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  • · Fachbeitrag · Kindesunterhalt

    Erwerbseinkommen, Ausbildungsvergütung und ausbildungsbedingter Mehrbedarf

    von RiOLG Andreas Kohlenberg, Celle

    | In Kindesunterhaltsverfahren stellt sich in der Praxis oft die Frage, in welcher Höhe aufseiten des minderjährigen oder volljährigen Kindes Erwerbseinkünfte, insbesondere eine Ausbildungsvergütung, zu beachten sind. Im Anschluss an die Feststellung des Bedarfs ist dies regelmäßig im Rahmen der Bedürftigkeit (§ 1602 BGB) zu prüfen. Bedürftigkeit besteht, soweit der Unterhaltsberechtigte seinen Bedarf nicht durch eigene Einkünfte, ggf. auch durch den Einsatz seines Vermögens decken kann. Die Bedürftigkeit entspricht also dem offenen Bedarf. Dazu im Einzelnen: |

    1. Anrechnung eigener Einkünfte

    Eigene Einkünfte sind grundsätzlich anzurechnen, um den eigenen Bedarf zu decken; sie mindern folglich die Bedürftigkeit. Insoweit hängt die Bedürftigkeit regelmäßig nicht nur von tatsächlich erzielten, sondern auch von erzielbaren Einkünften ab: Bedürftig ist nur, „wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten“, § 1602 Abs. 1 BGB. Wer also nicht arbeitet, obwohl er arbeiten kann und deswegen kein Geld hat, kann keinen Unterhalt beanspruchen. Die Darlegungs- und Beweislast für die Bedürftigkeit liegt bei dem Bedürftigen; ihm werden also schon Einkünfte als erzielbar unterstellt, wenn nicht festgestellt werden kann, dass er solche Einkünfte nicht erzielen kann. Dabei gelten aber gerade für minderjährige Kinder Besonderheiten, und zwar sowohl, was die Anrechnung tatsächlich erzielter Einkünfte betrifft, als auch, was die Zurechnung erzielbarer Einkünfte angeht (Norpoth/Kohlenberg in: Heiß/Born, Unterhaltsrecht, 53. Aufl., Kap. 12 Rn. 52).

     

    Minderjährige erzielen gewöhnlich keine Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit. Solange sie der Vollzeitschulpflicht unterliegen, dürfen sie auch nicht beschäftigt werden (vgl. § 2, § 5 Abs. 1, § 7 Abs. 1 JArbSchG). Zulässig ist dagegen nach § 5 Abs. 3 JArbSchG, das Taschengeld z. B. durch Austragen von Zeitungen oder Werbeprospekten aufzubessern. Sowohl während der allgemeinen Schulausbildung als auch während der sich anschließenden späteren Berufsausbildung trifft Kinder keine Erwerbsobliegenheit (Norpoth/Kohlenberg in: Heiß/Born, Unterhaltsrecht, a.a.O., Kap. 12 Rn. 53). Für den Fall, dass ein schulpflichtiges Kind gleichwohl Einkünfte erzielt, stammen diese aus unzumutbarer Tätigkeit und sind nur nach Billigkeit entsprechend § 1577 Abs. 2 BGB anzurechnen (BGH FamRZ 95, 475). Während einer vollschichtig betriebenen Ausbildung gilt dies auch noch für die Zeit nach Erreichen der Volljährigkeit (BGH FamRZ 95, 475; OLG Jena FamRZ 09, 1416).