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  • · Fachbeitrag · Bauspardarlehen

    Zeitliche Obergrenze für die Zuteilung eines Bausparvertrags

    | In Zeiten des Niedrigzinses sind ältere Bausparverträge eine hervorragende Geldanlage mit hohen Zinsen. Deshalb lassen sich viele Bausparer das Darlehen nicht zuteilen und das Guthaben nicht auszahlen. Das ist den Bausparkassen ein Dorn im Auge, die deshalb die Bausparverträge kündigen. Ob dies möglich ist, war in den vergangenen Monaten streitig. Das OLG Hamm schlägt sich nun auf die Seite der Bausparkasse: Auch der Bausparer gewährt danach der Bausparkasse in Höhe seines Guthabens ein Darlehen. |

    Sachverhalt

    Die Parteien streiten über den Bestand eines Bausparvertrags, den der Bausparer am 28.8.78 mit der Bausparkasse über eine Bausparsumme von 50.000 DM (= 25.564,59 EUR) abgeschlossen hatte. Gemäß § 6 Abs. 1 ABB wird das Bausparguthaben jährlich mit 3 Prozent verzinst. Nach § 11 Abs. 1 ABB wird der Bausparvertrag zugeteilt, wenn seit dem Vertragsabschluss mindestens 18 Monate vergangen sind, eine bestimmte Bewertungszahl erreicht ist und ein Bausparguthaben von mindestens 40 Prozent der Bausparsumme angespart worden ist. Nach § 9 Abs. 1 ABB kann die Bausparkasse den Bausparvertrag nicht kündigen, solange der Bausparer seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt. Im Jahr 1991 lagen die Zuteilungsvoraussetzungen des Bausparvertrags vor, der Bausparer verzichtete jedoch vorläufig auf die Zuteilung und rief das Bauspardarlehen bis heute nicht ab, worauf die Bausparkasse ihn zum 30.6.15 kündigte. Der Bausparer begehrt festzustellen, dass die Kündigung unwirksam ist. Das LG hat die Klage abgewiesen.

    Relevanz für die Praxis

    Das OLG Hamm hat sich jetzt der Meinung des LG Münster angeschlossen und hierauf einen Hinweis nach § 522 Abs. 2 BGB gestützt.

     

    PRAXISHINWEIS | Dies ist in prozessualer Hinsicht zu beanstanden, weil die Frage streitig ist und eine höchstrichterliche Entscheidung noch nicht vorlag. Insoweit wäre es richtig gewesen, die Berufung ggf. nach mündlicher Verhandlung zurückzuweisen, zugleich aber die Revision zuzulassen. In vergleichbaren Fällen sollten Sie schon mit der Berufungsbegründung die Zulassung der Revision beantragen, wenn dem Berufungsvorbringen nicht gefolgt wird. Dies sollten Sie auf einen Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO wiederholen und vertiefen.

     

    Die Auffassung des OLG lässt sich im Ergebnis wie folgt zusammenfassen:

     

    • Leitsatz: OLG Hamm 26.10. (Hinweis) und 25.11.15 (Beschluss), 31 U 182/15

    Eine Bausparkasse ist berechtigt, einen Bausparvertrag gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zehn Jahre nach Zuteilungsreife zu kündigen. Es ist nicht zwingend erforderlich, dass die Bausparsumme tatsächlich zugeteilt wurde (Abruf-Nr. 146662).

     

    Das LG hat den Bausparvertrag in der Ansparphase nach Ansicht des OLG zutreffend als Darlehensvertrag qualifiziert (vgl. auch Palandt-Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., Vorb. v. § 488 Rn. 17). Die h. M. sehe in dem Bausparvertrag einen einheitlichen Darlehensvertrag mit der Besonderheit, dass Bausparkasse und Bausparer mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens ihre jeweiligen Rollen als Darlehensgeber und Darlehensnehmer tauschen (vgl. OLG Stuttgart WM 13, 508).

     

    MERKE | Ob eine Literaturauffassung und eine obergerichtliche Entscheidung schon eine h. M. ausmachen, darf bezweifelt werden. Auch ersetzt der Verweis auf eine „h. M.“ kein Argument. Allerdings hat auch das OLG Frankfurt in dieser Weise entschieden (2.10.13, 19 U 106/13).

     

    Gibt es ein gesetzliches Kündigungsrecht?

    In der Sache entscheidend ist die Antwort auf die Frage, ob der Bausparer in der Ansparphase Darlehensgeber ist und deshalb der Darlehensvertrag nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB von der Bausparkasse 10 Jahre nach der Zuteilungsreife gekündigt werden kann. Davon geht das OLG Hamm nun aus.

     

    MERKE | Nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang des Darlehens kündigen, wenn er die Kündigungsfrist von sechs Monaten einhält. Wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Abrede über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, tritt der Zeitpunkt dieser Abrede an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.

     

    § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist nach dem OLG auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar. Falsch sei die Ansicht, dass die Laufzeit des Darlehens durch den Zeitpunkt festgelegt sei, an dem sich die jeweilige Rolle der Parteien umkehrt, was erst mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens der Fall sei. Das verkenne, dass bei einem Bausparvertrag die Bausparsumme nicht zwingend zugeteilt werden muss. Deshalb stand im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gerade nicht fest, wann Bausparvertrag und Bauspardarlehen zugeteilt würden. Vor diesem Hintergrund sei § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar (OLG Frankfurt 2.10.13, 19 U 106/13).

     

    MERKE | Nicht diskutiert wird in diesem Zusammenhang, ob der Bausparer überhaupt eine auf einen Darlehensvertrag gerichtete Willenserklärung abgegeben hat. In der Regel wird ihm nicht bewusst sein, in die Rolle des Darlehensgebers zu schlüpfen.

     

    Besonderheit: Vertraglicher Ausschluss der Kündigung

    Nach § 9 Abs. 1 ABB der Bausparkasse kann der Bausparvertrag zwar nicht gekündigt werden, solange der Bausparer seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt. Hierauf berief sich der Kläger jedoch erfolglos. Nach § 489 Abs. 4 S. 1 BGB kann das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach den Abs. 1 und 2 nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. Ginge man daher davon aus, dass § 9 Abs. 1 ABB der Beklagten auch das Kündigungsrecht aus § 489 BGB ausschließen solle, wäre diese AGB kraft Gesetzes unwirksam.

     

    MERKE | Das mag objektiv zutreffen. Insoweit müsste aber ‒ natürlich nur auf einen entsprechenden Einwand, der hier nicht erhoben wurde ‒ erörtert werden, ob sich die Bausparkasse auf die Unwirksamkeit nach § 242 BGB berufen kann, da sie Verwender der AGB ist und den Bausparer insoweit über die wahre Rechtslage getäuscht hat. Auch belegt die Vorschrift, dass die Bausparkasse selbst nicht davon ausging, Darlehensnehmer zu sein.

     

    Streitwertfestsetzung mit Auswirkung auf Rechtsmittel

    Das OLG hat den Streitwert für das Berufungsverfahren auf bis zu 1.600 EUR festgesetzt. Nach st. Rspr. des OLG ist der Streitwert gemäß § 3 ZPO nach dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers an der Feststellung objektiv zu ermitteln (Musielak/Heinrich, ZPO, 13. Aufl., § 3 „Feststellungsklagen“ und Rn. 6).

     

    Objektiv betrachtet, besteht das wirtschaftliche Interesse des Klägers daran, weiter einen angesichts des heutigen allgemeinen Zinsniveaus attraktiven Guthabenzins von 3 Prozent auf das eingezahlte Kapital zu erzielen. Das nach § 3 ZPO eröffnete Ermessen ist gemäß § 9 S. 1 ZPO dahin auszuüben, dass auf den Zinsertrag abzustellen ist, den der Kläger nach dem derzeitigen Stand des Kapitals in 3 1/2 Jahren erzielen würde. Dabei ist dieser Betrag im Hinblick auf die Tatsache, dass der Kläger einen Feststellungsantrag gestellt hat, um weitere 20 Prozent zu kürzen: auf bis zu 1.600 EUR ‒ mehr nicht. Einem etwaigen Interesse des Klägers daran, dass gerade die Beklagte seine Geldanlage weiter verwaltet, ist bei der gebotenen objektiven Betrachtung kein eigenständiger wirtschaftlicher Wert beizumessen.

     

    MERKE | Nach § 26 Nr. 8 EGZPO setzen die Revision und Nichtzulassungsbeschwerde eine Beschwer von 20.000 EUR voraus. Der Weg zum BGH ist deshalb nur eröffnet, wenn die Entscheidung durch Urteil getroffen und die Revision zum BGH zugelassen wird. Es wäre wünschenswert, dass dies demnächst geschieht.

     

    Auf einen entsprechenden Hinweis ‒ und nicht zuletzt vor der entzogenen Möglichkeit der Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde ‒ hat der Kläger die Berufung zurückgenommen. In der Sache des OLG Frankfurt (2.10.13, 19 U 106/13) wurde die Nichtzulassungsbeschwerde dagegen zurückgewiesen (BGH 24.6.14, XI ZR 384/13). Das lässt die Interpretation zu, dass der BGH die Ansicht der OLG Stuttgart, Frankfurt und Hamm teilt. Allerdings hat er nicht begründet, warum er die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen hat, sodass seine abschließende Ansicht rechtssicher nicht zu ergründen ist. Damit dürfte die Streitfrage weiterhin nicht entschieden sein. Ungeachtet dessen: Über 10 Jahre bietet sich dem Bausparer ein erheblicher Zinsvorteil.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Kündigung eines Bauspardarlehens, FMP 16, 16
    • Darlehensgebühren in Bausparverträgen wirksam?, FMP 15, 165
    Quelle: Ausgabe 04 / 2016 | Seite 60 | ID 43919146