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  • · Fachbeitrag · Ehegattenunterhalt

    Unterhaltsvergleich: Präklusion wegen fehlender Geltendmachung einer Befristung

    von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf

    Wurde im Unterhaltsvergleich eine spätere Befristung des Unterhalts vorbehalten, diese jedoch in einem nach Veröffentlichung des Senatsurteils vom 12.4.06 (XII ZR 240/03, Abruf-Nr. 061797) verhandelten Abänderungsverfahren nicht geltend gemacht, ergibt sich weder aus der anschließenden Senatsrechtsprechung noch aus dem Inkrafttreten des § 1578b BGB am 1.1.08 eine wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse (im Anschluss an BGH 29.9.10, XII ZR 205/08, Abruf-Nr. 103525) (BGH 23.5.12, XII ZR 147/10, FamRB 12, 268, Abruf-Nr. 122097).

     

    Sachverhalt

    Die rechtskräftig geschiedenen Eheleute M und F streiten im Abänderungsverfahren um nachehelichen Unterhalt. Im April 2005 schlossen sie einen gerichtlichen Unterhaltsvergleich, worin der Ehemann M sich verpflichtete, an Ehefrau F Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt von monatlich rund 570 EUR zu zahlen. In diesem Vergleich behielt sich M eine Abänderung unter den Voraussetzungen einer zeitlichen Begrenzung des Unterhalts vor. Auf eine erste Abänderungsklage des M änderte das FamG die Unterhaltspflicht dahin ab, dass dieser nur noch nachehelichen Unterhalt von 466 EUR/Monat zahlen muss. Eine Befristung des Unterhalts wurde in dem Verfahren weder von M geltend gemacht noch vom Familiengericht (FamG) geprüft.

     

    Mit seiner weiteren im März 2009 erhobenen Abänderungsklage begehrt M die zeitliche Begrenzung des Unterhalts und beruft sich auf die bestehende erweiterte Befristungsmöglichkeit. Das AG gab der Abänderungsklage statt. Die dagegen gerichtete Berufung wurde zurückgewiesen. Die zugelassene Revision hat zur Aufhebung und Zurückverweisung geführt.

    Entscheidungsgründe

    Da das Abänderungsverfahren im März 2009 eingeleitet worden ist, ist § 323 Abs. 2 ZPO a.F. anwendbar. Jedoch führt die Abänderungsklage nicht zu einer Herabsetzung des Unterhalts. Die Präklusionsvorschrift des § 323 Abs. 2 ZPO a.F. steht entgegen. Sie ist anwendbar, weil der Prozessvergleich in einem früheren Abänderungsverfahren durch ein Urteil abgeändert worden ist. Die Abänderungsklage ist nur zulässig, wenn sie auf Gründe gestützt wird, die nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung, in der eine Erweiterung des Klageantrags oder die Geltendmachung von Einwendungen spätestens hätte erfolgen müssen, entstanden sind. Eine Abänderung ist unzulässig, wenn die veränderten Verhältnisse schon im Ausgangsprozess zur Geltung gebracht werden konnten. Maßgebender Zeitpunkt ist der Schluss der mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz. Das gilt für das Erstklage- und das Abänderungsverfahren. Es kommt nicht auf die Parteistellung an.

     

    Nicht unberücksichtigt kann bleiben, dass M seine Abänderungsklage auf Umstände stützt, die bereits vor Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung im Vorprozess entstanden sind. Die maßgebenden Kriterien wie

    • Ehedauer,
    • erlittene ehebedingte Nachteile,
    • Alter und
    • Gesundheitszustand bestehen ohne Veränderung fort.

     

    Daher kann eine wesentliche Veränderung der rechtlichen Verhältnisse nur durch die Gesetzesänderung oder die Änderung der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung eingetreten sein. Dies ist hier nicht der Fall. Die maßgebliche Veränderung der BGH-Rechtsprechung erfolgte bereits durch das Urteil vom 12.4.06 (XII ZR 240/03, Abruf-Nr. 061797). M hätte die Befristung und Herabsetzung des Unterhalts bereits im Vorprozess geltend machen müssen. Nach dem Stand der Rechtsprechung zum Zeitpunkt der abschließenden mündlichen Verhandlung vor dem FamG am 22.4.07 kam es vorwiegend auf die Frage an, ob der F ehebedingte Nachteile verblieben sind. Diese Frage war wegen unveränderter Tatsachenlage im Vorprozess zu beantworten und nicht erst im vorliegenden Verfahren.

     

    Die Befristung und Herabsetzung des Unterhalts waren nicht erst auf Einrede des M, sondern bei entsprechendem Sachvortrag von Amts wegen zu prüfen. Die Rechtskraft des Urteils erfasst im Zweifel auch die Möglichkeit einer Befristung, die bei unveränderter Tatsachenlage ausgeschlossen ist. Allerdings gilt etwas anderes, wenn sich aus den Entscheidungsgründen der abzuändernden Entscheidung ergibt, dass die Entscheidung über eine Befristung wegen der Entwicklung der Verhältnisse ausdrücklich offen gelassen wurde. Dann kann der Befristungseinwand später noch geltend gemacht werden. Aus dem Unterhaltsrechtsreformgesetz ergibt sich keine Veränderung für den Aufstockungsunterhalt. Die Begrenzungsmöglichkeit war auch schon vor dem 1.1.08 gegeben. Eine Änderung der Verhältnisse aufgrund des § 36 Nr. 1 EGZPO ist abzulehnen. Eine Anpassung von bestehenden Titeln ist nur möglich, wenn eine wesentliche Änderung der Unterhaltsverpflichtung eingetreten ist.

    Praxishinweis

    Die Entscheidung des BGH bietet keine Überraschungen oder etwas Neues. Sie ist auch auf das neue Recht zu übertragen, da § 238 FamFG für die Abänderungsmöglichkeit und insbesondere die Präklusion gleiche Regelungen enthält. Von Bedeutung ist zunächst, dass der BGH für die Präklusion auf die Entstehung der Tatsachen bis zur letzten mündlichen Verhandlung abstellt, was eigentlich durch den Gesetzeswortlaut vorgegeben ist.

     

    Umstände, die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht entstanden sind, aber bereits vorhersehbar waren, dürfen nicht einbezogen werden. Es dürfte nicht zulässig sein, noch nicht eingetretene, aber vorausschauend berücksichtigungsfähige Umstände als Alttatsachen zu behandeln, da sie ihre Qualität als Abänderungsgrund erst nach Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung erlangen.

     

    Alttatsache oder Abänderungsgrund?

    Das Gericht muss zwar Tatsachen, die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bevorstehen, bei der Prognoseentscheidung nach § 258 ZPO berücksichtigen. Daraus lassen sich keine Konsequenzen für die Beurteilung der Präklusionswirkung herleiten. Sonst käme es bei anderer Betrachtungsweise zu Abgrenzungsschwierigkeiten, wann eine künftige Entwicklung als Alttatsache/Abänderungsgrund zu behandeln wäre. Die Berücksichtigung voraussehbarer Umstände hängt von der unterschiedlichen gerichtlichen Verfahrensweise ab. Einige Gerichte berücksichtigen künftige Entwicklungen nicht einmal, wenn sie in engem zeitlichen Zusammenhang nach der letzten mündlichen Verhandlung eintreten, während andere Gerichte die künftige Entwicklung vorausschauend in größerem zeitlichem Zusammenhang würdigen. Es erscheint gerechtfertigt, die Präklusionswirkung auf den Ausschluss von Gründen zu beschränken, die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung tatsächlich eingetreten sind. Darauf deutet auch die Formulierung des BGH hin. Zu Recht weist er darauf hin, dass sich das Entstehen der Abänderungstatsachen nur nach der objektiven Lage beurteilt. Unbeachtlich ist, zu welchem Zeitpunkt die Beteiligten Kenntnis hatten und wann ihnen ein Vortrag der Tatsache möglich war. Nicht von Bedeutung ist ebenso, warum bestehende Tatsachen nicht vorgetragen wurden. Sämtliche vor dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung entstandene Alttatsachen dürfen nicht geltend gemacht werden, um nachträglich eine Korrektur der Entscheidung zu bewirken. Etwas anderes kann nur gelten, wenn Billigkeitsgründe über die Rechtskraft zu stellen sind und die Präklusionswirkung des § 238 Abs. 2 BGB aushebeln. Dazu gehören vor allem unterdrückte Tatsachen.

     

    Anmeldung von Änderungen kann Antragserweiterung erfordern

    Der BGH weist zu Recht darauf hin, dass eine Änderung der Verhältnisse, die im laufenden Verfahren eintreten, möglicherweise durch eine Antragserweiterung geltend gemacht werden muss. Dies gilt auch für das Beschwerdeverfahren, da die mündliche Verhandlung in der Beschwerdeinstanz eine letzte mündliche Verhandlung nach § 238 Abs. 2 FamFG ist. Eine Antragserweiterung ist nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist möglich. Wirkt die Veränderung zugunsten des Beschwerdegegners, ist er gehalten, die Abänderungsgründe mit der Anschlussbeschwerde geltend zu machen. Ein selbstständiges Abänderungsverfahren ist unzulässig, da die eingetretene Änderung noch im Ausgangsverfahren berücksichtigt werden kann. Dies wirkt sich insbesondere bei gegenläufigen Abänderungsanträgen aus. Will sich der Antragsgegner auf eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse berufen, muss er einen Abänderungswiderantrag stellen. Einem späteren eigenen Abänderungsantrag steht die Präklusionswirkung des § 238 Abs. 2 FamFG entgegen.

     

    Abänderung eines Prozessvergleichs

    Nach der Änderung eines Prozessvergleichs/einer notariellen Vereinbarung durch Beschluss ist letzterer für ein neues Abänderungsverfahren alleiniger Abänderungsgegenstand. Es gelten § 238 Abs. 1 bis 3 FamFG, nicht § 239 FamFG. Auch die Präklusionswirkung des Abs. 2 gilt. Berücksichtigt werden nur Umstände, die bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in dem Vorverfahren nicht geltend gemacht werden konnten. Wird ein auf Abänderung eines Vergleichs gerichteter Antrag abgewiesen, stellt sich ebenso die Frage nach der Rechtsgrundlage für ein späteres Abänderungsverfahren.

     

    Hat sich der den Antrag abweisende Beschluss mit den Grundlagen der Unterhaltsberechnung auseinandergesetzt, enthält er eine Zukunftsprognose hinsichtlich der weiter geltenden Umstände, die eine Abänderung des Unterhalts nicht rechtfertigen. Ein späteres Abänderungsverfahren müsste sich gegen diesen Beschluss richten, sodass § 238 Abs. 1 bis 4 FamFG Anwendung finden (BGH FamRZ 08, 872). Wird demgegenüber der Abänderungsantrag als unzulässig abgewiesen, fehlt eine Verpflichtung nach § 238 Abs. 1 FamFG. Gegenstand eines neuen Abänderungsverfahrens ist der Vergleich/die notarielle Vereinbarung (OLG Düsseldorf FamRZ 89, 1207). Grund für die Unzulässigkeit des Antrags kann z.B. das Fehlen einer schlüssigen Behauptung sein, dass sich die Umstände nachträglich geändert haben.

     

    Gesetzesreform als Abänderungsgrund?

    Als letztes stellte sich für den BGH die Frage, ob eine Veränderung der Verhältnisse durch das Unterhaltsreformgesetz oder seine eigene Rechtsprechung eingetreten ist. Leider hat er sich nur mit ersterem beschäftigt. Zu Recht weist er darauf hin, dass die Anwendung des § 36 Nr. 1 EGZPO nur in Betracht kommt, wenn der Abänderungsgrund gerade in der Unterhaltsreform liegt. Dies ist bei der Unterhaltsbegrenzung nicht der Fall, weil der BGH schon mit seiner Entscheidung vom 12.4.06 (BGH, a.a.O.) die Unterhaltsbegrenzung nach altem Recht aufgrund gleicher Erwägungen ermöglicht hat, wie sie durch die Unterhaltsreform festgeschrieben worden sind. Dies bezieht sich nur auf den Aufstockungsunterhalt. Der Unterhalt wegen Krankheit und Alters kann erst seit 1.1.08 befristet werden. Zuvor bestand lediglich die Möglichkeit, den Unterhalt auf den angemessenen Lebensbedarf gemäß § 1578 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. herabzusetzen. Allein im Hinblick auf die Befristungsmöglichkeit stellt damit die Unterhaltsreform einen Abänderungsgrund dar.

     

    Rechtsprechungsänderung kann Abänderungsgrund bewirken

    Wenn der BGH nach dem 12.4.06 (BGH, a.a.O.) seine Rechtsprechung zur Unterhaltsbegrenzung geändert hätte, wäre dies als Abänderungsgrund auszulegen. In einem Fall hat er eine Änderung eingeräumt. Dies betrifft die Beweislast bei der Beurteilung des ehebedingten Nachteils. Mit seiner Entscheidung vom 24.3.10 (XII ZR 175/08, Abruf-Nr. 101444) hat der BGH dargelegt, dass die Beweislast für den ehebedingten Nachteil beim Pflichtigen bleibt. Stellt die BGH-Entscheidung vom 30.6.10 (XII ZR 9/09, Abruf-Nr. 102457), die erstmals ein Abwägungserfordernis eingeführt hat, auch eine Rechtsprechungsänderung dar? Der BGH hat hervorgehoben, dass die Unterhaltsbegrenzung die Ausnahme ist. In den bis dato ergangenen Entscheidungen wurde eine Begrenzung ohne besondere Billigkeitsprüfung durchgeführt, wenn keine ehebedingten Nachteile vorlagen. Die Ehedauer war dann in keinem Fall ein Hindernis. Selbst eine 28-jährige Ehe wurde als kurz angesehen (§ 1609 Nr. 2 BGB). Dies lässt eher auf eine Ausnahmestellung des unbegrenzten Unterhalts schließen. Erst mit der Entscheidung vom 30.6.10 (BGH, a.a.O.) hat der BGH klargestellt, dass bei der Unterhaltsbegrenzung auch nacheheliche Solidarität zu berücksichtigten ist. Insofern liegt es nahe, von einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung auszugehen.

     

    Weiterführender Hinweis

    • FK 11, 91: Überblick über die BGH-Rechtsprechung zur Begrenzung und Befristung
    Quelle: Ausgabe 10 / 2013 | Seite 167 | ID 36500400