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  • · Fachbeitrag · Inkassodienstleistung

    Geltendmachung von Ansprüchen aus unerlaubter Handlung durch einen Inkassodienstleister

    | Der Umfang der Berufserlaubnis von Inkassodienstleistern ist umstritten. Insbesondere zwischen den mietrechtlichen Kammern des LG Berlin und dem VIII. Zivilsenat des BGH (27.11.19, VIII ZR 285/18; 8.4.20, VIII ZR 130/19) wird gestritten, wobei die höchstrichterliche Rechtsprechung die Stellung von Inkassodienstleistern als echte Rechtsdienstleister durchgängig stärkt. Geht es bei dieser Auseinandersetzung (auch) um die Frage, ob neben der Einziehung von Geld weitere Auskünfte und Erklärungen von Inkassodienstleistern verlangt werden dürfen und in welchem Umfang rechtliche Beratung dem Schuldner und dem Mandanten zuteilwerden darf, musste sich jetzt das LG Karlsruhe mit der Frage auseinandersetzen, ob ein Inkassodienstleister auch originäre Ansprüche aus unerlaubter Handlung beurteilen und einziehen darf. |

    Sachverhalt

    Die Klägerin begehrt als registrierte Inkassodienstleisterin aus abgetretenem Recht die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten. Sie betreibt eine Verbraucherplattform („VINQO.DE“), auf der sie Geschädigten die außergerichtliche Geltendmachung und Durchsetzung von Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüchen anbietet. Die „Kunden“ beauftragen die Klägerin nach dem Inhalt ihrer AGB wie folgt:

     

    • Im Wortlaut: Die AGB der Inkassodienstleisterin
    • a) der Prüfung von Ansprüchen auf Grundlage der eingereichten Unterlagen und Daten;
    • b) der Anforderung von Unterlagen und Auskünften, soweit erforderlich oder sachdienlich;
    • c) der Berechnung und Ermittlung von Ansprüchen auf Grundlage des gemeldeten Sachverhalts;
    • d) der außergerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen;
    • e) der Prüfung und ggf. Abwehr rechtlicher Einwände des Anspruchsgegners;
    • f) der Einlegung außergerichtlicher Rechtsbehelfe;
    • g) soweit weitergehend vereinbart, die gerichtliche Durchsetzung Ihrer Ansprüche mithilfe unserer Partneranwälte;
    • h) der Zwangsvollstreckung der Ansprüche;
    • i) der Entgegennahme und Abgabe von Gestaltungsrechten und anderweitigen Willenserklärungen;
    • j) jedwede weiteren, im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Ansprüchen stehenden Dienstleistungen;
    • k) der Geltendmachung und Durchsetzung von datenschutzrechtlichen Auskunftsansprüchen sowie von materiellen und immateriellen Schadenersatzansprüchen, die im Zusammenhang mit datenschutzrechtlichen Aspekten, insbesondere einem Datenschutzverstoß stehen.
     

    Die AGB der Klägerin sehen eine „Erfolgshonorarvereinbarung“ i. H. v. 15 Prozent, beschränkt auf Schmerzensgeldansprüche im Rahmen der außergerichtlichen Anspruchsdurchsetzung, und „unbeschadet“ hiervon eine Vergütung gemäß § 4 RDGEG i. V. m. RVG analog vor. Für den Fall des Misserfolgs stellt die Klägerin ihre Kunden von der Zahlung einer Vergütung frei. Die Kunden treten einen etwaigen Kostenerstattungsanspruch (gegen den Anspruchsgegner) in Höhe des gemäß § 4 RDGEG i. V. m. RVG analog zu beanspruchenden Betrags an Erfüllungs statt an die Klägerin ab. Für den Fall der Verweigerung der Zahlung durch den Anspruchsgegner sehen die AGB die gerichtliche Durchsetzung durch die Klägerin im eigenen Namen und auf eigene Rechnung vor.

     

    Der Kunde beauftragte die Klägerin mit der außergerichtlichen Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen die Beklagte aufgrund eines Unfallereignisses, bei dem durch unvorsichtiges Rangieren eines Abschleppfahrzeugs ein Motorrad umgestoßen wurde. Hierdurch erlitt der Kunde Prellungen. Mit schriftlicher „Abtretungserklärung & Mandatsbestätigung“ erklärte der Kunde, dass er mit der Beauftragung der Klägerin den Freistellungsanspruch über die Rechtsverfolgungskosten abgetreten habe, und trat den Anspruch für den Fall der Unwirksamkeit „noch einmal ausdrücklich“ in Höhe der entstandenen Vergütung gemäß § 4 RDGEG i. V. m. RVG analog an die Klägerin ab.

     

    Die Klägerin machte außergerichtlich ein Schmerzensgeld von 1.300 EUR, die allgemeine Unkostenpauschale von 25 EUR und Rechtsverfolgungskosten von 196,62 EUR gegenüber dem Unfallverursacher und nicht dem Haftpflichtversicherer geltend. Der Haftpflichtversicherer überwies dann 625 EUR und machte hinsichtlich der Rechtsverfolgungskosten geltend, dass diese nicht notwendig gewesen seien. In der Hauptsache hat die Klägerin dies akzeptiert, nimmt jetzt aber den Haftpflichtversicherer auf die Rechtsverfolgungskosten aus dem niedrigeren Gegenstandswert im Umfang einer 1,3-Geschäftsgebühr nebst Auslagen in Anspruch.

     

    Die Beklagte trat dem mit der Auffassung entgegen, die Abtretung des Erstattungsanspruchs und der Inkassovertrag seien nach § 134 BGB unwirksam. Die Klägerin überschreite mit ihrer Tätigkeit die Inkassobefugnis. Dienste und Fragen wie die Einschätzung der Haftungsverteilung, der Betriebsgefahr, der Beweislast, des Verhältnisses Haftpflicht/Vollkasko (Quotenvorrecht), der Schadenshöhe (u. a. 130-Prozent-Regelung) und des Schmerzensgeldes seien einem Rechtsanwalt vorbehalten. Die Tätigkeit der Klägerin verstoße zudem gegenüber der Rechtsanwaltschaft, die an §§ 43 ff. BRAO gebunden sei, gegen Art. 3 GG und sei im Hinblick auf die Vereinbarung eines Erfolgshonorars auch wettbewerbswidrig. Eine Erstattungspflicht scheitere auch am mangelnden Verzug. Auch könne allenfalls eine 0,3-Geschäftsgebühr für ein einfaches Schreiben angesetzt werden.

     

    Das AG ist der Beklagten nicht gefolgt, hat keinen Verstoß gegen § 134 BGB i. V. m. § 3 RDG gesehen und die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Zugleich hat es aber die Berufung zugelassen. Hierüber musste nun das LG entscheiden.

    Entscheidungsgründe

    Die Berufung ist aufgrund der Zulassung durch das AG statthaft. In der Sache folgt das LG aber dem Inkassodienstleister und dem AG und hat die Berufung der Schuldnerin zurückgewiesen. Dabei war die Haftung dem Grunde nach ebenso unstreitig wie das gezahlte Schmerzensgeld und die Kostenpauschale. Gestritten wurde allein um die Rechtsverfolgungskosten.

     

    • Leitsätze: LG Karlsruhe 6.5.22, 20 S 35/21
    • 1. Die vorliegende vertragliche Vereinbarung des Inkassounternehmens mit dem Unfallgeschädigten über die außergerichtliche Geltendmachung und Durchsetzung von Schmerzensgeldansprüchen ist wirksam. Sie ist insbesondere nicht wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz nach § 134 BGB nichtig. Das Inkassounternehmen hält sich mit der Tätigkeit im Rahmen der erteilten Erlaubnis.
    • 2. Die durch die Beauftragung des Inkassounternehmens entstandenen Kosten sind zur Schadensbeseitigung erforderlich und gehören damit zu den nach § 249 BGB zu ersetzenden Kosten.
     

    Wirksame vertragliche Vereinbarung

    Die vertragliche Vereinbarung der Klägerin mit dem Geschädigten ist nach Ansicht des LG nicht wegen eines Verstoßes gegen das RDG nach § 134 BGB nichtig, sodass ein Vergütungsanspruch entfiele. Es stellt dabei auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (BGH NJW 20, 208 und NZM 20, 542) ab. Maßgebend für die Frage, ob sich die Tätigkeit eines Inkassounternehmens im Rahmen der Inkassodienstleistungsbefugnis nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG hält, sei hiernach eine Würdigung der Umstände des Einzelfalls, für welche ‒ so der BGH ‒ allgemeingültige Maßstäbe nicht existieren. Einige (allgemeingültige) Anhaltspunkte lassen sich der Entscheidung dennoch entnehmen:

     

    • Der BGH hat für sein Postulat einer „eher weiten Auslegung“ des Begriffs der Inkassodienstleistung maßgeblich auf die Entstehungsgeschichte des RDG abgestellt, insbesondere auf eine Entscheidung des BVerfG vom 20.2.02 (NJW 02, 1190) zum früheren RBerG und die Berücksichtigung dieser Entscheidung durch den Gesetzgeber bei der Schaffung des RDG vom 12.12.07. Danach beschränkt sich eine Inkassoerlaubnis nach dem RBerG nicht auf die Beitreibung von voraussichtlich unbestrittenen oder gar schon titulierten Forderungen, sondern gestattete eine umfassende rechtliche Forderungsprüfung und eine substanzielle Beratung des Kunden über den Forderungsbestand. Allein der Umstand, dass die Tätigkeit eines Inkassodienstleisters mit einer rechtlichen Prüfung und Beratung des Kunden verbunden ist, führt mithin nicht zu einem Verstoß gegen das RDG.

     

    • Nach der Rechtsprechung des BGH kann auch nicht auf den Schwerpunkt der Tätigkeit abgestellt werden (Inkassodienstleistung versus Rechtsberatung). Dahin gehenden Erwägungen der Vorinstanzen hat der BGH ausdrücklich eine Absage erteilt (BGH NJW 20, 208; NZM 20, 542).

     

    Fraglich sei nun, ob im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung die Komplexität des Rechtsgebiets zu berücksichtigen sei, auf dem der Inkassodienstleister tätig wird. Zwar könnten dafür Argumente sprechen, die aber auf der Grundlage der höchstrichterlichen Sichtweise nicht als durchgreiflich angesehen werden könnten:

     

    • Zu sehen sei zwar die geringe Mindeststundenzahl des Sachkundelehrgangs für Inkassodienstleister nach § 11 RDG bei einer großen Bandbreite der zu behandelnden Rechtsgebiete. Allerdings hat der BGH in seiner Entscheidung vom 27.11.19 (Lex Fox I, NJW 20, 208) für das Angebot „wenigermiete.de“ Erwägungen in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und der Literatur eine Absage erteilt, der vorgesehene 120-stündige Lehrgang vermittele zwar Grundkenntnisse in den Gebieten des § 11 Abs. 1 RDG, aber keine ausreichende Grundlage für einen qualifizierten Rechtsrat auf dem Gebiet des Wohnraummietrechts. Dies sei mit § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 11 Abs. 1, § 12 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Abs. 5 RDG nicht zu vereinbaren. Es treffe zwar zu, dass das Wohnraummietrecht ein erhebliches Maß an Komplexität aufweise. Den genannten Vorschriften sei jedoch nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber oder der Verordnungsgeber deshalb davon ausgegangen wäre, ein registrierter Inkassodienstleister dürfe nicht auf diesem Rechtsgebiet tätig werden.
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    • MERKE | Die Instanzrechtsprechung zeigt vor allem, dass sie sich mit dem angebotenen Sachkundelehrgang nicht auseinandergesetzt hat. Die 120 Stunden werden von dem Sachkundelehrgang des Bundesverbands Deutscher Inkasso Unternehmen über dessen Fortbildungsgesellschaft, die Deutsche Inkassoakademie, an dem alle seriösen Inkassodienstleister teilnehmen, übertroffen. Sie betreffen dazu nur die Präsenzzeiten innerhalb eines neunmonatigen Lehrgangs, in dem in allen Rechtsgebieten auch lehrgangsbegleitende Materialien mit mehr als 2.500 Seiten aufzuarbeiten sind. Der zeitliche Aufwand für den Erwerb der theoretischen Sachkunde liegt also um ein Vielfaches höher als die gesetzlich vorgesehene Mindeststundenzahl von 120. Auch wird ausgeblendet, dass alle Teilnehmer des Sachkundelehrgangs bereits über eine abgeschlossene, meist einschlägige Berufsausbildung verfügen und schon mindestens zwei Jahre unter einer qualifizierten Person verantwortlich gearbeitet haben müssen.

       

    Die Grenze des Erlaubten ist hiernach erst erreicht, wenn die angebotene Tätigkeit gar nicht mehr auf eine Forderungseinziehung gerichtet ist, sondern ‒ etwa ‒ auf die Abwehr von Forderungen (BGH NJW 20, 208).

     

    Dies trifft beim LG Karlsruhe im Hinblick auf den Schutzzweck des RDG zwar auf Bedenken. Dass den Rechtssuchenden bei der Forderungsabwehr oder anderen Tätigkeiten ohne Forderungsbezug größere Gefahren durch unqualifizierte Rechtsdienstleistungen drohten, die es rechtfertigten, zwar Inkassotätigkeiten, nicht aber die Forderungsabwehr oder Tätigkeiten ohne Forderungsbezug für registrierte Dienstleister freizugeben, sei nicht ersichtlich. Auf Basis der Lex-Fox-Entscheidungen des BGH griffen diese Bedenken jedoch nicht durch.

     

    MERKE | Da im Rahmen der Forderungseinziehung Einreden und Einwendungen des Schuldners ggf. abgewehrt, also am Ende auch geprüft werden müssen, ist es nicht zu verstehen, warum Inkassodienstleister nicht in der Anspruchsabwehr tätig werden sollen. Dies spricht aber eher für eine Erweiterung der Inkassobefugnis als für eine Beschränkung der Tätigkeit.

     

    Die Tätigkeit der Klägerin hält sich nach einer Gesamtwürdigung des LG damit unter Beachtung der aufgeführten Grundsätze im Rahmen des Erlaubten. Dies ist zweifelsfrei der Fall, sofern man hierfür allein auf den Gegenstand des Auftrags im streitgegenständlichen Fall abstellt (Geltendmachung eines Schmerzensgeldanspruchs bei einfacher Sachlage), gilt aber auch für das Gesamtangebot der Klägerin, sodass die Frage, ob für die Wirksamkeit des Vertragsschlusses im Streitfall auf Ersteres oder Letzteres abzustellen ist, offenbleiben kann.

     

    Unproblematisch: Schmerzensgeldrechner

    Die Klägerin überschreitet ihre Befugnisse auch nicht, indem sie mit dem Schmerzensgeldrechner einen Service zur Verfügung stellt, den Interessenten bereits vor Abschluss einer vertraglichen Vereinbarung in Anspruch nehmen können. Die Bedeutung für den Interessenten beschränkt sich auf eine überschlägige und vorläufige Einschätzung der Höhe eines etwaigen Anspruchs. Dies ist als zulässig anzusehen (BGH NJW 20, 280 unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BVerfG NJW 02, 1190 für den Mietpreisrechner von wenigermiete.de).

     

    Geltendmachung von Auskunfts- und Vorlageansprüchen

    Dasselbe gilt, soweit die Tätigkeit der Klägerin die Geltendmachung von Ansprüchen auf Auskunft und Vorlage von Unterlagen umfasst. Aus dem Gesamtkontext ergibt sich, dass es sich um bloße Hilfsansprüche im Vorfeld einer Anspruchsgeltendmachung handelt. Dies ist von der Erlaubnis der Klägerin umfasst (BGH NJW 20, 208 für Auskunftsansprüche aus § 556g Abs. 3 BGB im Rahmen des Angebots von wenigermiete.de).

     

    Erfolgsprovision neben Abtretung an Erfüllungs statt

    Eine Überschreitung der Erlaubnis der Klägerin ergibt sich auch nicht im Zusammenhang mit deren Vergütungsmodell, das einerseits durch eine Erfolgsbeteiligung, andererseits durch die Freihaltung von Kosten im Misserfolgsfall gekennzeichnet ist. Dies gilt namentlich unter dem Aspekt eines möglichen Wertungswiderspruchs zwischen diesem Vergütungsmodell und den bei Beauftragung eines Rechtsanwalts geltenden strengeren berufsrechtlichen Vorschriften, die weder ein Erfolgshonorar noch eine Freihaltung von Kosten im Misserfolgsfall gestatten (Art. 3 GG).

     

    Dass ein Inkassounternehmen mit seinem Kunden (anders als ein Rechtsanwalt) ein Erfolgshonorar vereinbaren darf, ist seit Langem anerkannt. Überdies zeigt der Wortlaut von § 4 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2 RDGEG (in der bis zum bis zum 30.9.21 geltenden Fassung), dass der Gesetzgeber die registrierten Inkassodienstleister von dem in § 4 Abs. 2 S. 2 RDGEG enthaltenen Verboten der Vereinbarung eines Erfolgshonorars und/oder einer Kostenübernahme ausnehmen wollte (BGH NJW 20, 208).

     

    Daran hat sich durch die seit dem 1.10.21 geltende Neuregelung des § 4 RDGEG und der §§ 13a ff. RDG nichts geändert.

     

    Die Vereinbarung eines Erfolgshonorars einerseits und einer Kostenfreihaltung andererseits führt auch nicht zu einer Interessenkollision i. S .v. § 4 RDG oder sonst einem Verstoß gegen diese Vorschrift, die zu einer Unzulässigkeit der Rechtsdienstleistungen führen könnten (im Einzelnen: BGH NJW 20, 208).

     

    Möglich: Kooperation mit Rechtsanwalt

    Eine Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis besteht nicht darin, dass der Klägerin, „soweit weitergehend vereinbart“ die gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen „mithilfe unserer Partneranwälte“ übertragen ist. Die Zielsetzung des RDG, der Schutz vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen, steht der Übernahme der gerichtlichen Durchsetzung von Ansprüchen jedenfalls nicht entgegen, wenn (wie hier) ein Rechtsanwalt als unabhängiges Organ der Rechtspflege mit der Durchsetzung des streitigen Verfahrens beauftragt wird (BGH, a. a. O.).

     

    Rechtsverfolgungskosten sind richtig berechnet

    Der durch das AG zugesprochene Betrag entspricht der getroffenen Vereinbarung. Unstreitig wurde eine Vergütung nach Maßgabe des RVG vereinbart.

     

    Entgegen der Auffassung der Beklagten beschränkt sich der Anspruch der Klägerin nicht auf eine 0,3-Gebühr nach VV RVG Nr. 2301. Es kann dahinstehen, ob es sich bei der an die Beklagte gerichteten Zahlungsaufforderung um ein „einfaches Schreiben“ im Sinne dieser Regelung handelte. Der Gebührentatbestand des VV RVG Nr. 2301 ist nicht schon einschlägig, wenn die anwaltliche Tätigkeit in einem einfachen Schreiben mündet, sondern nur dann, wenn das Mandat von vornherein allein hierauf gerichtet war. Umfasst das Mandat dagegen ‒ wie hier ‒ auch vorangegangene Prüfungen und Überlegungen, gilt VV RVG Nr. 2300 (Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 25. Aufl., VV RVG Nr. 2301 Rn. 1).

     

    Die durch die Beauftragung der Klägerin entstandenen Kosten sind zur Schadenbeseitigung erforderlich und gehören damit zu den nach § 249 BGB zu ersetzenden Kosten. Die Ersatzpflicht gemäß § 249 BGB erstreckt sich auf die durch die Geltendmachung und Durchsetzung des Schadenersatzanspruchs verursachten Kosten. Es besteht insoweit als Teil des Schadenersatzanspruchs ein materiellrechtlicher Kostenersatzanspruch (Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 249 Rn. 56), und zwar unabhängig davon, ob der Schädiger sich mit dem Ersatz des (Haupt-)Schadens in Verzug befindet.

     

    Die Erforderlichkeit scheitert nicht daran, dass es sich bei der Klägerin nicht um einen Rechtsanwalt handelt, sondern um einen Rechtsdienstleister nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG. Die Klägerin war aufgrund der Art ihrer Geschäftstätigkeit ebenso wie ein Rechtsanwalt in der Lage, dem Geschädigten bei der Durchsetzung seines Anspruchs zu helfen, was auch erfolgreich geschehen ist.

     

    Der Ersatzfähigkeit der Kosten steht nicht entgegen, dass die Klägerin den Geschädigten für den Fall des Misserfolgs von der Zahlung einer Vergütung freigestellt und der Geschädigte einen etwaigen Kostenerstattungsanspruch in Höhe des gemäß § 4 RDGEG i. V. m. dem RVG analog zu beanspruchenden Betrags an Erfüllungs statt an die Klägerin abgetreten hat. Die Regelung bewirkt zwar, dass für den Geschädigten aus der Vereinbarung mit der Klägerin keinerlei Kostenrisiko resultierte. Die Pflicht zum Ersatz von Rechtsverfolgungskosten setzt aber voraus, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung verpflichtet ist (Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 249 Rn. 57).

     

    Im Streitfall führt dies jedoch ‒ entgegen der Auffassung der Beklagten ‒ nicht dazu, dass ein Schaden in Gestalt von Rechtsverfolgungskosten schon dem Grunde nach zu verneinen wäre. Es handelt sich vielmehr um einen Fall der Drittschadensliquidation. Der eigentlich beim Geschädigten zu erwartende Schaden (Rechtsverfolgungskosten) wurde aufgrund der Vergütungsabrede mit der Klägerin, namentlich der Abtretung des Ersatzanspruchs an die Klägerin an Erfüllungs statt, aus Sicht der Beklagten zufällig auf einen Dritten, die Klägerin, verlagert. Daraus darf die Beklagte keinen Vorteil ziehen (Grüneberg, a .a. O., Vorb v § 249 Rn. 105).

    Relevanz für die Praxis

    Diese Sicht des LG dürfte zweifelhaft sein. Es wird verkannt, dass ein Vergütungsanspruch begründet wurde, der einen Schaden des Gläubigers darstellt. Dieser Vergütungsanspruch wird durch die Abtretung des Erstattungsanspruchs, also den Verlust einer Rechtsposition, erfüllt.

     

    Deshalb stellt die Abtretung an Erfüllungs statt nach § 364 BGB nur eine andere Art der Erfüllung dar. Das ergibt sich auch aus der systematischen Stellung im Titel über die Erfüllung.

     

    Bei dem Anspruch der Klägerin handelt es sich um einen Zahlungsanspruch, und zwar unabhängig davon, ob der (abgetretene) Anspruch des Geschädigten lediglich auf Freihaltung oder ebenfalls bereits auf Zahlung gerichtet war. Ein Befreiungsanspruch wandelt sich durch Abtretung an den Gläubiger des Anspruchs, von dem zu befreien ist, in einen Zahlungsanspruch um (Grüneberg, a. a. O., § 399 Rn. 4).

     

    MERKE | Die Beklagte wollte sich mit diesem Ergebnis nicht zufriedengeben und hat die zugelassene Revision zum BGH eingelegt (VI ZR 180/22). FMP wird berichten.

     
    Quelle: Ausgabe 04 / 2023 | Seite 66 | ID 49209236