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  • · Fachbeitrag · Ehegattenunterhalt

    Anforderungen an die Erwerbsbemühungen

    von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf

    • 1. Die Anzahl der zum Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit vom Anspruchsteller vorgetragenen Bewerbungen ist nur ein Indiz für seine dem Grundsatz der Eigenverantwortung entsprechenden Arbeitsbemühungen, nicht aber deren alleiniges Merkmal. Für ausreichende Erwerbsbemühungen kommt es vielmehr wie für das Bestehen einer realistischen Erwerbschance vorwiegend auf die individuellen Verhältnisse und die Erwerbsbiografie des Anspruchstellers an, die vom Familiengericht aufgrund des - möglicherweise - beweisbedürftigen Parteivortrags und der offenkundigen Umstände umfassend zu würdigen sind (Fortführung der Senatsurteile vom 30.7.08, XII ZR 126/06, FamRZ 08, 2104 und vom 27.1.93, XII ZR 206/91, FamRZ 93, 789).
    • 2. Bei der Bedarfsermittlung aufgrund der beiderseitigen Einkommensverhältnisse ist es Aufgabe der Tatsacheninstanzen, unter den gegebenen Umständen des Einzelfalls eine geeignete Methode zur möglichst realitätsgerechten Ermittlung des Nettoeinkommens zu finden. Daher kann es im Einzelfall zulässig und geboten sein, die abzuziehende Einkommensteuer nicht nach dem sog. In-Prinzip, sondern nach dem Für-Prinzip zu ermitteln (Anschluss an Senatsurteil vom 2.6.04, XII ZR 217/01, FamRZ 04, 1177).

    (BGH 21.9.11, XII ZR 121/09, FamRZ 11, 1851, Abruf-Nr. 113604)

    Sachverhalt

    Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt. Aus der Ehe sind zwei inzwischen erwachsene Kinder hervorgegangen. Die Ehe ist seit Januar 01 rechtskräftig geschieden. Die 1953 geborene Klägerin arbeitete von 1968 bis 1980 als Textilfachverkäuferin. Nach der Scheidung absolvierte sie eine Umschulung zur Bürokauffrau. Sie ist arbeitslos. Der Beklagte ist Diplom-Ingenieur und als IT-Berater selbstständig tätig. In einem Scheidungsfolgenvergleich verpflichtete sich der Beklagte zum monatlichen Unterhalt. Im Jahr 04 setzten die Parteien den Unterhalt wegen zwischenzeitlicher Erwerbslosigkeit des Beklagten herab. Mit der Abänderungsklage begehrt die Klägerin die Erhöhung des Unterhalts, weil der Beklagte seit 2006 wiederum eine selbstständige Tätigkeit ausübt. Der Beklagte hat Widerklage erhoben, mit der er die Befristung des Unterhalts geltend macht. Die Parteien streiten außerdem über die Einkommensermittlung aufseiten des Beklagten. AG und OLG haben den Unterhalt herabgesetzt und befristet. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, die zur Aufhebung und Zurückverweisung führt.

     

    Entscheidungsgründe

    Zu Unrecht hat das OLG bei der Zurechnung fiktiven Einkommens aufseiten der Klägerin allein die zu geringe Zahl der Bewerbungen als ausschlaggebend angesehen. Die Erwerbsobliegenheit setzt ein nachhaltiges Bemühen unter Einsatz aller zumutbaren möglichen Mittel voraus, eine angemessene Tätigkeit zu finden. Die bloße Meldung beim Arbeitsamt genügt nicht. Die Darlegungs- und Beweislast liegt beim Erwerbslosen. Allerdings führt die unzureichende Arbeitssuche nicht notwendig zur Versagung eines Anspruchs nach § 1573 Abs. 1 BGB. Denn weitere Voraussetzung ist die Ursächlichkeit, die davon abhängt, ob eine reale Beschäftigungschance bestanden hat. Die Anzahl der Bewerbungen ist ein Indiz für die Arbeitsbemühungen, aber nicht deren alleiniges Merkmal. Wenn keine Beschäftigungschance besteht, reichen auch wenige Absagen. Bei fehlender Arbeitsmotivation sind allerdings auch eine Vielzahl von Bewerbungen unbedeutsam. Auch allein der Rückgriff auf das Lebensalter des Unterhaltsbegehrenden reicht nicht aus. Es kommt immer auf die individuellen Umstände des Einzelfalls an. Hier hat das OLG nicht hinreichend geprüft, ob die 53-jährige Klägerin nach einer Erwerbsabstinenz von über 25 Jahren bei unstreitigen gesundheitlichen Einschränkungen noch eine Vollzeitstelle finden kann.