirkung" dieser Regelung hat der Senat bereits abgelehnt (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Mai 2013 - IX ZB 51/12, NZI 2013, 846 Rn. 15).

    Kayser

    Vill
    Lohmann

    Fischer

    Pape

    Vorschriften§ 4d Abs. 1, §§ 6, 289 Abs. 2 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO, § 290 Abs. 1 Nrn. 2 bis 4 InsO, § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO, § 296, § 297 InsO, § 287a InsO, § 287a InsO