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  • · Fachbeitrag · Abstammungsrecht

    Der scheidungsakzessorische Statuswechsel

    von RAin Thurid Neumann, FAin Familienrecht, Mediatorin, CP-Anwältin, Neumann & Neumann, Konstanz

    | Es ist leider kein Ausnahmefall, dass ein Ehescheidungsverfahren länger dauert als gedacht und die Ehefrau aus ihrer neuen Beziehung ein Kind bekommt. Gem. § 1592 Nr. 1 BGB gilt der Noch-Ehemann als rechtlicher Vater des Kindes. Eine Anerkennung des Kindes durch den leiblichen Vater ist gem. § 1594 Abs. 2 BGB nicht wirksam, solange die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht. |

    1. Hintergrund der gesetzlichen Regelung

    Hintergrund für die Regelung des § 1594 Abs. 2 BGB ist folgender: Wenn eine Ehefrau aufgrund einer außerehelichen Beziehung ein Kind bekommt und sich die Eheleute dazu entscheiden, an der Ehe festzuhalten, soll die Ehe geschützt werden (BVerfG FamRZ 03, 816; 15, 817). Aus diesem Grund ist auch eine Anfechtung des Mannes, der gem. § 1599 Nr. 2 BGB an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben, nicht möglich, wenn zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater gem. § 1592 Nr. 1 BGB eine sozial-familiäre Beziehung besteht (BGH NJW 07, 1677; Oldenburger NZFam 21, 853).

    2. Anfechtungsmöglichkeiten

    Ist ein Scheidungsverfahren rechtshängig, können gem. § 1600 BGB der rechtliche Vater, der leibliche Vater, die Mutter und das Kind die Vaterschaft anfechten. Hierbei sind auch die Anfechtungsfristen gem. § 1600b BGB zu beachten.

    3. Der scheidungsakzessorische Statuswechsel

    Bei Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens kann auf das gerichtliche Vaterschaftsanfechtungsverfahren verzichtet werden:

     

    Gem. § 1599 Abs. 2 BGB gilt der Noch-Ehemann nicht gem. § 1592 Nr. 1 BGB als Vater des Kindes, wenn das Kind nach Anhängigkeit eines Scheidungsantrags geboren wird und ein Dritter spätestens bis zum Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Beschlusses die Vaterschaft anerkennt. In diesem speziellen Fall gelten § 1599 Abs. 2 S. 1, 2. Hs., § 1594 Abs. 2 BGB nicht mit der Folge, dass die Anerkennung möglich ist, auch wenn gem. § 1592 Nr. 1 BGB die rechtliche Vaterschaft eines anderen besteht. Denn ist ein Ehescheidungsverfahren anhängig, wird davon ausgegangen, dass die Ehe nicht mehr durch das Hinzutreten eines anderen Vaters geschützt werden muss. Weitere Voraussetzung ist gem. § 1599 Abs. 2 S. 2 BGB jedoch, dass ‒ neben der Mutter, vgl. § 1595 BGB ‒ der rechtliche Vater der Anerkennung zustimmt. Gem. § 1599 Abs. 2 S. 3 BGB wird die Anerkennung frühestens mit Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Beschlusses wirksam.

     

    Übersicht / Scheidungsakzessorischer Statuswechsel des Kindes

    • Kind wird während der Anhängigkeit eines Ehescheidungsverfahrens geboren
    • Leiblicher Vater anerkennt die Vaterschaft spätestens bis zum Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft des Ehescheidungsbeschlusses
    • Rechtlicher Vater stimmt der Anerkennung zu
    • Mutter stimmt der Anerkennung zu
    • Ehe wird rechtskräftig geschieden
     

    4. Formen der Anerkennung

    Gem. § 1597 BGB müssen sowohl die Anerkennung als auch die Zustimmung öffentlich beurkundet werden. Gem. § 415 ZPO sind öffentliche Urkunden solche, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind.

     

    • Beispiele

    Erklärungen vor dem

    • Standesamt (§ 44 PStG),
    • Jugendamt (§ 59 Abs. 1 SGB VIII),
    • Notar (§ 20 Abs. 1 BNotO).
     

    Gem. § 180 FamFG können die Anerkennung der Vaterschaft, die Zustimmung der Mutter und die Zustimmung des Mannes, der im Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, auch in einem Erörterungstermin zur Niederschrift des Gerichts erklärt werden. Dies ist aber nur im Rahmen eines Abstammungsverfahrens gem. §§ 169 ff. FamFG möglich, nicht im Rahmen eines anderen Verfahrens wie z. B. in einem Ehescheidungsverfahren (BGH FamRZ 13, 944).

     

    MERKE | Eine im Rahmen eines Ehescheidungsverfahrens abgegebene Erklärung (Anerkennung oder Zustimmung dazu) erfüllt nicht die erforderliche Form und ist somit unwirksam.

     

    Die Zustimmung des rechtlichen Vaters ist jedoch nicht fristgebunden, da die Jahresfrist gem. § 1599 Abs. 2 BGB nur für die Anerkennung gilt (BGH, a. a. O.).

     

    PRAXISTIPP | Ist die Frist für die Anfechtung der Vaterschaft durch den leiblichen Vater oder die Mutter gem. § 1600b BGB versäumt, ist zu prüfen, ob noch ein scheidungsakzessorischer Statuswechsel gem. § 1599 Abs. 2 BGB möglich ist.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Oldenburger, Moderne Elternschaft (Sonderausgabe)
    Quelle: Ausgabe 06 / 2022 | Seite 107 | ID 48098137