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  • · Fachbeitrag · Leseranfall

    Wer schreibt, der bleibt

    | Wer muss zahlen, wenn eine Person einen Vertrag unterzeichnet, mehrere Personen aber an der Leistung des Gläubigers partizipieren? Ist nur der Unterzeichner des Vertrags oder sind auch die sonstigen Begünstigten verpflichtet, das vereinbarte Entgelt zu zahlen? Ein Leser schilderte uns dazu folgenden Fall: Im Vorfeld einer Hochzeit unterzeichnet der Bräutigam einen Vertrag über die Lieferung eines Hochzeitsmenüs sowie über die Raummiete für die Hochzeitsfeier. Das Eheglück war jedoch nur von kurzer Dauer. Nun streitet sich das mittlerweile in Scheidung lebende Ehepaar um die Kosten, die der Gläubiger gegenüber beiden in Rechnung gestellt hat. Der Ehemann meint, die Eheleute seien als Gesamtschuldner verpflichtet zu zahlen, und empfiehlt, die Ehefrau in Anspruch zu nehmen. Diese sieht nur ihren Ehemann in der Pflicht, da nur er den Vertrag unterschrieben habe. Der Gläubiger sieht es so wie der Ehemann. Er verspricht sich bei der Ehefrau eine höhere Wahrscheinlichkeit, zu seinem Geld zu kommen. |

    1. An verschiedene Lösungsansätze denken

    Im Zivilrecht führen natürliche und juristische Personen ihre Geschäfte selbstständig und haften für die sich daraus ergebenden Folgen. Sollen weitere Personen mitverpflichtet werden, bedarf es entsprechender gesetzlicher oder vertraglicher Regelungen. Das Beste wäre gewesen, der Gläubiger hätte mit beiden Partnern einen schriftlichen Vertrag geschlossen. Nachdem dies nicht der Fall ist, müssen verschiedene Ansätze gesucht werden.

    2. Gesetzliche Mithaftung des Ehegatten über § 1357 BGB?

    Einen solchen gesetzlichen Ansatzpunkt begründet z. B. § 1357 BGB. Danach kann jeder Ehegatte alleine und selbstständig Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten besorgen. Durch solche Geschäfte werden im Zweifel beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet.

     

    Die Regelung gilt allerdings nur für Verbindlichkeiten, die während einer bestehenden Ehe begründet wurden. Verträge, die ein Ehepartner noch vor Eingehung der Ehe geschlossen hat, gehören nicht dazu, auch wenn es sich um Geschäfte handelt, die für die bevorstehende Eheschließung getätigt wurden (Soergel/Lipp, BGB, § 1357 Rn. 6; Erman/Kroll-Ludwigs, BGB, § 1357 Rn. 7).

     

    Beachten Sie | Auf in nicht ehelicher Gemeinschaft Lebende ist die Vorschrift nicht anzuwenden ‒ auch nicht entsprechend (Staudinger/Voppel, BGB, § 1357 Rn. 25; RGRK-BGB/Roth-Stielow, § 1357 Rn. 15; Grüneberg/Siede, BGB, § 1357 Rn.6), wohl aber für die eingetragene Lebenspartnerschaft nach § 8 Abs. 2 LPartG.

     

    Checkliste / Mithaftung des Ehegatten nach § 1357 BGB

    Die Voraussetzungen der Mithaftung sind:

     

    • 1. Bestehende Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft nach § 8 Abs. 2 LPartG.
    • 2. Partner leben nicht getrennt, § 1357 Abs. 3 BGB; der Anwendungsbereich der Vorschrift ist nur eröffnet, wenn ein gemeinsamer Haushalt geführt wird.
    • 3. Es handelt sich um ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs:

     

      • Für die Beurteilung der Angemessenheit ist auf den konkreten Haushalt mit seinem individuellen, äußerlich erkennbaren Konsumstil abzustellen.
      • Geschäfte im Sinne der Norm sind Rechtsgeschäfte, die nach ihrer Art objektiv der Deckung des privaten Lebensbedarfs dienen, also einen Bezug zur familiären Konsumgemeinschaft aufweisen.

     

    • 4. Die Verpflichtungsbefugnis darf nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen sein: Der Ehegatte kann die Verpflichtungsbefugnis des anderen Ehegatten beschränken oder ausschließen. Beides ist Dritten gegenüber nur wirksam, wenn es ihnen bekannt oder im Güterrechtsregister eingetragen ist (§ 1357 Abs. 2 S. 2 i. V. m. § 1412 BGB).

     

    Die Rechtsfolgen sind dann: Beide Ehegatten werden aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet, wobei beide Ehegatten als Gesamtschuldner haften bzw. hinsichtlich der Berechtigung Gesamtgläubiger sind.

     

     

    MERKE | Für den Gläubiger entscheidend: Waren die Eheleute zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses schon standesamtlich verheiratet und haben sie die vertraglich vereinbarten Leistungen für die spätere Hochzeitsfeier bestellt? Gerade im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie ist dies ein häufiger Streitpunkt. Dann haften beide Eheleute über § 1357 BGB als Gesamtschuldner, da die Verbindlichkeiten nach der Eheschließung eingegangen wurden und die Aufwendungen zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs gerechnet werden können. Entscheidend ist der Zeitpunkt, in dem die vertragliche Bindung begründet wurde. Zu diesem Zeitpunkt müssen die Eheleute bereits verheiratet gewesen sein.

     

    3. Vertragliche Mithaftung durch wirksame Stellvertretung

    Kann § 1357 BGB als gesetzliche Vertretungsregelung nicht herangezogen werden, stellt sich die Frage, ob der handelnde Ehegatte seine Ehefrau bei Abschluss des Vertrags rechtsgeschäftlich vertreten hat. Nach § 164 BGB setzt eine wirksame Stellvertretung voraus:

     

    • Es handelt sich nicht um ein höchstpersönliches Rechtsgeschäft (z. B. Eheschließung oder Testament).
    • Der Vertreter gibt eine eigene Willenserklärung ab, und zwar
      • im Namen des Vertretenen und
      • mit Vertretungsmacht.

     

    Die ersten beiden Voraussetzungen sind in o. g. Fall erfüllt. Fraglich ist aber, ob der Ehemann bei Abschluss des Vertrags auch im Namen der Ehefrau gehandelt hat. Grundsätzlich gilt zunächst, dass die Person als Vertragspartei anzusehen ist, die bei einem schriftlichen Vertrag im Rubrum des Vertrags aufgeführt ist (MüKo/Häublein, BGB, 8. Aufl., § 535 Rn. 40).

     

    Hat in o. g. Fall nur der Ehemann unterschrieben, ist im Rubrum des Vertrags aber die Ehefrau namentlich genannt oder sind beide als Brautpaar bezeichnet oder hat der Unterzeichnende „i. V.“ oder „i. A“ signiert, hat er (auch) im Namen seiner Frau gehandelt. Fehlt ein solcher Anknüpfungspunkt, kann sich die beabsichtigte Fremdwirkung der Erklärung auch aus den Umständen ergeben (§ 164 Abs. 1 S. 2 BGB). Zu berücksichtigen sind dabei vor allem die erkennbare Interessenlage, Verkehrssitte, Handelsbräuche, Ort, Zeit, die dem Geschäft zugrunde liegenden Lebensverhältnisse sowie typische Verhaltensweisen (MüKo/Schubert, BGB, 9. Aufl., § 164 Rn. 112). Entscheidend: Wie stellt sich die Willensäußerung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte für den Empfänger dar?

     

    In Zeiten der Gleichberechtigung wird niemand ernsthaft behaupten können, dass ein Ehepartner Menü und Räumlichkeiten für die Hochzeitsfeier alleine aussucht und bestimmt. Aus der Sicht eines objektiven Empfängers sind die entsprechenden Vertragserklärungen daher meist als gemeinsame Entscheidung des Brautpaars zu qualifizieren. Dafür wird vor allem der mögliche Umstand sprechen, dass beide Ehepartner Ort und Ablauf ihrer Feier gemeinsam planen, den Ort besichtigen und die Leistungen auswählen. Sollten die Gespräche also mit beiden Partnern stattgefunden haben, spricht vieles dafür, dass der Ehemann (auch) im Namen der Ehefrau gehandelt hat.

    4. Problem: Vertretungsmacht

    Damit ist aber noch keine vertragliche Bindung der Ehefrau entstanden, da der Ehemann auch Vertretungsmacht haben musste. Die nicht unterzeichnende Person wird nur Vertragspartner, wenn sie bei der Unterzeichnung den Handelnden entweder bevollmächtigt hatte oder in der Folgezeit das Rechtsgeschäft nach § 177 BGB genehmigt hat. Ob dem Ehemann eine ausdrückliche Vollmacht erteilt wurde, ist im vorliegenden Fall umstritten.

     

    Die Darlegungs- und Beweislast für eine ordnungsgemäße Vertretung obliegt dem Vertreter. Da die Unterschrift der Ehegattin fehlt, ist eine wirksame Vertretung nicht offensichtlich. Wie solche Fälle einer „fehlenden Zweitsignatur“ zu beurteilen sind, wird kontrovers diskutiert: Überwiegend wird angenommen, dass der allein agierende Partner bei seiner Unterschrift im Zweifel in Vertretung und mit (Anscheins- oder Duldungs-)Vollmacht des anderen Ehegatten gehandelt hat. Unterstellt wird zumindest konkludente Stellvertretung (OLG Düsseldorf 24.8.99, 24U 93/98; OLG Oldenburg 30.1.91, 2 W 1/91).

    5. Anscheins- oder Duldungsvollmacht

    Um eine Anscheins- oder Duldungsvollmacht annehmen zu können, muss festgestellt werden, dass der Vertragspartner aus den Umständen des Falls auf das Bestehen einer Vollmacht hat schließen können.

     

    • Bei einer Anscheinsvollmacht ist dem Vertretenen das Handeln des Vertreters zwar nicht bekannt. Der Dritte durfte aber annehmen, dass der Vertreter mit dem Einverständnis des Vertretenen handelt, zumal er das Vertreterhandeln bei Wahrung der verkehrsüblichen Sorgfalt hätte erkennen können. Auch hier ist die Willenserklärung des Unterzeichners aus Sicht des Vertragspartners regelmäßig als gemeinsame Entscheidung des Brautpaares zu qualifizieren, sodass vieles für eine konkludente Vollmacht oder eine Rechtsscheinvollmacht in Gestalt der Anscheinsvollmacht spricht.

     

    • Die Duldungsvollmacht setzt voraus, dass der Vertretene das Handeln des Vertreters kennt und in nach außen erkennbarer Weise nicht gegen das Handeln vorgeht. Auch das wäre eine mögliche Variante, die Vertretungsmacht des Unterzeichners zu begründen. Der Ehefrau wird sicher bekannt gewesen sein, dass der Ehemann den Vertrag unterschreibt.

     

    Es handelt sich dann um eine Frage des konkreten Einzelfalls. Der Gläubiger muss den tatsächlichen Ablauf rekonstruieren, etwa auch eine E-Mail-Kommunikation, und sehen, was er von diesem Ablauf nachweisen kann.

    6. Genehmigung des Vertretenen

    Gelingt es nicht, die o. g. Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen, wird angenommen, dass der Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt hat. Der Vertrag ist dann nach § 177 BGB schwebend unwirksam, kann aber durch die nachträgliche Zustimmung (Genehmigung) des Vertretenen noch wirksam werden.

     

    MERKE | Die Genehmigung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die auch konkludent erteilt werden kann und nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen ist. Um das Handeln des Vertretenen als konkludente Genehmigung qualifizieren zu können, bedarf es tatsächlicher Anhaltspunkte, die nach dem objektiven Empfängerhorizont zeigen, dass der Erklärende die Genehmigungs-bedürftigkeit des Rechtsgeschäfts kennt oder mit ihr rechnet und eine Zustimmung zum Vertretergeschäft erklären wollte (MüKo/Schubert, BGB § 177 Rn. 33). Die Behandlung des Vertretergeschäfts als wirksames Rechtsgeschäft, vor allem das Vornehmen von Erfüllungshandlungen, kann eine konkludente Genehmigung begründen.

     

    Hier könnte der Gläubiger argumentieren, dass die Ehefrau durch die Annahme der Leistungen den Vertragsschluss ihres Ehemanns genehmigt hat.

     

    FAZIT | Ohne eine deutliche und klare Bezeichnung der Vertragsparteien kann ein Dritter, der am Vertragsschluss nicht unmittelbar aktiv beteiligt ist, nur kraft gesetzlicher Bestimmungen (z. B. § 1357 BGB) oder kraft einer von ihm erteilten Vollmacht Vertragspartner werden. Die Darlegungs- und Beweislast für den Bestand einer wirksamen Stellvertretung obliegt dem Vertragspartner, der sich darauf beruft. Soweit keine ausdrückliche und dokumentierte Vollmacht nachgewiesen werden kann, ist der Nachweis schwierig zu führen. Hier kann mit den Rechts- figuren einer konkludenten-, Anscheins- oder Duldungsvollmacht argumentiert werden oder eine nachträgliche Genehmigung unterstellt werden. Das bleibt dann im Ergebnis der Beweiswürdigung der Gerichte überlassen.

     

    Um diese Unwägbarkeiten zu vermeiden und eine wirksame Stellvertretung zu begründen, empfiehlt sich daher: Alle Personen, die in den Genuss der Leistung kommen und mit denen man verhandelt, sollten als Vertragspartner im Rubrum des Vertrags namentlich aufgenommen werden. Alle Personen, die in den Genuss der Leistung kommen und mit denen man verhandelt, unterzeichnen den Vertrag oder ein Vertragspartner signiert und legt eine Vollmacht der anderen Vertragspartner vor.

     
    Quelle: Ausgabe 09 / 2022 | Seite 153 | ID 48491107