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  • · Fachbeitrag · Kindesunterhalt

    Überprüfung des BAföG-Bescheids durch das Familiengericht

    von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf

    • 1.Ist bei der Bewilligung von Ausbildungsförderung in der Form von ­Vo­rausleistungen die Höhe des von den Eltern des in der Ausbildung befindlichen unterhaltsberechtigten Kindes einzusetzende Einkommen streitig, muss das Familiengericht die Rechtmäßigkeit der von der ­zuständigen Behörde durchgeführten Einkommensermittlung in vollem Umfang überprüfen (im Anschluss an Senatsurteil FamRZ 00, 640).
    • 2.Steht bei der Einkommensermittlung die Anerkennung eines Härtefreibetrags im Ermessen der Behörde, muss das Familiengericht auch überprüfen, ob nur die Anerkennung des Freibetrags ermessensfehlerfrei ist, und diesen ggf. abweichend vom ergangenen Bewilligungsbescheid in seine Berechnung einbeziehen.
    • 3.Der Unterhaltspflichtige ist für eine Begrenzung des Anspruchsübergangs darlegungs- und beweispflichtig. Soweit es ihm nicht gelingt, die Voraussetzungen für eine Ermessensreduzierung hinsichtlich des Härtefreibetrags darzulegen, ist von der Rechtmäßigkeit der behördlichen Bewilligung und dem darin zugrunde gelegten einsetzbaren Elterneinkommen auszugehen.

    (BGH 17.7.13, XII ZR 49/12, MDR 13, 1169, Abruf-Nr. 133736)

     

    Sachverhalt

    Die Parteien streiten um Volljährigenunterhalt aus übergegangenem Recht. Der 1982 geborene Sohn des Beklagten bezog in der Zeit von Februar bis ­Dezember 04 als Student der Universität Oldenburg vom klagenden Land Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem BAföG, die zum Teil als ­Vorausleistungen erbracht wurden. Der 1938 geborene Beklagte bezieht ein Ruhegehalt sowie eine Rente. Er hat zwei weitere Söhne, von denen sich ­einer bis Juni 04 in der allgemeinen Schulausbildung befand. Der Beklagte ist wieder verheiratet. Seine Ehefrau studierte seit Oktober 04 und bezog seitdem Leistungen der Ausbildungsförderung. Sie wohnte am Studienort in einer vom Beklagten zu diesem Zweck erworbenen Eigentumswohnung. Die geschiedene Ehefrau des Beklagten und Mutter des volljährigen Sohnes war nicht leistungsfähig. Das AG hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Auf dessen Berufung hat das OLG die Klage für die Zeiträume von Februar 04 bis März 04 und Oktober 04 bis Dezember 04 als zurzeit unbegründet abgewiesen. Die dagegen ­gerichtete Revision hat teilweise Erfolg.

     

    Entscheidungsinhalt

    Ein Forderungsübergang nach § 37 Abs. 1 BAföG erfolgt nur, soweit auf den Bedarf des Auszubildenden das Einkommen der Eltern nach dem BAföG ­anzurechnen ist. Der Anspruchsübergang wird nicht nur durch den Betrag der geleisteten Aufwendungen und den nach bürgerlichem Recht geschuldeten Unterhalt begrenzt, sondern auch durch das nach den Vorschriften des BAföG anzurechnende Einkommen der Eltern.

     

    Hinsichtlich der letztgenannten Einschränkung handelt es sich zwar um die nach öffentlichem Recht zu beurteilende Frage der Rechtsmäßigkeit des ­Bewilligungsbescheids. Diese ist aber im Zivilprozess um den kraft Gesetzes übergegangenen Unterhalt im Hinblick auf die Anrechnung des Einkommens der Eltern vom Familiengericht voll zu überprüfen. Dies folgt schon daraus, dass das anzurechnende Einkommen gemäß § 37 Abs. 1 S. 1 BAföG die Obergrenze des Anspruchsübergangs bildet. Das steht damit in Einklang, dass der unterhaltspflichtige Elternteil am Verwaltungsverfahren grundsätzlich nicht beteiligt ist. Er ist daher an den Verwaltungsakt nicht i.S. einer Tatbestandswirkung gebunden. Ob ein Elternteil überhaupt einen eigenen Antrag auf Gewährung des Freibetrags stellen kann und welche Folgen sich daraus für den Umfang der Bestandskraft ergeben können, kann hier offenbleiben. Denn es ist keine entsprechende Beteiligung des Beklagten am Verwaltungsverfahren festzustellen. Ferner ist die Ermessensentscheidung zu überprüfen, ob nach § 25 Abs. 6 BAföG ein weiterer Einkommensteil zur Vermeidung unbilliger Härten anrechnungsfrei bleiben muss. Die Überprüfung der Höhe des auf den Förderungsbedarf des Auszubildenden anzurechnenden Einkommens des unterhaltspflichtigen Elternteils umfasst auch der Begrenzung des Anspruchsübergangs. Daher bedarf es der Überprüfung der ­Ermessensentscheidung nach § 25 Abs. 6 BAföG. Der Umstand, dass damit eine Ermessensvorschrift auf Ermessensfehler zu überprüfen ist, steht dem nicht entgegen. Das Familiengericht kann nur selbst kein Ermessen ausüben.

     

    Zu beanstanden ist die Annahme des OLG, die Klage des Landes sei derzeit als unbegründet abzuweisen, weil von einer bestandskräftig und rechtlich bindenden Entscheidung noch nicht ausgegangen werden könne. Dass der Bewilligungsbescheid bestandskräftig ist, ist nicht Voraussetzung für den Anspruchsübergang. § 37 Abs. 1 BAföG stellt insoweit nur auf die Zahlung der Ausbildungsförderung ab. Für die Qualifizierung der Ausbildungsförderung als Vorausleistung i.S. von § 36 BAföG genügt es, dass der betreffende ­Bescheid wirksam ist. Die Bestandskraft ist hierbei nicht erforderlich. Das Berufungsgericht muss daher prüfen, ob die Anerkennung des sog. Härtefreibetrags ermessensfehlerfrei ist. Darlegungs- und beweisbelastet für die Begrenzung des Anspruchsübergangs ist der Beklagte als Unterhaltspflichtiger. Soweit es diesem nicht gelingt, die Voraussetzungen für eine Ermessensreduzierung hinsichtlich des geltend gemachten Härtefreibetrags darzulegen, ist von der Rechtmäßigkeit der ­Bewilligung und dem darin zugrunde gelegten einsetzbaren Elterneinkommen auszugehen.

     

    Praxishinweis

    Zu überprüfen sind vor allem auch SGB II- oder Sozialhilfebescheide. Auch hier muss das Familiengericht wegen des dadurch bewirkten Forderungsübergangs überprüfen, ob der Bewilligungsbescheid rechtmäßig ist. Ist z.B. unstreitig, dass der Hilfeempfänger Vermögen besitzt, muss dies im Rahmen der Überprüfung des Bewilligungsbescheids berücksichtigt werden.

     

    Auf eine unterhaltsrechtliche Vermögensverwertungspflicht kommt es bei der Überprüfung der Bewilligungsbescheide nicht an.

    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 7 | ID 42374921