08.01.2010
Finanzgericht Thüringen: Urteil vom 11.11.1998 – III 88/98
1. Aufwendungen für eine Studienreise als Bestandteil eines Sprachstudienganges zur Erlangung der Lehrbefähigung in einer weiteren Sprache sind für eine ausgebildete Sprachlehrerin Fortbildungsaufwendungen, da das Zweitstudium insoweit nicht den Wechsel in eine andere Berufsart eröffnet, sondern objektiv dazu geeignet ist, in dem bereits durch das Erststudium ermöglichten Beruf vorwärts zu kommen.
2. Eine Programmgestaltung, die in zeitlicher Hinsicht die Befriedigung privater Interessen i.S.d. § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht nahezu gänzlich ausschließt, steht dem Abzug der Fortbildungskosten als Werbungskosten bei einer nichtselbstständigen Tätigkeit jedenfalls dann nicht entgegen, wenn dem Steuerpflichtigen die Teilnahme an der Veranstaltung nicht freigestellt ist und er auch keinen Einfluss auf die Programmgestaltung hat.
Im Namen des Volkes
hat der III. Senat des Thüringer Finanzgerichts ohne mündliche Verhandlung am 11. November 1998 für Recht erkannt:
1. Der Einkommensteuerbescheid für 1994 vom 20. November 1995 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 23. Oktober 1996 wird dahingehend abgeändert, daß weitere Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nicht selbständiger Tätigkeit in Höhe von 1949,75 DM zu berücksichtigen sind. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner der Klägerin das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekanntzugeben. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten der Klägerin vorläufig volltreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist die Anerkennung der Kosten einer Studienreise als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit.
Die Klägerin ist Lehrerin, die bis 1989/1990 überwiegend im Fach Russisch unterrichtete. Nach dem Beitritt der DDR absolvierte sie im Rahmen des sog. FIED-Programms der Europäischen Union ein Teilzeitstudium an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Das FIED-Programm stellte eine Maßnahme zur Weiterbildung und Qualifikation von Lehrern für das Fach Französisch dar. Zu diesem Zweck hatten sich französische und deutsche Universitäten – darunter die Friedrich-Schiller-Universität in Jena – unter der Oberleitung der Universität Paris X zusammengeschlossen, um ein entsprechendes Weiterbildungsprogramm anzubieten und zu gestalten. Ziel des Programms war der Erwerb einer fachlichen Lehrbefähigung im Fach Französisch mit dem Abschluß einer ergänzenden staatlichen Prüfung für die Sekundarstufe I und/oder die Sekundarstufe II. Die Ausgestaltung der Prüfungen selbst war in den Verantwortungsbereich der beteiligten Bundesländer gestellt. Das Land Thüringen hatte in einem Anhang des Vereinbarungsprotokolls des FIED-Programms die Anerkennung des Zusatzstudiums für die Erlangung der Lehrbefugnis ausgesprochen, da die Prüfungsbedingungen des Zusatzstudiums an den jeweiligen Universitäten den Anforderungen der Erweiterungsprüfung auf der Grundlage der vorläufigen Verordnung über die erste Staatsprüfung für das Lehramt an Regelschulen und Gymnasien entsprachen. Für das Absolvieren des Zusatzstudiums konnten die Teilnehmer eine Freistellung vom Unterricht auf der Grundlage der Verwaltungsvorschrift im Gemeinsamen Amtsblatt des Thüringer Kultusministeriums und des Thüringer Ministeriums für Wissenschaft und Kunst Nr. 7/92 erlangen.
Obligatorischer Inhalt des Studienprogramms war ein dreiwöchiger Sprachkurs an einer französischen Partneruniversität des FIED-Programms, den die Klägerin vom 8. August bis 27. August 1994 in Xdorf absolvierte. Der Kurs hatte folgenden Inhalt:
Montag | Dienstag | Mittwoch | Donnerstag | Freitag | |
8.30-10.30 Uhr | Dramaturgie | Dramaturgie | Sprachkurs | Dramaturgie | Dramaturgie |
11.00-12.30 Uhr | Sprachkurs | Sprachkurs | Sprachkurs | Sprachkurs | Sprachkurs |
vom 8. bis 12. August hatte das Nachmittagsprogramm folgenden Inhalt:
Montag | Dienstag | Mittwoch | Donnerstag | Freitag | |
14.00-15.00 Uhr | Sprachlabor | Sprachlabor |
Vom 16. bis 20. August hatte das Nachmittagsprogramm folgenden Inhalt:
Montag | Dienstag | Mittwoch | Donnerstag | Freitag | |
14.00-15.00 Uhr | Sprachlabor | Sprachlabor | Computerarbeit |
Die Klägerin machte die Kosten der Studienreise nach Xdorf im Rahmen ihrer Einkommensteuererkärung 1994 als Werbungskosten bei ihren Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit geltend. Der Beklagte erkannte die Studien-Reisekosten nicht an. Zur Begründung stellte er darauf ab, daß es nicht ausgeschlossen sei, daß die Klägerin mit der Reise auch private Interessen befriedigt habe.
Gegen den Einkommensteuerbescheid 1994 vom 20. November 1995 legte die Klägerin mit Schreiben vom 30. November 1995 Einspruch ein. Sie beantragte die Anerkennung der Aufwendungen für die Reise nach Xdorf unter Verweis auf Abschnitt 35 Abs. 2 der Lohnsteuerrichtlinien (LStR). Im weiteren legte sie eine Bescheinigung des Staatlichen Schulamtes Astadt vor, in der auf der Grundlage einer Verwaltungsvorschrift vom 16. Juli 1992 seitens des Thüringer Kultusministeriums eine Freistellung vom Schuldienst genehmigt worden war. Sie legte ihrem Einspruchsschreiben ebenfalls eine Teilnehmerliste des Ministeriums bei, die namentlich sämtliche Studienreiseteilnehmer (alles Lehrer) aufführte. Die Kosten der Reise bezifferte die Klägerin wie folgt:
Fahrtkosten | km × 0,52 oder tatsächliche Kosten DM | 180,00 DM |
Mehraufwendungen für Verpflegung | 22 Tage a 65 DM (Frankreich) | 1.430,00 DM |
Fahrtkosten in Frankreich | Tageskurs 28,08 DM = 100 frc | 63,10 DM |
39,22 DM | ||
Übernachtungskosten | 237,43 DM | |
Sonstige Nebenkosten | Telephon (ohne Kosten häusl. Telephon) Porto | 24,92 DM |
Parkgroschen pauschal mtl. 15 DM | ||
Summe der Reisekosten | 1.974,67 DM | |
abzgl. Steuerfreier AG-Zuschuß | 0 DM | |
Geltend gemachte Werbungskosten | 1.974,67 DM |
In seiner Einspruchsentscheidung vom 23. Oktober 1996 lehnte der Beklagte – unter Beibehaltung seiner bisherigen Rechtsansicht – die Anerkennung der Kosten der Studienreise als Werbungskosten ab. Auf die Entscheidung wird Bezug genommen.
Mir Ihrer Klage beansprucht die Klägerin weiterhin die Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen aus der Studienreise als Werbungskosten. Sie ist der Ansicht, die Reise sei als Teil ihres Teilzeitstudiums an der Friedrich-Schiller-Universität zu betrachten. Da es sich bei diesem Studiengang um ein Zweitstudium handele, seien die Kosten des Studiums – und damit auch die Kosten der Reise nach Xdorf – als Fortbildungskosten anzuerkennen. Der Klägerin seien die Kosten auch zwangsläufig entstanden, da die Reise Teil ihres Studiums gewesen sei.
Die Reise nach Xdorf habe der Erhaltung ihres Arbeitsplatzes gedient. Seit der Wende sei der Bedarf an Russischlehrern rückläufig. Die Fortbildung in einer weiteren Fremdsprache sei unumgänglich. Der Studienaufwand habe dem eines Inlandstudiums entsprochen. Auch bei Inlandsstudium habe ein Studientag ca. sechs bis acht Stunden, die Wochenenden wären unterrichtsfrei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Abänderung des Bescheides für 1994 über Einkommensteuer 1994 vom 20. November 1995 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 23. Oktober 1996 weitere 1974,67 DM als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nicht selbständiger Tätigkeit abzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Seines Erachtens ist die Reise der Klägerin nach Xdorf eindeutig als Sprachreise zu qualifizieren. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Aufwendungen für die Reise Werbungskosten darstellten, seien die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zugrundezulegen. Allein die Bestätigung der Tutorin des FIED-Programms, der Auslandsaufenthalt in Xdorf erfülle den Tatbestand der Berufsfortbildung in einem ausgeübten Beruf, könne nicht zu einer andern Betrachtung führen. Hinsichtlich der seitens der Klägerin angeführten Dienstbefreiung verweise er, der Beklagte, wiederum darauf, daß die Studienreise in den Sommerferien stattgefunden habe.
Der Senat hat in dem vorliegenden Rechtsstreit am 19. August 1998 mündlich verhandelt und die Sache zur weiteren Sachverhaltsermittlung vertagt. Die Parteien haben auf eine weitere mündliche Verhandlung verzichtet.
Gründe
Die Klage ist im wesentlichen begründet. Die Aufwendungen für die Reise nach Xdorf sind als Teil des Studiums der Klägerin anzusehen, die dem Werbungskostenabzug unterliegen.
Das Teilzeitstudium der Klägerin im Fach Französisch ist eine Fortbildung, dessen Aufwendungen als Werbungskosten geltend gemacht werden können.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit alle Aufwendungen, die durch den Beruf veranlaßt sind. Ihre berufliche Veranlassung ist anzunehmen, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und sie subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden. Diese Voraussetzungen liegen bei Fort- oder Weiterbildungskosten vor. Sie dienen dazu, in einem ausgeübten Beruf auf dem laufenden zu bleiben, den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden und so in dem ausgeübten Beruf besser vorwärts zu kommen. Dagegen zielen Ausbildungskosten darauf ab, Kenntnisse zu erwerben, die als Grundlage für einen künftigen Beruf notwendig sind (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 26. April 1989 VI R 95/85, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFHE – 156, 494, Bundessteuerblatt – BSBl – II 1989, 616).
Aufwendungen für ein Hochschulstudium gehören zu den Kosten der Berufsausbildung, weil der erfolgreiche Abschluß dem Steuerpflichtigen eine andere berufliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Stellung eröffnet (BFH-Urteil vom 26. April 1989 VI R 95/85, BFHE 156, 494, BStBl II 1989, 616). Das gilt für ein Zweitstudium nur eingeschränkt: Aufwendungen für ein zweites Hochschulstudium sind abziehbar, wenn sie objektiv dazu dienen, in dem durch das Erststudium ermöglichten Beruf vorwärts zu kommen. Dieser Bezug fehlt bei dem ersten Studium (vgl. BFH-Urteile vom 17. April 1996 VI R 87/95, BFHE 180, 351, BStBl II 1996, 448, und vom 18. April 1996 VI R 89/93, BFHE 180, 353, BStBl II 1996, 449).
Der BFH hat sich in jüngster Zeit in mehreren Entscheidungen (Urteile vom 17. April 1996 VI R 29/94, BFHE 180, 339, BStBl II 1996, 444; VI R 2/95, BFHE 180, 344, BStBl II 1996, 445; VI R 27/95, BFHE 180, 346, BStBl II 1996, 446; in BFHE 180, 351, BStBl II 1996, 448; VI R 94/94, BFHE 180, 450, BStBl II 1996, 450, und vom 13. Juni 1996 VI R 28/95, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 1996, 809) mit der Frage beschäftigt, ob die Kosten eines Zweitstudiums als Fortbildungskosten zu berücksichtigen sind. Er hat das jeweils verneint, weil das Zweitstudium den Wechsel in eine andere Berufsart eröffnete. Besonders deutlich wird das im Fall der graduierten (FH) Finanzbeamten, die Jura oder Betriebswirtschaft studieren. Dagegen hat er die Aufwendungen eines graduierten Finanzbeamten für die Steuerberaterprüfung als Fortbildungskosten anerkannt (BFH-Urteil vom 6. November 1992 VI R 12/90, BFHE 169, 436, BStBl II 1993, 108). Er hat dazu auf den inhaltlich-materiellen Bezug der angestrebten zur ausgeübten Tätigkeit und nicht auf den äußeren, formalen Rahmen der künftigen Ausübung abgestellt. Daran hat der BFH in den Urteilen in BFHE 180, 353, BStBl II 1996, 449 und vom 19. April 1996 VI R 24/95 (BFHE 180, 360, BStBl II 1996, 452) festgehalten und die Aufwendungen für ein Zweitstudium als Fortbildungskosten anerkannt, weil der Steuerpflichtige damit keinen Wechsel in einen anderen Beruf anstrebte, sondern die durch das Erststudium erworbenen Kenntnisse ergänzen oder vertiefen wollte. Für ein solches Aufbaustudium ist es unerheblich, ob der Steuerpflichtige nach erfolgreichem Abschluß des ersten Studiums zunächst berufstätig ist oder unmittelbar anschließend mit dem Zweitstudium beginnt.
Danach ist zum einen entscheidend, ob das Zweitstudium objektiv den Wechsel in eine andere Berufsart ermöglicht. Zum anderen kommt es – wie durch den Begriff der Fort- und Weiterbildungskosten vorgegeben – subjektiv nicht darauf an, welche Vorstellungen der Steuerpflichtige mit dem Zweitstudium verwirklichen will. Denn eine Typisierung gilt nur für das Erststudium. Das zeigt das BFH-Urteil vom 8. Mai 1992 VI R 134/88 (BFHE 167, 538, BStBl II 1992, 965). Dort hatte ein bereits approbierter Humanmediziner Zahnmedizin mit dem Ziel studiert, nicht nur seine bisherigen Kenntnisse als Humanmediziner zu ergänzen und zu vertiefen, sondern auch die zusätzliche Qualifikation zu erwerben, sich nach erfolgreich bestandenem Examen als Zahnarzt niederlassen zu können. Die mögliche Niederlassung als Zahnarzt war aber nicht das eigentliche Ziel. Die zusätzliche Qualifikation war nur Mittel, um als Mund-Kiefer-Gesichtschirurg tätig werden zu können (BFH-Urteil in BFHE 167, 538, BStBl II 1992, 965, unter 2.). Dieses Zweitstudium sollte – so die subjektiven Vorstellungen des Steuerpflichtigen – nicht den Wechsel in eine vollständig andere Berufsart ermöglichen. Der BFH hat darauf abgestellt, daß der objektiv mögliche Berufsweg hinter das eigentliche Ziel des Steuerpflichtigen zurücktrat, weiterhin als Arzt, und zwar als Facharzt für Chirurgie, tätig zu werden. Auch der BFH hat danach das Zweitstudium nur als Spezialisierung in einem bereits erlernten Beruf gesehen. Von einem vergleichbaren „Aufbaustudium” ist der BFH weiter in dem Fall ausgegangen, daß der Steuerpflichtige nach dem Studium der Musiktheorie noch ein Studium des Faches „Tonmeister” erfolgreich abgeschlossen hat (BFH in BFHE 180, 353, BStBl II 1996, 449). Der BFH hat es aber ausdrücklich abgelehnt, daß ein solches Aufbaustudium notwendig mit dem des Erststudiums studientechnisch verzahnt sein müsse (BFH-Urteil in BFH 180, 353, BStBl II 1996, 449, unter 2.). Läßt sich das angestrebte Ziel der Berufsausbildung nicht sicher feststellen, kann das Finanzamt den Steuerpflichtigen vorläufig veranlagen (Urteil des BFH vom 19. Juni 1997 IV R 4/97, BFH/NV 1997, 758).
Nach diesen Grundsätzen sind die Aufwendungen für den Studiengang der Klägerin als Fortbildungskosten i.S.d. Rechtsprechung der BFH anzusehen. Die Klägerin hatte bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung und arbeitete zudem in ihrem angestammten Beruf als Lehrerin. Das Studium sollte nicht dazu dienen, sich in einem noch nicht ausgeübten Beruf zu qualifizieren. Vielmehr sollte durch die Ausbildungsmaßnahme auf Dauer die Berufsausübung der Klägerin in ihrem Beruf „Lehrer” gesichert werden. Es ist insoweit unbestritten, daß der Bedarf an Unterricht in der Sprache Russisch stark rückläufig ist, da die Unterrichtung sog. Weltsprachen wie Englisch oder Französisch Vorrang genießen. Für die Klägerin bestand demnach ein unbestreitbarer Bedarf, sich diesen Anforderungen durch Weiterbildung in der Form eines Studiums zu stellen. Andernfalls bestünde die Gefahr, daß die Klägerin nicht mehr in dem bisherigen Maße in dem Unterrichtsbetrieb berücksichtigt werden könnte. Für das Land Thüringen als Arbeitgeber läge es zudem nahe, Lehrkräfte anstelle der Klägerin einzusetzen, die eine Lehrbefugnis in mehreren Lehrfächern anbieten könnten.
Nicht gefolgt werden kann demnach der Argumentation des Beklagten, die Sprachausbildung der Klägerin in einem ihr neuen Unterrichtsfach führe zu Ausbildungskosten, da sie zuvor nicht das Unterrichtsfach „Französisch” unterrichtet habe. Für die Frage der Abgrenzung von Ausbildungs- oder Fortbildungskosten ist nicht isoliert auf den Ausbildungsgang selbst, sondern auf den ausgeübten bzw. angestrebten Beruf abzustellen. Festigt oder erweitert ein Steuerpflichtiger demnach seine berufliche Stellung mit einer Weiterbildung, so kann dies nur Fortbildung sein. Würde man der Argumentation des Beklagten folgen, hieße dies, daß jegliche Fortbildung in einem neuen Teilbereich als Ausbildung zu betrachten wäre, da das Erlernte nicht Teil des bisherigen Berufslebens bildete. Dann würden selbst solche Weiterbildungsmaßnahmen als Ausbildungskosten zu qualifizieren sein, die es dem Steuerpflichtigen erst ermöglichen, seinen Arbeitsplatz zu behalten. Eine solche Auslegung wäre jedoch mit dem Werbungskostenbegriff nicht zu vereinbaren.
Die Auslandsfahrt der Klägerin nach Xdorf ist als Teil ihres Studiums in dem Unterrichtsfach Französisch als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit steuerlich zu berücksichtigen.
Zunächst teilt der Senat die Ansicht des Beklagten, daß auch Teile einer Ausbildung, deren Kosten grundsätzlich als sog. Fortbildungskosten dem Werbungskostenabzug unterliegen, steuerrechtlich nicht zwangsläufig das Schicksal der (Gesamt-)Ausbildungsmaßnahme teilen.
Für die Entscheidung, ob Kosten eines im Ausland durchgeführten Lehrgangs, insbesondere von Fremdsprachenkursen und sonstigen Studienkursen, als Werbungskosten abziehbar sind, kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) darauf an, ob die Aufwendungen objektiv durch besondere berufliche Gegebenheiten veranlaßt sind und ob nach dem Anlaß der Reise, dem vorgelegten Programm und der tatsächlichen Durchführung die Befriedigung privater Interessen (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG) nahezu ausgeschlossen ist (vgl. zuletzt die BFH-Urteile vom 21. August 1995 VI R 47/95, BFHE 179, 37, BStBl II 1996, 10 und vom 30. Juni 1995 VI R 22/91, BFH/NV 1996, 30, m. w. N.). Ergibt die Gesamtbeurteilung, daß auch private Reiseinteressen vorgelegen haben, ist regelmäßig die betriebliche (berufliche) Veranlassung der gesamten Auslandsreise zu verneinen. Lediglich ein unbedeutendes und nicht ins Gewicht fallendes Mithineinspielen der Lebensführung kann unbeachtet bleiben. Reisen, denen offensichtlich ein unmittelbarer betrieblicher (beruflicher) Anlaß zugrunde liegt (wie etwa das Aufsuchen eines Geschäftsfreundes, das Halten eines Vortrags auf einem Fachkongreß oder die Durchführung eines Forschungsauftrags), sind in aller Regel ausschließlich der betrieblichen (beruflichen) Sphäre zuzurechnen. Fehlt ein unmittelbarer beruflicher Anlaß, müssen die Beurteilungsmerkmale, die jeweils für eine private oder betriebliche (berufliche) Veranlassung sprechen, gegeneinander abgewogen werden. Die Aufwendungen sind im zweiten Fall schon dann nicht abziehbar, wenn bei der Reise zu Informationszwecken oder dem Lehrgang das Hereinspielen der Lebensführung ins Gewicht fällt und nicht von ganz untergeordneter Bedeutung ist (Urteile des BFH vom 16. Oktober 1986 IV R 138/93, BFHE 148, 262, BStBl II 1987, 208; in BFHE 179, 37, BStBl II 1996, 10; vom 14. Juli 1988 IV R 57/87, BFHE 154, 312, BStBl II 1989, 19, und in BFH/NV 1996, 30). Dabei kann bei der Beurteilung eines Auslandssprachkurses oder ähnlicher Lehrgänge auch der Umfang unterrichtsfreier Zeit einschließlich der Wochenenden und ferner von Bedeutung sein, ob die Möglichkeit besteht, allgemein interessierende Einrichtungen zu besichtigen und Besonderheiten des Landes kennenzulernen (Urteil des BFH vom 15. Juli 1994 VI R 69/93, BFH/NV 1995, 26).
Der Senat erkennt im Rahmen der Abwägung der beruflichen gegenüber den privaten Interessen der Klägerin die Reise als Werbungskosten an. Zwar hat der Bundesfinanzhof darauf hingewiesen, daß bei der Beurteilung eines Auslandssprachkurses auch der Umfang der unterrichtsfreien Zeit sowie die Möglichkeit der Besichtigung allgemein interessierender Einrichtungen zu berücksichtigen ist. Dies beträfe im vorliegenden Fall generell die Montag- und Freitag – Nachmittage, in der Zeit vom 8. bis 12. August zudem noch den Mittwoch- Nachmittag sowie die Wochenenden, an denen ein Sprachunterricht nicht stattfand. Auch steht die Rechtsprechung im Falle der sprachlichen Weiterbildung eines Lehrers auf dem Standpunkt, daß auf der Grundlage des § 12 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG eine steuerschädliche private Mitveranlassung vorliegt, wenn der private Bezug der Reise eine nicht zu vernachlässigende Größenordnung erreicht. Insofern wird einem Sprachlehrer – wie anderen Berufsgruppen in vergleichbarer Art – auferlegt, sich die notwendigen beruflichen (sprachlichen) Neuerungen ohne staatliche Unterstützung in Form steuerlicher Vergünstigung zu verschaffen.
Kosten einer Sprachreise, die dem Steuerpflichtigen jedoch als Teil einer Sprachausbildung entstehen, der er sich zur Erlangung der Lehrbefugnis nicht entziehen kann, sind als Fortbildungskosten anzusehen. Weder ist dem Steuerpflichtigen – will er die Lehrbefugnis erlangen – die Teilnahme an den Lehrveranstaltungen im Ausland freigestellt noch hat er Einfluß auf die Ausgestaltung des Programms. Der Senat kann an dieser Stelle offenlassen, ob diese Grundsätze auf weitere Fortbildungsveranstaltungen übertragbar sind. Vorliegend koordinierte die Universität Paris X in Zusammenwirken mit den Partneruniversitäten die Gestaltung und den Ablauf der Ausbildungsveranstaltungen im Hinblick auf eine Qualifizierung von Lehrern in den neuen Bundesländern. Ohne die Teilnahme an dem Sprachkurs in Xdorf hätte die Klägerin nicht den universitären Abschluß erzielen können, der es ihr ermöglichte, in dem Fach Französisch zu unterrichten. Die Anerkennung des Ergänzungsstudiums an der Friedrich-Schiller-Universität erfolgte – ausweislich des Anhangs zum Vereinbarungsprotokoll (FIED-Programm) in Thüringen – nur, wenn die Studiengänge an den Partneruniversitäten in Thüringen und die Anforderungen an eine Erweiterungsprüfung auf der Grundlage der Vorläufigen Verordnung über die erste Staatsprüfung für das Lehramt an Regelschulen oder an Gymnasien absolviert wurden.
Selbst wenn man – wie der Beklagte – darauf abstellt, daß die Teilnehmer der Xdorf-Reise im Rahmen des Auslandsaufenthalts an einigen Tagen nicht durchgehend unterrichtet wurden, folgt daraus nicht, daß die Sprachreise ihren Charakter als Fortbildungsreise verloren hat. Auch im Falle der Gewährung unterrichtsfreier Zeit ist im Rahmen der Gesamtabwägung des Charakters der Auslandssprachreise zu überprüfen, ob diese Zeit nicht notwendiger Teil des Ausbildungsprogramms war.
Der Vortrag des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 19. August 1998, es habe eine Vor- und Nachbereitung des Sprachunterrichts stattgefunden, ist glaubhaft. Er fügt sich in den Ablauf der Unterrichtsgestaltung ein.
Die Gewährung unterrichtsfreier Zeit – insbesondere am Wochenende – kann zudem nicht isoliert von der Teilnehmergruppe und dem Ausbildungsziel betrachtet werden. Soweit der Beklagte auf die bisherigen Urteile des BFH abstellt, verkennt er die Bedeutung und den Inhalt des Ausbildungsprogramms der Klägerin, das nicht isoliert von den Prüfungsordnungen für das Lehramt an Gymnasien betrachtet werden kann. Prüfungsgegenstand einer Prüfung für das Fach Französisch sind sowohl im Grund- wie auch im Hauptstudium die Landeskunde und die Phonetik der französischen Sprache (vgl. Thüringer Verordnung über die erste Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien vom 6. Mai 1994 III 5. Französisch I. 3.4, 3.5, 4.5, 4.6). Unter Landeskunde versteht die o.g. Prüfungsordnung die Kenntnis der geographischen, historischen, politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnisse Frankreichs und der frankophonen Länder. Dies ließ sich für die Teilnehmer des FIED-Programms lediglich in Frankreich selbst verwirklichen. Der Teilnehmerkreis setzte sich ausschließlich aus Lehrern der ehemaligen DDR zusammen, die sich aufgrund der jahrelangen Isolation der DDR nicht die landeskundlichen und (neu-)sprachlichen Kenntnisse verschaffen konnten. Der private „Nutzwert” der Studienreise tritt hinter diese Funktion zurück.
Die Klägerin kann jedoch lediglich 1.949,75 DM als Werbungskosten beanspruchen. Für einen Betrag in Höhe von 24,92 DM (Telephon, Porto. Parkgroschen) hat sie nicht bewiesen, daß diese Kosten beruflich veranlaßt waren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135, 136 Abs. 1 Satz 3 FGO, die Abwendungsbefugnis auf §§ 105, 155 FGO i.V.m. §§ 706, 711 der Zivilprozeßordnung. Die Rechtssache hat nach Ansicht des Senats grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Revision wird daher zugelassen.