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  • · Fachbeitrag · Unterhaltsprivileg

    Aussetzung der Versorgungskürzung nur wegen Ehegattenunterhalts

    von VRiOLG a.D. Hartmut Wick, Celle

    • 1. Unterhaltsansprüche einer anderen als der im Versorgungsausgleich ausgleichsberechtigten Person rechtfertigen keine Aussetzung der Kürzung der laufenden Versorgung.
    • 2. Das Anrecht eines Rentners kann nicht wegen grober Unbilligkeit dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten bleiben.
     

    Sachverhalt

    In der 15 Jahre dauernden Ehezeit hat der Ehemann (M) wesentlich höhere Versorgungsanrechte erworben als die Ehefrau (F). M befand sich bei Ehezeitende bereits im Vorruhestand. Drei Jahre nach Ehezeitende begann seine Regelaltersrente. F ist ca. 20 Jahre jünger als er. Sie ist nicht erwerbstätig und lebt in einer neuen Lebensgemeinschaft. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen. Ein Kind lebt bei M, das andere bei F. Für das bei F lebende Kind zahlt M Unterhalt. Das AG hat den Wertausgleich bei der Scheidung durchgeführt und die Anrechte beider Eheleute intern geteilt. Mit seiner Beschwerde begehrt M, den Versorgungsausgleich (VA) wegen grober Unbilligkeit schuldrechtlich durchzuführen. Hilfsweise beantragte er, die Kürzung seiner laufenden Versorgung im Hinblick auf den geschuldeten Kindesunterhalt nach § 33 VersAusglG auszusetzen. Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich erfolglos die zugelassene Rechtsbeschwerde des M.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Dem Wertausgleich bei der Scheidung unterfallen grundsätzlich alle in der Ehezeit erworbenen Anrechte der Ehegatten.

     

    Der schuldrechtliche VA kommt nur in Bezug auf Anrechte in Betracht,

    • die im Zeitpunkt der Entscheidung über den VA noch nicht ausgleichsreif sind (§ 19 VersAusglG) oder
    • die die Ehegatten in einer Vereinbarung nach § 6 VersAusglG ausdrücklich dem schuldrechtlichen VA vorbehalten haben.

     

    Da hier weder ein Fall mangelnder Ausgleichsreife noch eine Vereinbarung vorliegt, ist der Wertausgleich bei der Scheidung durchzuführen.

     

    Die Härteklausel des § 27 VersAusglG ermöglicht es nur, aus Billigkeitsgründen von der Halbteilung der Anrechte abzuweichen. Sie erlaubt es den Gerichten dagegen nicht, eine gesetzlich nicht vorgesehene Ausgleichsform zu wählen. Hier wendet sich M nicht gegen die Halbteilung der Anrechte, sondern will nur erreichen, dass sich der VA nicht sofort nach der Scheidung in einer Kürzung seiner Rente auswirkt. Er beanstandet damit der Sache nach die Aufhebung des früheren „Rentnerprivilegs“ durch das neue VA-Recht. Diese vom Gesetzgeber bewusst vorgenommene Rechtsänderung darf aber nicht dadurch konterkariert werden, dass die Härteklausel angewandt wird (BGH FK 13, 207, Abruf-Nr. 130816).

     

    Die mit Rechtskraft der Entscheidung über den VA eintretende Kürzung der laufenden Renten des M kann auch nicht nach § 33 VersAusglG ausgesetzt werden. Dabei kann dahinstehen, ob und ggf. unter welchen Umständen über die Anpassung der Kürzung bereits im Verbundverfahren entschieden werden kann. Denn die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Kürzung liegen nicht vor.

     

    Gemäß § 33 Abs. 1 VersAusglG wird die Kürzung der Versorgung des Ausgleichspflichtigen ausgesetzt, solange der Ausgleichsberechtigte aus einem im VA erhaltenen Anrecht noch keine Versorgung erhalten kann und er gegen den Ausgleichspflichtigen ohne die Kürzung durch den VA einen Unterhaltsanspruch hätte. F hat jedoch auch ohne die Kürzung durch den VA keinen Unterhaltsanspruch gegen M. Unterhaltsansprüche anderer Personen gegen den Ausgleichspflichtigen sind bei § 33 VersAusglG ohne Bedeutung. Denn diese Vorschrift knüpft gezielt an die Doppelbelastung des Ausgleichspflichtigen durch Kürzung seiner laufenden Versorgung bei gleichzeitig bestehender Unterhaltspflicht gegenüber dem Ausgleichsberechtigten an. Damit fehlt es an einer für einen Analogieschluss erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Die Verpflichtung des M zur Zahlung von Kindesunterhalt kann daher nicht dazu führen, dass die durch den VA eintretende Kürzung seiner laufenden Rente ausgesetzt wird.

     

    Praxishinweis

    Der BGH stellt klar, dass die Härteklausel des § 27 VersAusglG beim Wertausgleich bei der Scheidung nach den §§ 9 ff. VersAusglG nur einen (teilweisen oder vollständigen) Ausschluss des VA begründen kann. Sie erlaubt aber nicht, einen späteren schuldrechtlichen Ausgleich vorzubehalten. Auf einen zumindest teilweisen Ausschluss des VA wegen grober Unbilligkeit hatte sich M hier nicht berufen, obwohl hierzu aufgrund des großen Altersabstands zwischen den Ehegatten und die neue Lebenspartnerschaft der F durchaus Veranlassung bestanden haben könnte (vgl. zur sog phasenverschobenen Ehe z.B. BGH FK 08, 141, Abruf-Nr. 073316). Möglicherweise hat sich der BGH daher auch nicht mit der Frage befasst, ob die Umstände des Falls es hätten rechtfertigen können, aus Härtegründen von der Halbteilung der Anrechte des M abzuweichen.

     

    MERKE | Es ist wichtig, dass der Ausgleichspflichtige von sich aus alle Gründe vorträgt, die aus seiner Sicht einen (teilweisen) Ausschluss des VA rechtfertigen. Auf Gesichtspunkte, auf die er sich nicht selbst berufen hat, muss das Gericht nicht unbedingt eingehen (st. Rechtsprechung des BGH, zuletzt FamRZ 13, 1200).

     

    Die aufgrund des VA eintretende Kürzung der laufenden Renten kann auch nicht nach § 33 VersAusglG ausgesetzt werden. Nach dem Wortlaut können nur Unterhaltszahlungen des Ausgleichspflichtigen an den geschiedenen Ehegatten dazu führen, dass die Versorgungskürzung bis zum Rentenbeginn des Ausgleichsberechtigten gestoppt wird. Noch nicht entschieden hat der BGH die Frage, ob ein Antrag nach § 33 VersAusglG bereits im Scheidungsverbund zulässig ist (dagegen z.B. OLG Celle FamRZ 13, 1313; dafür z.B. OLG Hamm FamRZ 13, 1905).

    Quelle: Ausgabe 12 / 2014 | Seite 208 | ID 43019993