· Nachricht · ZwangsvollstreckungsrechtBeachtung von Naturalunterhalt bei Berechnung der Pfändungsgrenzen
| Zu den eigenen Einkünften des Unterhaltsberechtigten, die dessen Berücksichtigung bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens des Schuldners einschränken oder ausschließen können, gehört auch der von anderen Unterhaltspflichtigen gewährte Naturalunterhalt ( BGH 16.4.15, IX ZB 41/14, Abruf-Nr 177023). |
Über das Vermögen des Schuldners ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die Ehefrau des Schuldners bezieht ein etwas höheres Nettoeinkommen als dieser. Er lebt mit ihr und den beiden gemeinsamen minderjährigen Kindern in häuslicher Gemeinschaft. Die Ehefrau gewährt den Kindern Naturalunterhalt.Das Insolvenzgericht hat angeordnet, dass die Ehefrau bei der Berechnung der pfändbaren Beträge gemäß § 850c ZPO nicht und die beiden Kinder jeweils nur zu 50 Prozent berücksichtigt werden. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Beschwerdegericht diese Entscheidung abgeändert und angeordnet, dass die Kinder bei der Berechnung der pfändbaren Beträge voll zu berücksichtigen sind. Hiergegen wendet sich erfolgreich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Insolvenzverwalters.
Zu den eigenen Einkünften i.S. von § 850c Abs. 4 ZPO gehören auch Zuwendungen, die dem Berechtigten in Natur geleistet werden. Gemäß § 850c Abs. 4 ZPO kann das Vollstreckungsgericht oder das nach § 36 Abs. 4 S. 1 InsO an seine Stelle tretende Insolvenzgericht nach billigem Ermessen anordnen, dass ein Unterhaltsberechtigter, der eigene Einkünfte hat, bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt. Schon nach ihrem Wortlaut erfasst die Vorschrift alle Arten von Einkünften. Es ist zu prüfen, ob die eigenen Einkünfte des Berechtigten dazu führen, dass dem Schuldner insoweit kein eigenes Einkommen verbleiben muss, weil der Bedarf des Unterhaltsberechtigten anderweitig gedeckt ist (BGH 5.4.05, VII ZB 28/05). Deshalb sind Unterhaltszahlungen, die der Berechtigte vom anderen Elternteil oder Dritten bezieht, als eigene Einkünfte i.S. von §850c Abs. 4 ZPO zu berücksichtigen (MüKo/Smid, ZPO, 4. Aufl., § 850c Rn. 20). Gleiches gilt für Zuwendungen, die dem Unterhaltsberechtigten in Natur geleistet werden. Auch diese, etwa unentgeltliches Wohnen oder freie Kost, mindern die Unterhaltspflicht des Schuldners (Hornung, Rpfleger 78, 353, 356). Einkünfte, die dem Unterhaltsberechtigten in Natur zufließen werden, zählen daher zu den Einnahmen i.S. von § 850c Abs. 4 ZPO (MüKo/Smid,ZPO, a.a.O.).
Dem steht auch nicht der Grundsatz der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt entgegen. Der Betreuungsunterhalt umfasst die Betreuungsleistungen in Form von Versorgung, Erziehung, persönlicher Zuwendung und Haushaltsführung (Soyka in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 9. Aufl., Vor §§ 1601 ff Rn. 3). Der Unterschied des Naturalunterhalts zum Barunterhalt liegt nur darin, dass die zur Befriedigung der Lebensbedürfnisse erforderlichen Dinge in natura zur Verfügung gestellt werden (Soyka in Prütting/Wegen/Weinreich, a.a.O.). Wenn der andere Elternteil über die geschuldeten Betreuungsleistungen hinaus weitere Bar- oder Naturalleistungen wie freie Kost erbringt, verringert er auch den Bedarf des Berechtigten und entlastet so den zum Unterhalt verpflichteten Schuldner. Gemessen hieran können die von der Ehefrau des Schuldners gegenüber den Kindern erbrachten Naturalleistungen bei der Billigkeitsentscheidung (§ 850c Abs. 4 ZPO) auch bedarfsmindernd berücksichtigt werden, wenn sie die Kinder ausschließlich betreut. Das Insolvenzgericht ist davon ausgegangen, dass es angesichts des eigenen Einkommens der im Verhältnis zum Schuldner gegenüber den Kindern gleichranging unterhaltspflichtigen Ehefrau sachgerecht ist, den nach § 850c Abs. 1 ZPO zu berücksichtigenden Freibetrag etwa im Verhältnis zum jeweiligen Einkommen des Schuldners und seiner Ehefrau aufzuteilen. Dem liegt die einer allgemeinen Lebenserfahrung entsprechende Erwartung zugrunde, die Ehefrau setze das von ihr bezogene Elterngeld zur Erhöhung des Familienunterhalts ein, aus dem der gesamte Lebensbedarf der Familie einschließlich der Kinder gedeckt wird (vgl. Wendl/Dose/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, § 3 Rn. 1 ff und Rn. 25). Eine abweichende Verwendung des Elterngeldes hat auch die sofortige Beschwerde nicht geltend gemacht.