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  • · Fachbeitrag · Restschuldbefreiung

    Rückwirkende Erteilung der Restschuldbefreiung

    | Der BGH hat seine Rechtsprechung aus dem Jahre 2013 bestätigt, dass in vor dem 1.12.01 eröffneten Insolvenzverfahren zwölf Jahre nach Insolvenzeröffnung über den Antrag auf Restschuldbefreiung zu entscheiden ist. Wie eine aktuelle Entscheidung des BGH zeigt, sind solche Verfahren noch immer aktuell. |

     

    Sachverhalt

    Das Insolvenzgericht eröffnete auf Antrag des schon vor dem 1.1.97 zahlungsunfähigen Schuldners am 22.3.00 das Insolvenzverfahren über dessen Vermögen. Mit Beschluss vom 10.12.09 stellte es fest, dass der Schuldner Restschuldbefreiung erlange, wenn er für die Zeit von fünf Jahren ab Aufhebung des Insolvenzverfahrens seinen im Einzelnen bezeichneten Obliegenheiten nachkomme (Art. 107 EGInsO a. F.), und bestellte den Treuhänder. Am 6.7.10 hob es das Insolvenzverfahren auf und stellte den Eintritt der Wirkungen aus dem Beschluss vom 10.12.09 fest.

     

    Der Schuldner hat am 18.12.12 die vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung und die Verkürzung der Wohlverhaltensperiode beantragt. Das Insolvenzgericht hat dem Schuldner am 9.6.15 Restschuldbefreiung erteilt und festgestellt, dass mit Rechtskraft des Beschlusses der Beschlag für die pfändbaren Bezüge des Schuldners aus einem Dienstverhältnis oder einem nach § 287 Abs. 2 InsO gleichgestellten Einkommen entfalle. Dagegen wendet sich der Schuldner und begehrt die Restschuldbefreiung und Aufhebung des Beschlags für den pfändbaren Teil seiner Bezüge rückwirkend zum 18.12.12.

     

    Entscheidungsgründe

    Der BGH hat dem Schuldner zwar geholfen, sein Ziel zu erreichen, nicht aber mit der begehrten Rückwirkung der Restschuldbefreiung.

     

    • Leitsatz: BGH 1.6.17, IX ZB 87/16

    Die Restschuldbefreiung kann nicht rückwirkend erteilt werden. Die Laufzeit der Abtretungserklärung endet in vor dem 1.12.01 eröffneten Insolvenzverfahren spätestens zwölf Jahre nach Insolvenzeröffnung (Abruf-Nr. 194813).

     

    Dem Antrag des Schuldners, ihm bereits zum 18.12.12 die Restschuldbefreiung zu erteilen, hat der BGH nicht entsprochen. Die Restschuldbefreiung wird nicht rückwirkend zu dem Zeitpunkt erteilt, zu dem der Schuldner den Antrag auf vorzeitige Entscheidung gestellt hat, sondern grundsätzlich nur auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Befreiungsentscheidung. Hierfür gab es eine Grenze.

     

    Weil das Insolvenzverfahren vor dem 1.12.01 eröffnet wurde, ist nach Art. 103a EGInsO die InsO in der bis dahin geltenden Fassung maßgebend. Gemäß § 300 Abs. 1, § 287 Abs. 2 S. 1 InsO a. F. ist über den Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung erst zu entscheiden, wenn die Laufzeit der Abtretungserklärung verstrichen ist. Unter Anwendung dieser Regelungen endete vorliegend die Laufzeit der Abtretungserklärung nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom 6.7.10 gemäß § 287 Abs. 2 InsO a. F., Art. 103a EGInsO, Art. 107 EGInsO a. F. am 6.7.15, weil diese auf fünf Jahre nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens befristet war. Danach konnte das Insolvenzgericht bis zum 6.7.15 keine Restschuldbefreiung erteilen.

     

    Art. 103a EGInsO ist allerdings nach dem BGH im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG verfassungskonform dahin auszulegen, dass einem Schuldner zwölf Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 300 InsO auch vor Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung die Restschuldbefreiung zu erteilen ist, unabhängig davon, ob das vor dem 1.12.01 eröffnete Insolvenzverfahren noch läuft oder der Schuldner ‒ wie vorliegend ‒ sich zwischenzeitlich in der Wohlverhaltensperiode befindet (BGH NZI 13, 849). Mithin hätte dem Schuldner die Restschuldbefreiung zwölf Jahre nach Insolvenzeröffnung erteilt werden müssen, also nach dem 22.3.12.

     

    MERKE | Hier sind die Insolvenzgläubiger sogar noch begünstigt worden, weil der Schuldner die Restschuldbefreiung erst später beantragt hat.

     

    Relevanz für die Praxis

    § 300 Abs. 1 InsO a. F. zeigt, dass der Schuldner die Restschuldbefreiung nicht allein dadurch erlangt, dass die Laufzeit der Abtretungserklärung endet oder die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwölf Jahre zurückliegt. Der Ablauf dieser Fristen ist nur eine verfahrensrechtliche Voraussetzung für die gerichtliche Entscheidung darüber, ob die Restschuldbefreiung zu erteilen ist. Das Insolvenzgericht erteilt sie vielmehr durch konstitutiven, rechtsgestaltenden Beschluss.

     

    Dieser Beschluss stellt nicht eine ‒ etwa mit Fristablauf l‒ schon bestehende Rechtslage deklaratorisch fest. Vielmehr ändert sich die Rechtslage erst mit der positiven Entscheidung über die Restschuldbefreiung. Der Beschluss löst mit seiner Rechtskraft und mit Wirkung für die Zukunft die Rechtsfolgen des § 301 InsO für die nach § 286 InsO von der Restschuldbefreiung erfassten Verbindlichkeiten aus.

     

    Wichtig | Die Laufzeit der Abtretungserklärung und damit die Berechtigung des Treuhänders an den pfändbaren Forderungen auf Bezüge i. S. v. § 287 Abs. 2 InsO endete ohne weitere Voraussetzungen mit Ablauf der zwölf Jahre ab Insolvenzeröffnung am 6.7.12. Laut seinem Antrag wollte der Schuldner das Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung erst zum 18.12.12 festgestellt wissen.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2017 | Seite 212 | ID 44983329