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  • 08.01.2010

    Finanzgericht München: Urteil vom 16.07.2003 – 4 K 91/02

    Bei der Bewertung nebeneinander liegender Wohnhäuser widerspricht es der Verkehrsanschauung ein lagetypisch überlappend bzw. bebaubares Grundstück durch eine nur gedachte Zickzacklinie in zwei selbständige Grundstücke aufzuteilen.


    Tatbestand

    I.

    Den Grundbesitz 9 und 11 erhielt der Kläger am 19.11.1999 teilweise als Schenkung.

    Das für die Schenkungsteuer zuständige Finanzamt … forderte daher vom Beklagten (Finanzamt) den Grundbesitzwert zum 19.11.1999 an. Dieser wurde nach Maßgabe der §§ 138 ff Bewertungsgesetz (BewG) berechnet.

    Bei der Wertermittlung kam der Mindestwert gem. § 146 Abs. 6 BewG mit 274.000 DM zum Tragen, da der Wert des Grund und Bodens höher war als der Ertragswert nach § 146 Abs. 2 bis 5 BewG. Die Berechnung erfolgte wie folgt: Grundstücksfläche 1.008 m² × Bodenrichtwert zzgl. Erschließungskosten 346 DM ./. 20 v.M. pauschaler Abschlag.

    Mit dem Einspruch (Schr. vom 13.07.2000 und 07.05.2001, Bl. 13, 33 f FA-Akte) beantragte der Kläger unter Vorlage eines Gutachtens einen Verkehrswert von 185.467,10 DM zugrunde zu legen. In diesem Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Dr. … wurde der Bodenwert ohne Belastungen mit 287.286 DM ermittelt; davon brachte der Sachverständige 101.812,90 DM für notwendige Freilegungs- und Abstützungskosten in Abzug.

    Das Finanzamt wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 10.12.2001 (Bl. 62 FA-Akte) als unbegründet zurück.

    Bei der Ermittlung des Grundstückswertes komme die Mindestbewertung gem. § 146 Abs. 6 BewG in Betracht. Die Verweisung in § 146 Abs. 6 BewG umfasse auch den Satz 3 des § 145 Abs. 3 BewG. Das Grundstück sei dabei als „unbebautes Grundstück” zu bewerten. Wegen dieser Fiktion dürfe logischer Weise kein Abschlag für das vorhandene Gebäude gemacht werden.

    Die Bewertung eines bebauten Grundstücks wie ein „fiktiv” unbebautes Grundstück bedeute, dass in einem Wertgutachten zur Ermittlung des niedrigeren gemeinen Werts künftig anfallende Gebäudeabbruchkosten ebenso wenig berücksichtigt werden dürften, wie etwaige Wertminderungen wegen eingeschränkter Planungsfreiheit aufgrund der tatsächlichen Bebauung.

    Neben dem Nachweis eines niedrigeren Mindestwerts könne auch ein geringerer gemeiner Wert für das Grundstück in bebauten Zustand in Frage kommen. Innerhalb dieses Werts könnten Abbruchkosten für wirtschaftlich weitgehend verbrauchte Gebäudeteile und sonstige, den Bodenwert beeinträchtigende Umstände im Wertanteil des Grund und Bodens wertmindernd werden.

    Bezogen auf das vorliegende Verkehrsgutachten sei aber festzuhalten, dass für die Wertfindung „bebautes Grundstück” alle Gebäude bzw. Gebäudeteile zu erfassen sind. Im vorliegenden Verkehrsgutachten fehle aber das benutzbare und werterhöhende Gebäude V. 11 gänzlich, und das Gutachten sei deshalb als Nachweis ungeeignet.

    Mit der Klage (Schr. vom 07.01, 06.03. und 17.06.2002 (Bl. 1, 10 und 17 f FG-Akte)) beantragte der Kläger zunächst, den angefochtenen Feststellungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahin zu ändern, dass der Grundstückswert auf den 19.11.1999 mit 179.000 DM festgestellt wird.

    In einem von ihm vorgelegten erneuten Gutachten des Sachverständigen Dr. … vom 28.02.2002, kam dieser zur Auffassung, dass das Flurstück auftragsgemäß als zwei wirtschaftliche Einheiten zu bewerten seien, nämlich das Haus Nr. 9 mit Schuppen und Garage (Fläche 523 m²)

    Teilfläche 1 – sowie das Haus Nr. 11 (Fläche 485 m²) – Teilfläche 2 –. Es handele sich um zwei freistehende Wohnhäuser, die unabhängig von einander nutzbar seien und jeweils eine eigene Hausanschrift hätten.

    Der Bodenwert der Teilfläche 1 (523 m²) sei mit dem Richtwert zum 31.12.1998 (270 DM/m²) zzgl. Erschließung (15 DM/m²) mit 149.055 DM zu ermitteln; wegen des nicht nutzbaren Zustands des Hauses Nr. 9 samt Schuppen und Garage seien diese sowie die Stützmauer abzubrechen. Um die Teilfläche baulich nutzen zu können, müsse eine neue Stützmauer errichtet werden. Unter Abzug der genannten Freilegungs- und Abstützungskosten i.H. von 101.812,90 DM ergebe sich ein Verkehrswert der Teilfläche 1 von 47.242,10 DM.

    Der Bodenwert berechne sich sonach wie folgt:

    Teilfläche 1 Wert lt. Gutachten47.242,10 DM
    Teilfläche 2.485 m² á 340 DM ./. 20 v.H.131.920,00 DM
    Gesamt179.162,00 DM


    Auf das Schreiben des Sachverständigen Dr. … vom 10.06.2002 zur Frage der wirtschaftlichen Einheit wird Bezug genommen.

    Das Finanzamt beantragt,

    die Klage abzuweisen (Schr. vom 30.04.2002, Bl. 14 f FG-Akte).

    Das Grundstück bilde eine wirtschaftliche Einheit. Damit käme eine Wertermittlung in den vom Kläger vorgenommenen Mischverfahren nicht in Betracht.

    Vor dem Senat hat am 16.07.2003 mündliche Verhandlung in öffentlicher Sitzung stattgefunden. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

    Der Kläger beantragt nunmehr,

    den Bedarfswert für beide wirtschaftliche Einheiten auf insgesamt 206.000 DM herabzusetzen;

    hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Gründe

    II.

    Die Klage ist teilweise begründet.

    Da die Beteiligten im Wege einer tatsächlichen Verständigung einen Grundstücksverkehrswert von 242.000 DM für nachgewiesen halten, war dieser Wert der vorliegenden Entscheidung zugrunde zu legen.

    Der weitergehende Antrag des Klägers, das Grundstück in zwei wirtschaftliche Einheiten mit Grundstückswerten von zusammen 206.000 DM aufzuteilen, ist nicht begründet.

    Nach § 70 Abs. 1 BewG bildet jede wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens ein Grundstück im Sinne des Bewertungsgesetzes. Was als wirtschaftliche Einheit zu gelten hat, ist gem. § 2 Abs. 2 Satz 3 BewG nach den Anschauungen des Verkehrs zu entscheiden. Dabei sind die örtliche Gewohnheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen. Das Gesamtanwesen stellt sich hiernach als wirtschaftliche Einheit dar. Die objektive Zusammengehörigkeit des Hauptwohngebäudes Haus Nr. 11 und des Nebenwohngebäudes Haus Nr. 9 auf dem Grundstück mit lagetypischer Größe und Bebauung ergibt sich in der Streitsache unter anderem bereits deutlich daraus, dass der Zugang zum Wohnhaus Nr. 11 und Nr. 9 sowie der Zugang zu dem Nebengebäude und der Garage über die einheitliche, nicht unterteilte Hoffläche führt. Ein gesonderter Umgriff, der ausschließlich dem Gebäude Haus Nr. 11 dienen würde sowie eine ausschließlich als Zugang zum Gebäude Haus Nr. 9 dienende Fläche sind nicht vorhanden bzw. nicht feststellbar. Durch die gemeinsame Außen- und Hofanlage und die in der Grundstückstiefe überlappende Bauweise der Gebäude und Nebengebäude, die auch bei der gedachten Grenzziehung im Sachverständigengutachten nicht vermeidbar wäre, und Erfordernisse des öffentlichen Baurechts (z. B. Stellplätze, Abstandsflächen) ist eine zusammenhängende Nutzung des Gesamtgrundstücks antizipiert.

    Es widerspricht auch der Verkehrsanschauung, ein solches lagetypisch überlappend bebautes bzw. bebaubares Grundstück durch eine in der Natur nicht vorhandene, in Grundstückstiefe wie Breite nicht klar zu ziehende (Zickzacklinie), nur gedachte Grenze in zwei selbständige Grundstücke aufzuteilen.

    Die vom Kläger in die mündliche Verhandlung eingebrachten BFH-Urteile II R 35/82 vom 23.01.1985 (BStBl II 1985, 336) und III R 81/82 vom 25.02.1983 (BStBl II 1983, 552) sind mit dem Streitfall nicht vergleichbar. Das Urteil II R 35/82 geht von mehreren nebeneinander liegenden Wohnblöcken in großstädtischer Lage aus, das Urteil vom 25.02.1993 von einem nach dem öffentlichen Baurecht anders gelagerten Fall, der zudem aufgrund der fehlenden getrennten Veräußerbarkeit selbst bei bürgerlichrechtlich getrennten Grundstücken zu einer wirtschaftlichen Einheit kommt.

    Aus den o.g. Gründen vermag der Senat der abweichenden Auffassung des Sachverständigen im 2. Gutachten und dessen Erläuterungen vom 10.06.2002 nicht zu folgen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.

    Der Senat sah keinen Anlass, die Revision zuzulassen.

    VorschriftenBewG § 70, BewG § 2 Abs. 2 S. 3