18.12.2012 · IWW-Abrufnummer 123862
Bundesgerichtshof: Urteil vom 20.11.2012 – VI ZR 268/11
Zur Haftung des Geschäftsführers einer als Emissionshaus tätigen GmbH wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung von Kapitalanlegern durch Abgabe eines Garantieversprechens.
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 2012 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Zoll, die Richterin Diederichsen, den Richter Pauge und die Richterin von Pentz für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der 57. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 25. August 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu seinem Nachteil entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
1
Der Kläger hat die Beklagten auf Schadensersatz wegen einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage mit separatem Garantieversprechen in Anspruch genommen.
2
Der Beklagte zu 1 (im Folgenden: Beklagter) war Geschäftsführer der S-GmbH, einer Rechtsnachfolgerin der C-GmbH, die als Wertpapierhandelsbank und Emissionshaus tätig gewesen war. Der Beklagte war bereits für diese Gesellschaft als Geschäftsführer tätig gewesen.
3
Die am Revisionsverfahren nicht beteiligte Beklagte zu 2 vermittelte dem Kläger einen von ihm am 21. Juli 2000 unterschriebenen Antrag auf Abschluss eines Wertpapiersparvertrages für vermögenswirksame Leistungen mit dem Bankhaus R., den die Bank am 16. August 2000 annahm. Dieser Vertrag sah die Ansparung von 144 Raten zu je 100 DM (51,13 €) monatlich, insgesamt mithin eine Ansparsumme von 14.400 DM vor.
4
In den zusätzlichen Vertragsbedingungen, auf die in dem Vertragsformular Bezug genommen wird, ist unter Ziffer 6 als "Garantieerklärung" folgende Regelung enthalten, die sich auf die C-GmbH, die Rechtsvorgängerin der S-GmbH, als Emissionshaus bezieht:
"Das Emissionshaus, von dem der Sparer D... -Aktien erwirbt, garantiert jedem vertragstreuen Sparer, dass er mit dem Erwerb dieser Aktien per Saldo keinen Verlust erleidet. Sollte der Börsenkurs der Aktien zum vereinbarten Vertragsende unter dem jeweiligen Ausgabekurs der Aktien zum Zeitpunkt des Erwerbs durch den Sparer liegen, so wird dem Sparer der Differenzbetrag erstattet. [...] Sie [Anm.: die Garantie] gilt nur für Verträge mit einer Einzahlungsdauer von mindestens 144 Monaten."
5
In dem anlässlich der Antragsunterzeichnung erstellten "Gesprächsnachweis Wertpapierkauf" bestätigte der Kläger mit seiner Unterschrift, dass er sich über den Inhalt der ihm ausgehändigten Unterlagen in dem für seine Anlageentscheidung erforderlichen Umfang informiert habe. Er bestätigte ferner durch seine Unterschrift, Kenntnisse bzw. Erfahrungen bei Vermögensanlagen mit Aktien/Aktienfonds zu haben, und beschrieb seine Risikobereitschaft als "mittel". Seine Anlageziele gab er wie folgt an: "Langfristige Anlage, Vermögensaufbau, Altersversorgung, Familie absichern."
6
Der Beklagte unterzeichnete als Geschäftsführer der S-GmbH einen Vertrag mit der D-AG, in welchem sich die S-GmbH u.a. verpflichtete, für die von ihr entwickelten Wertpapiersparprogramme Garantien des Anlagekapitals gegenüber den Aktiensparern abzugeben.
7
Die S-GmbH bildete wie schon ihre Rechtsvorgängerin Rückstellungen. Diese betrugen im Jahr 2000 etwa 380.000 € und lagen in den Jahren 2004 und 2005 bei etwa einer Million Euro.
8
Das Eigenkapital der S-GmbH bzw. ihrer Rechtsvorgängerin betrug in den Jahren 1999 und 2000 etwa zweieinhalb Millionen Euro und in den Jahren 2001 bis 2005 zwischen vier und fünf Millionen Euro. Das aus den mit Garantien ausgestatteten Wertpapiersparverträgen resultierende Veräußerungsvolumen entwickelte sich von etwa achteinhalb Millionen Euro im Jahr 1999 auf etwa vierzig Millionen Euro in den Jahren 2003 bis 2005.
9
Im Rahmen einer vom Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen in Auftrag gegebenen Prüfung nach § 44 Abs. 1 KWG bestätigte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in ihrem Bericht vom 13. November 2001, dass die Bemessung des Risikos aus den gegenüber Wertpapiersparern eingegangenen Kapitalgarantien für Aktien der D-AG sachgerecht erfolgt und die gebildete Rückstellung insgesamt angemessen sei.
10
Der Lagebericht der S-GmbH vom 31. Dezember 2005 führt aus, dass der Jahresabschluss der D-AG wiederum ein negatives Ergebnis ausweise und die Liquiditäts- und Ertragslage angespannt sei, so dass unter bestimmten Voraussetzungen der Bestand der Gesellschaft gefährdet bzw. der Fortbestand beeinträchtigt sein könnte. Am 17. März 2006 erstellte die Deutsche Bundesbank ein Gutachten hinsichtlich der Sachgerechtigkeit der Risikomessung bezüglich der gegebenen Kapitalgarantien.
11
Der Kläger leistete in den Jahren 2001 bis 2004 monatliche Zahlungen, mit denen D-Aktien im Freiverkehr erworben wurden. Per 31. Dezember 2004 betrug der Wertpapierbestand nach Auskunft der R-Bank 238 Aktien. Die vermögenswirksamen Überweisungen wurden ab Oktober 2006 eingestellt.
12
Der Kurs der von den monatlichen Einlagen zu erwerbenden D-Aktien lag in den Jahren 2001 bis 2006 zwischen 7 € und 9 €. Der Aktienkurs fiel im Zeitraum von Juni bis Oktober 2006 um über 90%; am 4. September 2007 notierte er bei 0,334 €.
13
Die R-Bank, die D-AG und die S-GmbH sind mittlerweile insolvent.
14
Der Kläger hat den geltend gemachten Schadensersatzanspruch damit begründet, die S-GmbH bzw. deren Rechtsvorgängerin hätten nicht über ausreichend Eigenkapital verfügt und keine ausreichenden Rückstellungen zur Absicherung der gegebenen Kapitalgarantie gebildet. Die Beklagten hätten ihn deshalb durch Vorspiegelung der Garantie arglistig getäuscht und dadurch sittenwidrig geschädigt.
15
Das Amtsgericht hat der Klage gegen den Beklagten stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
I.
16
Das Berufungsgericht führt u.a. aus:
17
Der Kläger habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf Rückzahlung der für 72 Monate geleisteten Einzahlungen in den Wertpapiersparvertrag aus den §§ 826, 249 BGB. Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, für die der Beklagte als damaliger Geschäftsführer der S-GmbH persönlich aus § 826