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  • · Fachbeitrag · Insolvenzverfahren

    Zeugen des Schuldners müssen gehört werden

    Hat der Gläubiger einen Versagungsgrund glaubhaft gemacht, gilt für das weitere Verfahren die Amtsermittlungspflicht des Insolvenzgerichts. Es darf von der Erhebung von angebotenem Zeugenbeweis zu dem Vortrag des Schuldners zum Versagungsgrund nicht deshalb absehen, weil das Vorbringen zu seinen Ausführungen in zu den Insolvenzakten gelangten Schreiben in Widerspruch steht (BGH 11.4.13, IX ZB 170/11, Abruf-Nr. 131721).

     

    Sachverhalt

    Auf Fremd- und Eigenantrag wurde am 6.7.05 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet, der seit Juli 2006 im Baugewerbe wieder selbstständig tätig ist. Im Juli 2009 legte die Insolvenzverwalterin den Schlussbericht vor. Zum 1.8.09 meldete der Schuldner einen Handel mit Baustoffen als neues Gewerbe an. Zusammen mit einem Mitgesellschafter gründete er eine GmbH, an deren Stammkapital er zur Hälfte beteiligt war, und fünf Kommanditgesellschaften, deren Komplementärin die neu gegründete GmbH war und an denen er sich mit einer Kommanditeinlage von jeweils 1.000 EUR beteiligte. Am 9.10.09 wurde die GmbH in das Handelsregister eingetragen.

     

    Ein Insolvenzgläubiger informierte mit Schreiben vom 12.10.09 die Insolvenzverwalterin über die Anmeldung des neuen Gewerbes und die Gesellschaftsneugründungen. Der vom Treuhänder angehörte Schuldner räumte den Sachverhalt ein. Im Schlusstermin, an dem weder der Schuldner noch sein Verfahrensbevollmächtigter teilnahm, stellte der Gläubiger einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung, weil der Schuldner ein neues Gewerbe aufgenommen und hierfür eine GmbH und fünf weitere Kommanditgesellschaften gegründet habe. Das AG hat dem Antrag entsprochen, das LG 
- rechtsfehlerhaft - die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

     

    Entscheidungsgründe/Praxishinweis

    Das LG meint, der Schuldner habe die ihm vorgeworfenen Vorgänge nicht rechtzeitig vor Aufdeckung durch den Gläubiger der Insolvenzverwalterin 
bekannt gegeben. Es ist zu dieser Schlussfolgerung gelangt, indem es die 
Beweisanregungen des Schuldners auf Zeugenbeweis übergangen hat (§ 5 Abs. 1 InsO). Damit hat es zugleich dessen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

     

    Der Schuldner konnte das Vorliegen des Versagungsgrundes nach dem Schlusstermin noch erheblich bestreiten. Allerdings muss sich ein Schuldner im Schlusstermin zu zulässigen Versagungsanträgen erklären. Nachträgliche Erklärungen des Schuldners sind jedoch nur ausgeschlossen, wenn dieser rechtzeitig auf die Folgen des unentschuldigten Fernbleibens oder der Nichterklärung zu Versagungsanträgen hingewiesen worden ist (BGH WM 11, 839).

     

    MERKE | Der Gläubiger sollte zur Herstellung der Präklusionswirkung mit seiner Mitteilung der einen Versagungsantrag rechtfertigenden Umstände stets auch darum ersuchen, den Schuldner auf die Folgen seines Ausbleibens im Schlusstermin hinzuweisen.

     

     

    Der Schuldner hat schlüssig vorgetragen und hierfür Zeugenbeweis angeboten, dass er vor Aufdeckung des Sachverhalts durch den Gläubiger von sich aus die Insolvenzverwalterin über die beabsichtigten Firmengründungen informiert habe. Dieser Vortrag war erheblich. Dass der Schuldner sich schriftlich anders geäußert hat, steht der Notwendigkeit der Beweisaufnahme nicht entgegen. Es ist anerkannt, dass vorprozessuale Äußerungen einer Partei generell nicht geeignet sind, ihrem Prozessvortrag die Beachtlichkeit zu nehmen. Ob mit Blick auf solche Äußerungen dem Prozessvortrag einer Partei letzten Endes der Erfolg versagt bleibt, kann erst im Rahmen der abschließenden Würdigung nach § 286 ZPO unter Einschluss der Ergebnisse einer verfahrensrechtlich gebotenen Beweisaufnahme beurteilt werden (BGH NJW 96, 394).

    Checkliste / Hinweise des BGH für das weitere Verfahren

    • Bei den Akten befand sich nicht mehr die sofortige Beschwerde des Schuldners, sodass deren Rechtzeitigkeit nachzuweisen war. Beweispflichtig ist der Schuldner (BGH ZInsO 12, 751). Der Gläubiger darf diese Frage prüfen.

     

    • In der Nichtanzeige der Gründung der Gesellschaften und der Erbringung der Stamm- und Kommanditeinlagen kann ein Verstoß gegen die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten liegen (§ 290 Abs. 1 Nr. 5, § 97 InsO). Der Schuldner ist nach § 97 InsO verpflichtet, Auskunft über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse zu erteilen. Dieser Begriff umfasst alle rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Verhältnisse, die für das Verfahren von Bedeutung sein können. Die Verpflichtung zur Auskunft ist nicht stets davon abhängig, dass an den Schuldner entsprechende Fragen gerichtet werden. Der Schuldner muss vielmehr die Umstände von sich aus ohne besondere Nachfrage offenlegen, die offensichtlich für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sein können und nicht klar zutage liegen. So ist ein Schuldner verpflichtet, den Verwalter über den Erwerb von Geschäftsanteilen an einer GmbH im unmittelbaren Anschluss an ihren Erwerb zu informieren. Er darf nicht abwarten, wie sich die Geschäftstätigkeit entwickelt (BGH ZInsO 11, 396). Dies gilt auch für die Gründung einer Gesellschaft, vor allem, wenn der Schuldner sich im Gesellschaftsvertrag verpflichtet, Bareinlagen in die Gesellschaft zu erbringen, und sie erbringt. Denn die nach Insolvenzeröffnung 
erworbenen Gesellschaftsanteile unterfallen nach § 35 Abs. 1 InsO als Neuerwerb dem Insolvenzbeschlag und sind für das Insolvenzverfahren von Belang. Das Verschweigen dieser Beteiligungen war daher der Art nach geeignet, die Befriedigung der Gläubiger zu beeinträchtigen. Dass der Schuldner die Einlagen aus angesparten pfändungsfreien Beträgen gezahlt haben will, ist unerheblich. Denn auch diese Beträge wären nach § 35 Abs. 1, § 36 InsO in die Masse gefallen.

     

    • Soweit der Schuldner Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit erzielt hat, gehörten diese voll zur Insolvenzmasse. Der Schuldner hätte nur nach § 850i ZPO beantragen können, dass ihm von seinen durch Vergütungsansprüche gegen Dritte erzielten Einkünften ein pfandfreier Betrag belassen wird (BGH ZInsO 11, 1412). Die Insolvenzverwalterin hat die selbstständige Tätigkeit nicht freigegeben; § 35 Abs. 2 InsO n.F. kam nicht zur Anwendung, weil das Insolvenzverfahren vor dem maßgeblichen Zeitpunkt des 1.7.07 (vgl. Art. 103c EGInsO) eröffnet worden ist.
     

    Gläubiger können den vorliegenden Sachverhalt leicht ermitteln. Schon die einfache Anfrage bei einer Auskunftei erbringt Erkenntnisse aus Handels- und Gewerberegister. Trotzdem agieren Schuldner oft trotz des andauernden Restschuldbefreiungsverfahrens unvorsichtig. Damit sollten Gläubiger gerade bei selbstständigen Schuldnern rechnen.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2013 | Seite 120 | ID 40134340