08.01.2010
Finanzgericht Bremen: Urteil vom 09.11.1999 – 298266 K 2
1. § 77 EStG ist jedenfalls dann anwendbar, wenn sich das Einspruchsverfahren gegen die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung richtet.
2. Eine Kindergeldfestsetzung auf 0 DM wird unter bestimmten Voraussetzungen als Aufhebung i. S.des § 70 Abs. 2 EStG angesehen (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 15. Mai 1998 I 206/97, EFG 1998, 1343).
3. Auch wenn die Familienkasse eine Kostenentscheidung mit dem Abhilfebescheid verbunden hat, ist die Kostenentscheidung ein selbständiger Verwaltungsakt i. S. d. § 118 AO, der mit dem Einspruch anfechtbar ist.
4. § 77 Abs. 2 EStG knüpft systematisch an § 77 Abs. 1 EStG an. Die Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten i. S. d. § 77 Abs. 2 EStG stellen danach nur Kosten innerhalb der auf der materiellen Grundlage des § 77 Abs. 1 EStG zu treffenden Kostenentscheidung dar. Verneint die Familienkasse die Notwendigkeit der Aufwendungen nach § 77 Abs. 1 EStG, bedarf es keiner ausdrücklichen Entscheidung nach § 77 Abs. 2 EStG, denn dann kann auch die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nach Abs. 2 nicht gegeben sein.
5. Auch wenn der Familienkasse ein Ausbildungswechsel des Kindes nicht mitgeteilt worden ist, ist die Notwendigkeit der im Einspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen nach § 77 Abs. 1 EStG etwa dann zu bejahen, wenn die Familienkasse eine Kindergeldfestsetzung verfahrensfehlerhaft aufgehoben hat.
6. Die Familienkasse verletzt bei der Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung ohne vorherige Anhörung das Anhörungsrecht des Kindergeldberechtigten nach § 91 Abs. 1 Satz 1 AO, wenn die Familienkasse keinen schriftlichen Festsetzungsbescheid erlassen hatte, aus dem sich der Zeitraum der Bewilligung ergeben hätte.
7. Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Einspruchsverfahren nach § 77 Abs. 2 EStG kann allerdings nur dann bejaht werden, wenn es dem Einspruchsfürer (hier Rechtsanwalt) nicht zuzumuten gewesen wäre, das Verfahren selbst zu führen.
IM NAMEN DES VOLKES hat das Finanzgericht Bremen, 2. Senat, durch den Richter ... als Vorsitzenden nach § 79a Abs. 3 FGO aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. November 1999 für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anerkennung der Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren in einer Kindergeldangelegenheit.
Der Kläger ist Rechtsanwalt. Er bezieht von der beklagten Familienkasse Kindergeld für seine im Jahr 1974 geborene Tochter. Nachdem er nachgewiesen hatte, daß die Tochter vom Wintersemester 1994/95 ab zum Studium der Medizin an der Universität Leipzig zugelassen worden war, verfügte die Familienkasse intern, daß Kindergeld zu zahlen sei und die Zahlung – im Hinblick auf die Regelstudienzeit von 8 Semestern im Studiengang Humanmedizin – nach 8 Semestern – also im Juli 1998 – enden sollte. Das Kindergeld wurde entsprechend gezahlt, ohne daß der Kläger über die zeitliche Begrenzung informiert wurde.
Unter dem 10. Juni 1998 übersandte die Familienkasse dem Kläger ein formularmäßiges Schreiben, das folgenden Inhalt hatte:
Nach den Aktenunterlagen wird Ihr Kind in Kürze seine Hochschulausbildung beenden. Kindergeld kann letztmals für den Monat gezahlt werden, in dem die studentischen Prüfungsteilnehmer offiziell von dem Prüfungsergebnis mündlich oder schriftlich unterrichtet werden.
Die Festsetzung des Kindergeldes für das Kind wird mit Ablauf des Monats 07/98 aufgehoben. Soweit Kindergeld nach diesem Monat noch für andere Kinder zu zahlen ist, wird es auf jeweils 220 DM für das erste und zweite Kind, 300 DM für das dritte Kind und 350 DM für jedes weitere Kind festgesetzt (§ 70 Absatz 2 Einkommensteuergesetz).
Damit die Familienkasse prüfen kann, ob Ihnen Kindergeld für das Kind bis zu dem genannten Monat zugestanden hat, weisen Sie bitte das tatsächliche Ende des Studiums nach (z. B. durch Prüfungszeugnis, Bescheinigung der Hochschule/Fachhochschule).
Wenn das Studium über den obengenannten Zeitpunkt hinaus andauert, ist dies durch eine Immatrikulationsbescheinigung, aus der auch die Anzahl der Fachsemester hervorgeht, nachzuweisen-, zugleich ist das voraussichtliche Studienende mitzuteilen. Sollten Sie Ende oder Fortdauer des Studiums inzwischen bereits nachgewiesen haben, brauchen Sie diesbezüglich keine Mitteilung zu machen.
In jedem Fall füllen Sie bitte den beiliegenden Erklärungsvordruck über Einkünfte und Bezüge des Kindes aus und reichen Sie ihn mit den erforderlichen Nachweisen zurück.
Am 3. Juli 1998 legte der Kläger gegen den Aufhebungsbescheid Einspruch ein und teilte – unter Beifügung entsprechender Belege – mit, daß seine Tochter am 12. Mai 1998 von der Universität Leipzig exmatrikuliert worden sei und sie seit dem 5. Januar 1998 eine dreijährige Ausbildung zur Physiotherapeutin an einer Berufsfachschule in Leipzig begonnen habe. Außerdem übersandte er eine Erklärung zu den Einkünften und Bezügen seiner Tochter.
Am 15. Juli 1998 erließ die Familienkasse einen Abhilfebescheid, in dem es heißt, daß nach eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage der angefochtene Bescheid vom 10. Juni 1998 korrigiert worden sei. Dem Einspruch habe im vollen Umfang entsprochen werden können. Weiter heißt es, daß die im Einspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen nicht erstattet werden könnten, weil sie nicht notwendig gewesen seien; diese Kostenentscheidung könne mit dem Einspruch angefochten werden.
Am 21. Juli 1998 legte der Kläger Einspruch ein und bat um Begründung der ablehnenden Kostenentscheidung. Daraufhin führte der Beklagte aus: die Kosten des Vorverfahrens könnten dem Kläger nicht erstattet werden, da er der Familienkasse den Ausbildungswechsel der Tochter nicht unverzüglich angezeigt habe. Im Fall einer unverzüglichen Anzeige wäre es nicht zum Aufhebungsbescheid vom 10. Juni 1998 gekommen.
Nunmehr begründete der Kläger den Einspruch wie folgt: Durch den Ausbildungswechsel sei der Kindergeldanspruch nicht berührt worden. Auch ohne Ausbildungswechsel habe die Familienkasse nicht davon ausgehen können daß die bisherige medizinische Ausbildung tatsächlich Ende Juli 1998 geendet habe. Es sei nicht ungewöhnlich, daß sich Ausbildungsgänge verzögerten. Wenn der Bewilligungsbescheid ohne Rückfrage des tatsächlichen Ausbildungsstandes aufgehoben und er zur Durchsetzung der Fortzahlung des Kindergelds quasi auf das Einspruchsverfahren verwiesen worden sei, habe die Familienkasse das Kostenrisiko des Verfahrens offenbar bewußt in Kauf genommen, so daß sie dieses Risiko auch tragen müsse.
Mit Einspruchsentscheidung vom 26. August 1998 wies die Familienkasse den Einspruch als unbegründet zurück. In der Begründung der Einspruchsentscheidung wird im wesentlichen die Argumentation wiederholt, die dem Kläger bereits als Begründung zur Ablehnung der Kostenentscheidung mitgeteilt worden war.
Am 25. September 1998 hat der Kläger Klage erhoben, die er wie folgt begründet: Da die Familienkasse ihm nicht mitgeteilt habe, bis wann das Kindergeld bewilligt worden sei, habe für ihn weder Anlaß noch Verpflichtung bestanden, den Wechsel der Ausbildung seiner Tochter anzuzeigen, da durch den Wechsel der Anspruch auf Kindergeld nicht berührt worden sei. Außerdem habe für den Erlaß eines Aufhebungsbescheides kein Grund bestanden. Die Familienkasse hätte die Zahlung von Kindergeld auslaufen und ihn auf dem Weg einer neuen Antragstellung verweisen können. Die Familienkasse habe durch den Aufhebungsbescheid das sich anschließende Einspruchsverfahren und die in diesem Verfahren notwendigen Auslagen geradezu provoziert. Die Familienkasse habe auch selbst nicht ausgeschlossen, daß die bisherige medizinische Ausbildung über den Ablauf des Juli 1998 hinaus angedauert haben könnte. Deshalb hätte es nahegelegen, nach dem Stand der Ausbildung zu fragen, bevor ein Aufhebungsbescheid erlassen worden sei. Entsprechend sei die Familienkasse auch in den vorangegangenen Jahren verfahren.
Kindergeldsachen seien ihrer Natur nach Sozialrechtssachen. In dem früheren Rechtsweg zu den Sozialgerichten seien Gebühren, die der Rechtsanwalt in eigener Sache im Vorverfahren verdient habe, erstattungsfähig gewesen. Da sich – wie sich aus der Vorschrift des § 77 EStG ergebe – insoweit an der Kostenerstattungsregelung der Sozialgerichtsbarkeit nichts habe ändern sollen, seien auch die eigenen Kosten des Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattungsfähig. Für die Anwendung der Grundsätze des § 139 FGO im Rahmen des § 77 EStG sei kein Raum. Sein Gebührenanspruch errechne sich wie folgt:
Gebühr § 118 (1) 1 BRAGO 7,5/10 | 6.600,- | DM | 322,50 |
Unkostenpauschale § 26 BRAGO | DM | 40,00 | |
DM | 362,50 | ||
16 % Umsatzsteuer | DM | 58,00 | |
DM | 420,50 |
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung der im Bescheid vom 15. Juli 1998 enthaltenen Ablehnungsentscheidung betr. Erstattung von Aufwendungen des Vorverfahrens und der Einspruchsentscheidung vom 26. August 1998 die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich auf die angefochtene Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus: Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 63 SGB X sei auf die Vorschrift des § 77 EStG anwendbar. Danach lägen selbstverschuldete und damit nicht erstattungsfähige Aufwendungen nach § 63 Abs. 1 Satz 3 SGB X auch dann vor, wenn ein Antragsteller seiner Mitwirkungspflicht erst im Widerspruchs- bzw. Gerichtsverfahren nachgekommen sei. Dieser besonderen Mitwirkungspflicht nach § 68 Abs. 1 EStG sei der Kläger nicht nachgekommen, indem er es unterlassen habe, den bereits ab Januar 1998 erfolgten Studienabbruch seiner Tochter und die Aufnahme einer anderen Ausbildung zum gleichen Zeitpunkt der Familienkasse unverzüglich anzuzeigen. Inhalt und Umfang seiner Mitwirkungspflichten habe der Kläger eindeutig dem Merkblatt für Kindergeld entnehmen können, dessen Erhalt und inhaltliche Kenntnisnahme er im Verlauf der Leistungsgewährung mehrfach unterschriftlich bestätigt habe. Seine eigene Beurteilung bezüglich der Nichtschädlichkeit des Ausbildungswechsels habe ihn keinesfalls von der sofortigen Ausübung seiner Mitwirkungspflicht entbunden, da die Kindergeldfestsetzung und die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen immer allein und ausschließlich der zuständigen Finanzbehörde, hier der Familienkasse, obliege. Bei rechtzeitiger Mitwirkung des Klägers wäre die Aufhebungsentscheidung überhaupt nicht ergangen. Im übrigen seien Berechtigte mit Kindern in Hochschulausbildung durch das vorgenannte Merkblatt auch darüber informiert, daß die Fortdauer eines Studiums jedes Jahr erneut nachzuweisen sei. Da die letzte Studienbescheinigung für das Sommersemester 1997 eingereicht worden sei, hätte der Kläger auch bei Fortdauer des Studiums unaufgefordert eine erneute Studienbescheinigung vorlegen müssen und können und zwar noch vor Juni 1998. Im übrigen könne nach h. M. in Literatur und Rechtsprechung zu § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO der in eigener Sache auftretende Bevollmächtigte nicht die Gebührenerstattung verlangen, die im Vorverfahren im Fall seiner Zuziehung durch einen Dritten entstanden wäre. Diese Rechtsauslegung sei auch im Rahmen des § 77 EStG anzuwenden.
Hierauf entgegnet der Kläger: Das Merkblatt, das der Beklagte im Prozeß vorgelegt habe und in dem bestimmte Mitwirkungspflichten des Kindergeldbeziehers formuliert seien, sei ihm bisher nicht bekannt gewesen. Im übrigen seien die darin enthaltenen Verpflichtungen gesetzlich nicht normiert. Nach § 68 EStG habe der Kläger nur Änderungen anzuzeigen gehabt, die für die Kindergeldgewährung erheblich gewesen seien. Hierzu habe der Ausbildungswechsel nicht gehört.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze mit Anlagen und das Sitzungsprotokoll vom 9. November 1999 Bezug genommen. Die vom Beklagten vorgelegte einschlägige Kindergeldakte Band II war insoweit Gegenstand der mündlichen Verhandlung, als sie in diesem Urteil verwertet worden ist.
Gründe
Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten durch den Vorsitzenden allein (§ 79 a Abs. 3 FGO).
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
I.
1. Die hier einschlägige Regelung des § 77 EStG über die Erstattung von Kosten im Vorverfahren gehört zum Abschnitt „X. Kindergeld”, der mit den Jahressteuergesetz 1996 in das EStG eingefügt worden ist. Nach § 77 Abs. 1 EStG hat die Familienkasse dem Einspruchsführer bei erfolgreichen Einspruch gegen die Kindergeldfestsetzung (§ 70 EStG) – die nunmehr eine Abgabenangelegenheit i. S. von § 347 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 AO ist – die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Gebühren oder Auslagen eines Bevollmächtigten sind nach Abs. 2 der Vorschrift erstattungsfähig, wenn dessen Zuziehung notwendig war. Die Vorschrift des § 77 EStG ist – unbeschadet der Abgrenzungsprobleme hinsichtlich anderer im Zusammenhang der Kindergeldfestsetzung stehenden Verfahrensarten (vgl. dazu Ramisch in Littmann/Bitz/Hellwig, § 77 EStG, Tz. 4, Stand 4/99) – jedenfalls dann anwendbar, wenn sich das Einspruchsverfahren gegen die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung richtet. Die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung stellt nämlich die Kehrseite der Festsetzung dar; deshalb ist sie im § 70 Abs. 2 EStG geregelt. Außerdem wird eine Kindergeldfestsetzung auf 0 DM unter bestimmten Voraussetzungen als Aufhebung i. S. des § 70 Abs. 2 EStG angesehen (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 15. Mai 1998 I 206/97, EFG 1998, 1343, Revisionsverfahren anhängig unter BFH-Az. VI R 78/98).
2. Die Familienkasse hatte auch einen Aufhebungsbescheid erlassen. Hiervon ist sie von vornherein selbst ausgegangen, wenn der Bescheid auch keine Rechtsbehelfsbelehrung enthält; dies hatte nur zur Folge, daß ein Einspruch innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe hätte eingelegt werden können (§ 356 Abs. 2 AO). Auch der Kläger hat die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung als förmlichen Verwaltungsakt angesehen, denn er hat entsprechend § 357 AO Einspruch eingelegt.
Der Einspruch des Klägers war erfolgreich, denn die Familienkasse hat ihm abgeholfen.
3. Obwohl die Familienkasse die Kostenentscheidung mit dem Abhilfebescheid entsprechend DA-FamRb BStBl. I 1996, 913, 933 Nr. 23 Tz. 3 Abs. 1 mit dem Abhilfebescheid verbunden hat, ist die Kostenentscheidung ein selbständiger Verwaltungsakt i. S. d. § 118 AO. Deshalb war sie durch Einspruch anfechtbar. Die Familienkasse hat verfahrensmäßig zutreffend durch Einspruchsentscheidung über den Einspruch entschieden (dazu Ramisch Tz. 14; Heuermann in Blümich, § 77 EStG, Tz. 25, Stand 1/96; Krömker in Herrmann Heuer/Raupach, § 77 EStG, Anm. 18 a. E., Stand 2/97).
II.
1. Die Familienkasse hat die Ablehnung eines Erstattungsanspruchs des Klägers sowohl im Ablehnungsbescheid wie in der Einspruchsentscheidung auf die Vorschrift des § 77 Abs. 1 EStG gestützt, indem sie die Notwendigkeit der Aufwendungen des Klägers zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Einspruchsverfahren verneint hat. Erst im Klageverfahren ist deutlich geworden, daß der Kläger seinen Kostenerstattungsanspruch nicht aus der Vorschrift des § 77 Abs. 1 Satz 1 EStG, sondern aus dessen Abs. 2 herleitet, wonach die Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten erstattungsfähig sind, wenn dessen Zuziehung notwendig war. Der Kläger stützt seinen Erstattunganspruch nämlich auf die Vorschriften der BRAGO, und dieser Anspruch läßt sich nur aus § 77 Abs. 2 und nicht aus dessen Abs. 1 herleiten (vgl. die Aufzählung erstattungsfähiger Aufwendungen nach § 77 Abs. 1 bei Seewald/Felix in Kirchhof/Söhn, § 77 EStG, Rdnr. B 14, Stand 10/98).
Die erst im Klageverfahren vorgenommene Herleitung des Erstattungsanspruchs aus der Vorschrift des § 77 Abs. 2 EStG hindert das Gericht nicht, den geltend gemachten Anspruch auch unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. § 77 Abs. 2 EStG knüpft – ebenso wie die Regelung des § 77 Abs. 3 Satz 2 EStG, wonach die Kostenentscheidung nach erfolgreichen Abschluß eines Einspruchsverfahrens auch bestimmt, ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten i. S. d. Abs. 2 notwendig war – systematisch an § 77 Abs. 1 EStG an. Die Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten i. S. d. § 77 Abs. 2 EStG stellen danach nur Kosten innerhalb der auf der materiellen Grundlage des § 77 Abs. 1 EStG zu treffenden Kostenentscheidung dar (so zu der dem § 77 EStG entsprechenden Regelung des § 80 VwVfG: BVerwG-Urteil vom 22. Mai 1986, 6 C 40.85, NVwZ 1987, 490 mit weiteren Nachweisen). Verneint die Familienkasse – wie hier – die Notwendigkeit der Aufwendungen nach § 77 Abs. 1 EStG, bedarf es keiner ausdrücklichen Entscheidung nach § 77 Abs. 2 EStG, denn dann kann auch die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nach Abs. 2 nicht gegeben sein.
2. Die beklagte Familienkasse verneint die Notwendigkeit der im Einspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen des Klägers nach § 77 Abs. 1 EStG mit der Begründung, daß nur deshalb ein Aufhebungsbescheid mit dem sich daran anschließenden Einspruchsverfahren ergangen sei, weil der Kläger den Ausbildungswechsel seiner Tochter der Familienkasse nicht mitgeteilt habe.
Richtig ist, daß der Kläger zu dieser Mitteilung verpflichtet war. Nach § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG hat der Kindergeldberechtigte nämlich nicht nur Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, der Familienkasse mitzuteilen sondern auch Änderungen in den Verhältnissen, „über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind”. Diese Voraussetzungen lagen hier vor: Der Kläger hatte seinen Kindergeldantrag mit dem Medizinstudium seiner Tochter begründet, und er hatte zu diesem Antrag die entsprechenden Belege eingereicht. Deshalb war er verpflichtet, den Ausbildungswechsel – wiederum unter Beifügung der notwendigen Belege – der Familienkasse unverzüglich mitzuteilen. Das Gesetz überläßt es nicht dem Kindergeldberechtigten, eine eigene Entscheidung darüber zu treffen, ob ein Ausbildungswechsel für die Leistung des Kindergeldes erheblich ist, sondern er muß jeden Ausbildungswechsel der Familienkasse unverzüglich mitteilen. Im Hinblick auf diese eindeutige gesetzliche Regelung ist es unerheblich, ob der Kläger durch Merkblätter auf seine Mitwirkungspflichten zusätzlich hingewiesen worden ist.
3. Dieser Verstoß des Klägers gegen die ihm obliegende Mitwirkungspflicht hat jedoch nicht zur Folge, daß damit automatisch die Notwendigkeit der ihm entstandenen Aufwendungen im Einspruchsverfahren zu verneinen wäre. Das Einspruchsverfahren und die hierdurch ihm entstandenen Kosten sind nämlich nicht unmittelbare Folge seines Verstoßes gegen seine Mitwirkungspflicht, sondern sie beruhen auf dem Erlaß des Aufhebungsbescheides durch die Familienkasse. Insoweit unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt von dem Tatbestand, der Gegenstand des von der Familienkasse zitierten Urteils des BSG vom 22. Oktober 1987 12 RK 49/86, BSGE 62, 214 war. Das BSG hat entschieden, daß eine unterlassene Mitwirkung im Verfahren zur Nachentrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen nach Ergehen eines Ablehnungsbescheides im Widerspruchs- oder Gerichtsverfahren nachgeholt werden, der Antragsteller dann aber keine Erstattung seiner Verfahrenskosten verlangen könne. Hier beruht der Aufhebungsbescheid aber nicht unmittelbar auf der unterlassenden Mitwirkung des Klägers. Vielmehr hat die Familienkasse verfahrensfehlerhaft gehandelt, als sie den Aufhebungsbescheid erließ; und dieser Verfahrensfehler hatte das Einspruchsverfahren zur Folge, dessen Kosten der Kläger erstattet haben will.
Nach § 70 Abs. 2 EStG, bei dem es sich um eine spezialgesetzliche Regelung zur Aufhebung und Änderung einer Kindergeldfestsetzung handelt (BFH-Beschluß vom 14. Juli 1999 VI B 89/99, BFH/NV 1999, 1597) ist die Festsetzung des Kindergeldes nur dann aufzuheben oder zu ändern, soweit in den Verhältnissen, der für den Anspruch von Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten. Es ist unstreitig, daß die Voraussetzungen für die Zahlung des Kindergeldes durch die Familienkasse sich durch den Ausbildungswechsel nicht geändert haben, so daß der Kläger auch nach dem Ausbildungswechsel unverändert Kindergeld bezieht. Zu Recht hat die Familienkasse deshalb aufgrund des Einspruchs des Klägers den Aufhebungsbescheid aufgehoben. Das Einspruchsverfahren wäre vermieden worden, wenn die Familienkasse stattdessen verfahrensfehlerfrei vorgegangen wäre.
a) Bei Erlaß des Aufhebungsbescheides ist das Anhörungsrecht des Klägers nach § 91 Abs. 1 Satz 1 AO verletzt worden, denn Gründe für ein Absehen von der Anhörung nach § 91 Abs. 2 AO sind nicht erkennbar. Die Anhörung wäre vor altem deshalb erforderlich gewesen, weil entsprechend der Vorschrift des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG die Familienkasse zulässigerweise keinen schriftlichen Festsetzungsbescheid erlassen hatte, aus dem sich für den Kläger der Zeitraum der Bewilligung ergeben hätte. Deshalb brauchte der Kläger nicht damit zu rechnen, daß die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung ohne Anhörung aufhob.
b) Unabhängig vom Verstoß gegen die Anhörungspflicht war der Erlaß des Aufhebungsbescheides deshalb rechtswidrig, weil die Familienkasse nicht ohne weiteres davon ausgehen konnte, daß die Voraussetzungen für einen Wegfall des Anspruchs auf Kindergeld gegeben waren. Die bloße Möglichkeit, daß die Tochter des Klägers ihr Medizinstudium innerhalb der Regelstudienzeit von 8 Semestern abgeschlossen hätte, berechtigte die Familienkasse nicht zur Aufhebung der Kindergeldfestsetzung. Vielmehr hätte es ordnungsgemäßen Verwaltungshandeln entsprochen, wenn der Kläger unter Fristsetzung aufgefordert worden wäre, nachzuweisen, daß der Anspruch auf Kindergeld weiterbestehe und daß andernfalls die Kindergeldfestsetzung aufgehoben werden müsse. Irgendwelche einleuchtenden Gründe, daß der Familienkasse ein solches Vorgehen unzumutbar wäre oder Praktikabilitätserwägungen dagegen sprechen würden, hat auch der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht darlegen können.
c) Im Gegenteil führt die jetzige Praxis der Familienkasse – wie der vorliegende Fall zeigt – zu unnötigen Einspruchsverfahren. Der formularmäßige Aufhebungsbescheid, der offenbar regelmäßig in vergleichbaren Fällen ergeht, legt es dem Empfänger nahe, mindestens vorsorglich Einspruch gegen den Aufhebungsbescheid einzulegen, wenn der Bescheid auch keine Rechtsbehelfsbelehrung enthält. Andererseits wird in dem Aufhebungsbescheid dem bisher Kindergeldberechtigten angeboten, das Kindergeld weiterzuzahlen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen nachgewiesen werden. Unklar ist aufgrund des Wortlauts des Aufhebungsbescheides, ob der Empfänger zur Durchsetzung seiner Rechte Einspruch einlegen muß oder ob die Weiterzahlung des Kindergeldes – bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen – auch ohne Einspruchseinlegung zu erreichen ist. Ein unbefangener Empfänger dieses Bescheides wird möglicherweise die Einspruchseinlegung als notwendig ansehen, weil er sich sagen wird, daß die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung nicht förmlich aufgehoben hätte, wenn eine Fortsetzung der Kindergeldzahlung allein durch die Vorlage der erforderlichen Belege zu erreichen wäre.
Aus alledem folgt, daß entgegen der Auffassung der Familienkasse die dem Kläger durch die Einlegung des Einspruchs entstandenen Aufwendungen notwendig waren, da er die Einlegung des Einspruchs als erforderlich ansehen mußte und das Einspruchsverfahren vorrangig durch den Erlaß des rechtswidrigen Aufhebungsbescheides erforderlich geworden war.
III.
Da der Kläger Aufwendungen für das Einspruchsverfahren nur insoweit geltend macht, als ihm in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt ein Gebührenanspruch nach der BRAGO bei Vetretung eines Dritten zustehen würde, kann ihm ein Erstattungsanpruch zustehen, wenn die Voraussetzungen des § 77 Abs. 2 EStG gegeben sind. Dies ist nicht der Fall.
1.a) Die Anwendung der Vorschrift scheitert nicht schon deshalb, weil der Kläger sich im Einspruchsverfahren selbst vertreten hat. Zwar hat der BFH in mehreren älteren Entscheidungen zur entsprechenden Vorschrift des § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO, die die Erstattung von Vorverfahrenskosten nach erfolgreichem Abschluß des Klageverfahrens unter Kostenauferlegung auf die Finanzbehörde ebenfalls von der Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten abhängig macht, die Anwendung dieser Regelung im Fall der Selbstvertretung des Rechtsanwalts oder Steuerberaters mit der Begründung verneint, es fehle schon an einer „Zuziehung” eines Bevollmächtigten im Fall der Selbstvertretung (vgl. Beschluß vom 29. August 1969 III B 37/66, BFHE 97, 54, BStBl. II 1969, 751; Beschluß vom 10. Februar 1972 V B 33/71, BFHE 104, 306, BStBl. II 1972, 355; Beschluß vom 29. März 1973 IV B 89/70, BFHE 108, 574, BStBl. II 1973, 535; bestätigt durch Beschluß vom 21. Juli 1977 IV B 3/73, BFHE 123, 9, BStBl. II 1977, 767). Das BVerfG hat mit Beschluß vom 9. Juni 1972 1 BvR 176/72, HFR 1972, 441 diese Rechtsprechung als eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandene Auslegung des § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO bezeichnet. Auch der Kostensenat des erkennenden Gerichts hat sich dieser Auslegung angeschlossen (Beschluß vom 6. Februar 1992 II 235/91 Ko, EFG 1992, 470; kritisch dazu Tipke/Kruse § 139 FGO, Tz. 27, Stand 70/98).
b) Diese Auslegung des § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO ist aber auf die Vorschrift des § 77 Abs. 2 EStG aus den folgenden Gründen nicht übertragbar: Nach den AO-Vorschriften erhält der im Einspruchsverfahren obsiegende Steuerpflichtige keinen Ersatz der Kosten, die ihm durch die notwendige Zuziehung eines Bevollmächtigten entstanden sind. Daß diese sich aus dem Fehlen einer Erstattungsvorschrift in der AO herzuleitende Verneinung eines Erstattungsanspruchs nicht verfassungswidrig ist, hat zuletzt der BFH mit Beschluß vom 23. Juli 1996 VII B 42/96, BFHE 180, 529, BStBl. II 1996, 501 im einzelnen begründet. In dieser Entscheidung hat der BFH die Vorschrift des § 77 EStG, und insbesondere dessen Absatz 2, als Ausnahmeregelung bezeichnet, die im Hinblick auf die Rechtsnatur der Kindergeldregelungen als Sozialrecht gerechtfertigt sei. Mit der Regelung des § 77 habe eine Schlechterstellung gegenüber dem bisherigen Recht, die ohne diese Regelung eingetreten wäre, vermieden werden sollen (vgl. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 18. Auflage, § 77 Tz. 1 mit Hinweis auf die amtliche Begründung des Entwurfs dieser Vorschrift in BT-Drs. 13/1558, 162). Die Regelung entspricht dem § 63 SGB X, der für den Bereich des Vorverfahrens vor Erhebung einer Klage vor dem Sozialgericht ebenfalls die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren für erstattungsfähig erklärt, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.
In den Kommentierungen zu § 63 Abs. 2 SGB X wird die Frage, ob auch die Selbstvertretung eines Rechtsanwalts zu einem Erstattungsanspruch führen kann, kontrovers abgehandelt (bejahend Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, § 193 Tz. 5b; Schroeder-Printzen, SGB X, 2. Auflage, § 63 Anm. 8; Krasney in Kasseler Kommentar, § 63 SGB X, Rdnr. 26, Stand 3/95; a. A. Schneider-Danwitz in SGB- SozVers-Geskomm, § 63 SGB X Anm. 48, Stand 3/89; Freischmidt in Hauck, SGB 1, 2 K § 63, Rdnr. 8, Stand 5/88). Entscheidungen des BSG oder eines LSG zu dieser Problematik sind offenbar nicht ergangen.
Die Vorschrift des § 63 SGB X entspricht wörtlich der Vorschrift des § 80 Abs. 2 VwVfG, die im Zeitpunkt der Erlasses des SGB X bereits galt. Aufgrund dieser Vorschrift wird in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. grundlegend Urteil vom 16. Oktober 1980 8 C 10.80, BVerwGE 61, 100), der die Literatur folgt (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Auflage, § 80, Rdnr. 61) die Erstattungsfähigkeit der Gebühren und Auslagen eines im Vorverfahren sich selbst vertretenden Rechtsanwalts bejaht. Diese Rechtsprechung beruht im wesentlichen auf der Begründung, daß die für das Prozeßverfahren geltenden Vorschrift des § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO (die auch nach der BFH-Rechtsprechung über § 155 FGO dem im Prozeß sich selbst vertretenden Rechtsanwalt bei erfolgreichem Ausgang einen Kostenerstattungsanspruch gewährt, vgl. BFHE 97, 54, BStBl. II 1969, 751) auf Grund der in ihr enthaltenen Interessenabwägung nicht ausschließlich auf gerichtliche Verfahren zugeschnitten sei. Auch das Verwaltungsverfahren sei ein rechtlich geregeltes Verfahren, in dem Interessengegensätze ausgetragen würden. Bei notwendiger Beiziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren habe die Behörde mit der Tätigkeit eines Rechtsanwalts zu rechnen wie im gerichtlichen Verfahren. Hier wie dort werde es den Betroffenen prinzipiell nicht zugemutet, sich selbst zu vertreten. Es bestehe kein überzeugender Grund, der unterliegenden Behörde die Ersparnisse an Kosten für eine Fremdvertretung zugute kommen zu lassen, wenn dem sich erlaubt selbst vertretenden Rechtsanwalt diese Selbstvertretung im Verhältnis zur Gegenseite rechtlich nicht zugemutet werde.
c) Das Gericht folgt dieser überzeugenden Argumentation und hält sie für die Auslegung des § 77 Abs. 2 EStG für geboten. Hierbei verkennt das Gericht nicht, daß die Argumentation des BVerwG im Widerspruch zu den Entscheidungen BFHE 104, 306, BStBl. II 1972, 353 und BFHE 108, 574, BStBl. II 1973, 535 insoweit steht, als der BFH in diesen Entscheidungen die Vorschrift des § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO als Ausnahmeregelung für das gerichtliche Verfahren bezeichnet und seine Anwendung auf das Vorverfahren abgelehnt hat. Der BFH hatte bisher keine Gelegenheit, seine Rechtsprechung zu § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO betreffend die Ablehnung der entsprechenden Anwendung des § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO im Hinblick auf die neuere BVerwG-Rechtsprechung zu überprüfen. Im übrigen hat das BVerwG in der Entscheidung BVerwGE 61, 100, 104 betont, daß seine Auslegung des § 80 Abs. 2 VwVfG die Interpretation des § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht berührt, da die AO keine dem § 80 VwVfG entsprechende Vorschrift enthalte (vgl. dazu auch FG Berlin, Beschluß vom 30. Oktober 1987 VII 330/85, EFG 1988, 247). Mit der Einfügung des § 77 EStG hat der Gesetzgeber für den Spezialbereich der Kindergeldfestsetzung eine Regelung getroffen, die zwar systematisch fehlerhaft in das EStG als § 77 aufgenommen worden ist, die aber eine dem § 80 VwVfG entsprechende Regelung enthält. Deshalb muß sich die Auslegung des § 77 EStG an der Auslegung des § 80 VwVfG orientieren mit der hier interessierenden Folge, das die Anwendung des § 77 Abs. 2 EStG auch bei Selbstvertretung eines Rechtsanwalts nicht von vornherein ausgeschlossen ist.
2. Trotzdem kann der Kläger mit seinem Begehren keinen Erfolg haben, denn die Zuziehung eines Rechtsanwalts war hier nicht notwendig.
a) Nach der BFH-Rechtsprechung zu § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO ist die Zuziehung eines Bevollmächtigten dann notwendig, wenn der Steuerpflichtige wegen der Schwierigkeit der streitigen Rechtsprobleme zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung des Rates eines Steuer- und rechtskundigen Fachmannes bedarf (BFHE 108, 574, BStBl. II 1973, 535). Darüberhinaus ist die wirtschaftliche Tragweite des Rechtstreites und das Ausmaß der eigenen Sachkunde der Beteiligten zu berücksichtigen (BFH-Beschluß vom 18. Juli 1967 GrS 5 – 7/66, BFHE 90, 150, BStBl. II 1968, 56). In den Kommentierungen zu § 77 Abs. 2 EStG wird als selbstverständlich davon ausgegangen, daß diese Auslegung des § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO auch dem § 77 Abs. 2 EStG zugrunde zu legen ist (vgl. Krömker Tz. 14; Seewald/Felix, Rdnr. C 5; Heuermann Tz. 16; Ramisch Tz. 9). Derselben Auffassung ist das Niedersächsische Finanzgericht (Urteil vom 27. Mai 1999 XII 344/98 Ki, EFG 1999, 905). Von der BFH-Rechtsprechung zu § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO geht offenbar auch die Dienstanweisung DA-FamRb Nr. 23 Abs. 6. Danach sei die Zuziehung notwendig, „wenn sie aus Sicht eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte. Dies ist nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen.”
b) Bei dieser unreflektierten Übernahme der zu § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO entwickelten Auslegungsgrundsätze wird verkannt, daß die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren grundsätzlich dann großzügiger zu bejahen ist – und in der Praxis auch generell als selbstverständlich angesehen wird –, wenn nach erfolglosem Einspruchsverfahren erst im Gerichtsverfahren das Begehren des durch einen Bevollmächtigten vertretenen Klägers Erfolg hat. Eine verfahrensrechtlich anders zu beurteilende Situation wird häufig vorliegen, wenn der Betroffene bereits im Einspruchsverfahren mit seinem Einspruch Erfolg hat. Da das Einspruchsverfahren der Verwaltung gerade die Möglichkeit geben soll, vor einer etwaigen Anrufung des Gerichtes begangene Fehler selbst zu beheben, sind für die Bejahung der Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalt im Vorverfahren bei einem Erfolg des Einspruchs im Vorverfahren strengere Maßstäbe als nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO anzulegen. Zutreffend führt das BVerwG in BVerwGE 61, 100, 101 f. aus, daß der Gesetzgeber in der dem § 77 Abs. 2 EStG entsprechenden Regelung des § 80 Abs. 2 VwVfG davon ausgeht, daß im Vorverfahren eine Bevollmächtigung eines Dritten nicht üblich und in der Regelung – trotz der im allgemeinen besseren Ausstattung der Behörden mit fachkundigem Personal – auch nicht notwendig ist. Der Herstellung völliger „Waffengleicheit” bedarf es bei diesem Verfahrensstand noch nicht, da die Verwaltung an das Gesetz gebunden und ohnehin noch der gerichtlichen Kontrolle unterworfen ist. Vielmehr wird zunächst das unmittelbare Gespräch zwischen der Behörde und dem Betroffenen persönlich als zweckmäßiger angesehen. Vor diesem Hintergrund stellt des BVerwG für die Beantwortung der Frage, ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren ausnahmsweise notwendig war, darauf ab, ob sich ein vernünftiger Bürger mit gleichen Bildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sach- und Rechtslage eines Rechtsanwalts bedient hätte. Dies sei nur anzunehmen, wenn es einer Partei nach ihren persönlichen Verhältnissen nicht zuzumuten sei, das Vorverfahren selbst zu führen (Urteil vom 13. Februar 1987 8 C 35.85, NVwZ 1987, 883 mit weiteren Nachweisen).
Dieser Rechtsprechung des BVerwG ist das BSG zur Auslegung des dem § 80 Abs. 2 VwVfG entsprechenden § 63 Abs. 2 SGB X gefolgt (Urteil vom 15. Dezember 1987 6 RKa 21/87, SozR 1300 § 63 Nr. 12). Auch das BSG sieht – unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerwG zu § 80 Abs. 2 VwVfG – die Zuziehung eines Bevollmächtigten nur dann als notwendig an, wenn es der Partei nach den jeweils gegebenen Verhältnissen nicht zuzumuten ist, das Verfahren selbst zu führen.
c) Da – wie oben ausgeführt – die Vorschrift des § 77 EStG dem § 63 SGB X nachgebildet worden ist, muß zur Auslegung dieser Vorschrift auch die bisherige BSG-Rechtsprechung herangezogen werden. Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts für das Einspruchsverfahren kann deshalb nur dann bejaht werden, wenn es dem Kläger nicht zuzumuten gewesen wäre, das Verfahren selbst zu führen. Diese Frage ist zu verneinen. Selbst wenn man sich die Berufstätigkeit des Klägers wegdenkt, ist für die Entscheidung davon auszugehen, daß er als Volljurist selbst in der Lage sein mußte, Einspruch gegen den Aufhebungsbescheid einzulegen, diesen zu begründen und die erforderlichen Belege bezogen auf den Ausbildungswechsel seiner Tochter vorzulegen. Auch einem Volljuristen, der nicht Rechtsanwalt ist, wäre es zuzumuten gewesen, diese erforderlichen Schritte gegen den rechtswidrigen Aufhebungsbescheid einzuleiten und zu einem erfolgreichen Ende zu führen. Es handelt sich nach Auffassung des Gerichts um einen typischen Fall, in dem ein rechtswidriges Verwaltungshandeln durch eine zweckmäßige Reaktion des Betroffenen von der Behörde selbst behoben worden ist, und für dieses Handeln hätte ein Jurist, der nicht Rechtsanwalt ist, keines anwaltlichen Beistandes bedurft.
IV.
Die Klage ist somit mit der sich aus § 135 Abs. 1 FGO ergebenen Kostenfolge abzuweisen.
Die Revision ist zuzulassen, denn die Sache hat nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO grundsätzliche Bedeutung. Abgesehen davon, daß der BFH sich mit der Auslegung des § 77 Abs. 1 und 2 EStG bisher noch nicht befaßt hat, bedarf die Auslegung des Begriffs der Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im § 77 Abs. 2 EStG sowie das Problem der Anwendung dieser Vorschrift bei Selbstvertretung eines Rechtsanwalts der höchstrichterlichen Klärung. Im vorliegenden Fall würde die Übertragung der Grundsätze des § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO auf § 77 Abs. 2 EStG wohl zu einem Erfolg der Klage führen, vorausgesetzt, auch der BFH hält § 77 Abs. 2 EStG im Fall der Selbstvertretung des Bevollmächtigen für anwendbar.