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  • · Fachbeitrag · Kindesunterhalt

    Zurechnung fiktiver Einkünfte nur im Rahmen der tatsächlichen Erwerbsmöglichkeiten

    von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf

    Besteht in einem Unterhaltsverfahren Veranlassung, einem Beteiligten fiktive Einkünfte zuzurechnen, sind bei der Höhe der erzielbaren Ein-künfte die Erwerbsfähigkeit des Beteiligten und seine Erwerbsmöglichkeiten unter Einbeziehung der tatsächlichen Gegebenheiten am Arbeitsmarkt zu berücksichtigen und der erzielbare Arbeitslohn danach individuell zu bestimmen (BVerfG 18.6.12, 1 BvR 774/10, NJW 12, 2420, Abruf-Nr. 123124).

    Sachverhalt

    Der 1964 geborene Beschwerdeführer stammt aus Ghana. Er lebt seit geraumer Zeit in Deutschland, ist der deutschen Sprache jedoch nur unzureichend mächtig. Er ist Vater zweier 1989 und 1997 geborener, in Ghana lebender Töchter sowie eines im Jahre 2006 in Deutschland geborenen Sohns des Klägers im Ausgangsverfahren. Der Beschwerdeführer arbeitet seit Sep-tember 2007 als Küchenhelfer und verdient ca. 1.027 EUR netto im Monat. Er zahlt dem Kläger monatlich 125 EUR Unterhalt. Diesen Betrag hat er im Ausgangsverfahren anerkannt.

     

    Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer, dem Kläger ab Juni 2009 den Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe zu zahlen, der einem Zahlbetrag von 199 EUR im Monat entspricht. Das OLG hat die Berufung mit der Begründung zurückgewiesen, das Amtsgericht sei zu Recht davon aus-gegangen, dass der Beschwerdeführer nicht dargetan beziehungsweise nachgewiesen habe, sich in dem nach § 1603 Abs. 2 BGB erforderlichen Maß um die Sicherung des Mindestkindesunterhalts bemüht zu haben. Ein ungelernter Mann könne bei gehörigen Bemühungen einen Bruttostundenlohn von 10 EUR erzielen. Es sei nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer bei entsprechenden Bemühungen keine Chance auf die höhere Vergütung habe. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, dass er faktisch keinen Stundenlohn in Höhe von 10 EUR erzielen kann. Mit seinem Bruttostundenlohn von 8,37 EUR liege er bereits über dem mit seinen Qualifikationen grundsätzlich erzielbaren Einkommen. Die Aufnahme einer Nebentätigkeit sei ihm nicht zumutbar, da er 40 Stunden die Woche und täglich von 6.00 Uhr bis 15.30 Uhr arbeite. Für samstags lasse sich keine entsprechende Neben-tätigkeit finden. Laut OLG sei es dem Beschwerdeführer jedoch zuzumuten, zur Sicherung des Mindestunterhalts durch eine geringfügige Nebentätigkeit am Wochenende, 23 EUR monatlich zusätzlich zu erwirtschaften.