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  • 04.02.2016 · IWW-Abrufnummer 146291

    Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen: Urteil vom 15.12.2015 – L 21 R 374/14

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landessozialgericht NRW

    L 21 R 374/14

    Tenor:

    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 28.03.2014 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Eine Revision wird nicht zugelassen.

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    Tatbestand:

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    Die Beteiligten streiten über die Rentenhöhe. Die 1947 geborene Klägerin begehrt die Anerkennung von höheren Pflichtbeitragszeiten für die Erziehung ihrer vier, am 00.00.1971, 00.00.1973, 00.00.1976 und 00.00.1978 geborenen Kinder, die sie überwiegend erzogen hat.

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    Auf den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Altersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres vom 06.03.2012 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 25.05.2012 die Regelaltersrente ab 01.08.2012 in Höhe eines Zahlbetrages von 348,18 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 30.05.2012 berechnete sie die Regelaltersrente neu und berücksichtigte zusätzlich einen Zuschuss zur Krankenversicherung i.H.v. 25,42 EUR (Gesamtzahlbetrag 373,60 EUR monatlich).

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    Gegen diese Bescheide richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 06.06.2012. Den Widerspruch begründete sie damit, dass ihre Erziehungsleistung als vierfache Mutter unzureichend berücksichtigt sei. Es stünde nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, wenn pro Kind nur ein Jahr an Pflichtbeitragszeiten berücksichtigt werde. Vorschriften, welche der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entgegenstünden, dürften nicht angewandt werden. Es werde um eine Überprüfung und Korrektur im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht gebeten, insbesondere dürfe es nicht zu einer Benachteiligung gegenüber kinderlosen Personen kommen, die durchgehend erwerbstätig sein konnten. Es müsse anerkannt werden, dass die Kindererziehung der monetären Rentenbeitragszahlung mindestens gleichwertig sei. Die Kindererziehungsleistung der Klägerin dürfe nicht schlechter honoriert werden als die Leistung von Müttern, die neben der Kindererziehung auch erwerbstätig waren.

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    Die Beklagte behandelte die Widersprüche getrennt: Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 25.05.2012 wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.2012 als unbegründet zurück. Die Zeiten wegen der Kindererziehung seien nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zutreffend berücksichtigt worden. Die unterschiedliche Berücksichtigung von Erziehungsleistungen für vor dem 01.01.1992 geborene Kinder und für später geborene Kinder sei verfassungsgemäß und verstoße nicht gegen Gleichheitsgrundsatz. Die Beklagte sei an das geltende Recht gebunden und habe keinen Spielraum für eigene Entscheidungen; die Möglichkeit, vom geltenden Recht abweichende Gestaltungen vorzunehmen, sei allein der politischen Entscheidung des Gesetzgebers vorbehalten. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.08.2012 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 30.05.2012 als unbegründet zurück. Die Rente und der Zuschuss zur Krankenversicherung seien in zutreffender Höhe ermittelt worden. Die Berechnung selbst entspräche den gesetzlichen Vorschriften.

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    Dagegen hat die Klägerin am 30.09.2012 bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass sie als 4-fache Mutter gegenüber kinderlosen Erwerbstätigen benachteiligt würde. Obwohl das Bundesverfassungsgericht es dem Gesetzgeber aufgegeben habe, sei die Benachteiligung von Müttern bisher nicht abgebaut. Die Beklagte missachte die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Das Gesetz stehe mit der Verfassung nicht in Einklang. Zudem sei sie dadurch benachteiligt, dass ihre Kinder vor dem 01.01.1992 geboren seien, und daher nur eine geringere Anrechnung von Kindererziehungszeiten erfolge. Die Klägerin hat darauf hingewiesen, dass es sich bei genauer Betrachtung um eine doppelte Benachteiligung handle, denn das gesellschaftliche und politische Umfeld sei für die Kindererziehung in den siebziger und achtziger Jahren ungünstiger gewesen als in späteren Jahren; die Position der Frau sei, auch in ihrer gesetzlichen Ausgestaltung, eine deutlich schwächere gewesen. Auch gesellschaftlich sei erwartet worden, dass die Frau sich um die Kinder kümmere. Kinderbetreuungsmöglichkeiten hätten kaum bestanden.

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    Das Sozialgericht Gelsenkirchen hat die Klage durch Urteil mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung - zu welcher die Beteiligten ihr Einverständnis gegeben hatten - am 28.03.2014 abgewiesen:

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    Die angefochtene Entscheidung entspräche den gesetzlichen Regelungen. Die Beklagte habe zutreffend für die sämtlich vor dem 01.01.1992 geborenen Kinder jeweils zwölf Kalendermonate als Versicherungspflichtzeiten berücksichtigt. Die Regelung sei nicht verfassungswidrig. Aus Art. 6 Abs. 1 GG ließe sich eine Verpflichtung des Gesetzgebers, höhere Leistungen für die Kindererziehung im Rahmen der Altersvorsorge zu berücksichtigen, nicht herleiten. Es ergebe sich auch keine Pflicht aus der Verfassung, hinsichtlich der Begründung von Rentenanwartschaften die Kindererziehung der Beitragszahlung gleichzustellen. Das Bundesverfassungsgericht habe dem Gesetzgeber zwar aufgegeben, die Benachteiligung in weiterem Umfang als bisher schrittweise abzubauen, dazu allerdings keine Frist gesetzt. Allein der Zeitablauf seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 07.07.1992 sei zur Annahme einer Verfassungswidrigkeit nicht ausreichend. Auch die Berechnung des Kostenzuschusses zur Versicherung gemäß § 106 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch -SGB VI- entspräche den gesetzlichen Bestimmungen.

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    Gegen dieses der Klägerin am 05.04.2014 zugestellte Urteil hat sie mit Eingang beim Sozialgericht Gelsenkirchen am 04.05.2014 Berufung eingelegt:

    10

    Die Berücksichtigung lediglich eines Jahres an Erziehungszeit pro Kind sei praxisfern und ungerecht. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts mit Urteil vom 07.07.1992 sei damit keineswegs umgesetzt. Zudem liege eine grundgesetzwidrige Ungleichbehandlung von Müttern vor, deren Kinder vor dem 01.01.1992 geboren wurden, und jenen, deren Kinder nach diesem Stichtag geboren seien.

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    Aufgrund der mit der Neufassung von § 249 SGB VI zum 01.07.2014 erfolgten höheren Bewertung von Kindererziehungszeiten für vor dem 01.01.1992 geborene Kinder auf zwei Jahre hat die Beklagte den Änderungsbescheid vom 17.09.2014 erlassen, mit welchem der monatliche Zahlbetrag der Rente der Klägerin ab dem 01.10.2014 auf 469,32 EUR angehoben und der Klägerin für Juli 2014 bis September 2014 eine Nachzahlung i.H.v. 368,37 EUR gewährt wurde. Den monatlichen Zuschuss zur Krankenversicherung setzte die Beklagte auf 34,26 EUR fest.

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    Die Klägerin ist der Auffassung, dass auch nach dieser Erhöhung ein angemessener Ausgleich ihrer Erziehungsarbeit nicht erfolgt sei; sie hat die Berufung aufrechterhalten. Zu ihrer Zeit als Erziehende sei gesellschaftlich das Leitbild der Hausfrauenehe vorherrschend gewesen. Kindergartenplätze für Unter-Dreijährige habe es überhaupt nicht, für Über-Dreijährige ganz wenige gegeben. Sie habe vier Kinder erzogen und sich um den Haushalt gekümmert. Auch das Kindergeld sei damals deutlich niedriger gewesen als heute. Im Familienrecht sei bis 1977 die von ihr beschriebene Rollenaufteilung herrschend gewesen. Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei kein Thema öffentlicher und politischer Debatten gewesen. Von daher wiege ihre Benachteiligung doppelt schwer: Es würden weniger Pflichtbeitragszeiten anerkannt, obwohl das politische und gesellschaftliche Umfeld schwieriger war. Die Klägerin weist darauf hin, dass der in Art. 6 Abs. 1 GG niedergelegte Grundsatz den Staat verpflichte, Ehe und Familie durch geeignete Maßnahmen zu fördern. Sie ist der Ansicht, dass es den Staat oder die Rentenversicherung auch nicht finanziell überfordern würde, Kindererziehungszeiten jedenfalls vor und nach dem Stichtag gleichzubehandeln. Es sei aber bei aktueller Haushaltslage auch möglich, insgesamt höhere Pflichtbeitragszeiten für die Kindererziehung anzuerkennen. Sie könne nicht nachvollziehen, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber zur Angleichung keine Frist gesetzt habe. Die Verpflichtung des Gesetzgebers liefe damit im Ergebnis leer. Die Anteile, die ihre berufstätigen vier Kinder an die Rentenversicherung abführten, würden deutlich das überschreiten, was sie aus der Rentenversicherung erhalte. Das Rentenversicherungssystem sei in seiner Ausgestaltung darauf angewiesen, dass es Familien mit (mehreren) Kindern geben. Die Beklagte dürfe sich nicht auf ihre Bindung an Recht und Gesetz berufen. Es könne nicht sein, dass es alleine dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten sei, Gesetz und Gerichtsentscheidung auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Alle müssten ständig und vorsorglich prüfen, ob ihr Handeln mit dem Grundgesetz im Einklang stehe. Zudem sei es der Beklagten mit ihrem Apparat über die Bundesregierung möglich, auf eine entsprechende Gesetzesänderung hinzuwirken; dies sei ihr wesentlich einfacher möglich als dem einzelnen Parlamentarier aus der Mitte des Bundestages. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD (2013) sei festgehalten, dass die Lücke der geringeren Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten für Jahre vor 1992 geschlossen werden solle. Der Koalitionsvertrag erkenne damit eine "Gerechtigkeitslücke" an. Mit der Neuregelung in § 249 SGB VI aus dem Jahre 2014 sei dieses Versprechen allerdings nur unvollständig eingelöst worden.

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    Die Klägerin beantragt,

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    unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 28.03.2014 den Bescheid der Beklagten vom 25.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2012 sowie den Bescheid vom 30.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2012, beide in der Fassung des Änderungsbescheides vom 17.09.2014, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung von weiteren Pflichtbeitragszeiten für die Kindererziehung zu gewähren.

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    Die Beklagte beantragt,

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    die Berufung zurückzuweisen.

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    Die Beklagte weist auf ihr bisheriges Vorbringen und ihre Bindung an Recht und Gesetz hin.

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    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

    19

    Entscheidungsgründe:

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    Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 25.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2012 sowie vom 30.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2012, beide in der Fassung des Änderungsbescheides vom 17.09.2014, verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-.

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    1. Die Beklagte hat die Rentenhöhe, die zwischen den Beteiligten im Streit steht, zutreffend festgesetzt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung höherer Pflichtbeitragszeiten für Kindererziehungszeiten.

    22

    a) Die Beklagte hat das (einfache) Recht zutreffend angewandt. Nach §§ 55 Abs. 1 Satz 1 Satz 3 Fall 1, 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sind Kindererziehungszeiten Pflichtbeitragszeiten; als Kindererziehungszeiten sind danach Zeiten der Erziehung eines Kindes in den ersten drei Lebensjahren anzuerkennen. Für vor dem 01.01.1992 geborene Kinder enthält § 249 Abs. 1 SGB VI - in der Fassung des Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) vom 23.06.2014 - eine Sonderregelung, die Kindererziehungszeit endet in diesen Fällen bereits 24 Monate nach Ablauf des Monats der Geburt. Zuvor wurden gemäß § 249 Abs. 1 SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) vom 21.07.2004 lediglich 12 Monate berücksichtigt. Alle vier Kinder der Klägerin sind vor dem 01.01.1992 geboren; die Klägerin hat die Kinder überwiegend erzogen. Durch den Änderungsbescheid vom 17.09.2014 hat die Beklagte die Anhebung der Beitragszeiten wegen Kindererziehung zutreffend berücksichtigt. Dieser Änderungsbescheid vom 17.09.2014 wurde Gegenstand des Berufungsverfahrens (§§ 153 Abs.1, 96 Abs. 1 SGG), weil er nach Erlass der Widerspruchsbescheide vom 28. und 29.08.2012 die Bescheide vom 25. und 30.05.2012 abänderte. Dass die Festsetzung der Rentenhöhe durch die Beklagte aus anderen einfachrechtlichen Gründen rechtswidrig sein könnte, ist weder von der Klägerin beantragt worden noch ist dies ersichtlich.

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    b) Ein Anspruch der Klägerin auf Festsetzung eines höheren Rentenwertes ergibt sich auch nicht aus materiellem Verfassungsrecht.

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    aa) Art. 6 Abs. 1 GG gibt einen solchen Anspruch nicht her. Als Freiheitsrecht verpflichtet Art. 6 Abs. 1 GG den Staat zunächst, Eingriffe in die Familie zu unterlassen (Bundesverfassungsgericht -BVerfG-, Beschluss vom 17.01.1957 - 1 BvL 4/54 -, juris RdNr. 50). Darüber hinaus enthält Art. 6 Abs. 1 GG eine wertentscheidende Grundsatznorm, die für den Staat die Pflicht begründet, Ehe und Familie zu schützen und zu fördern (BVerfG, a.a.O., juris RdNrn. 53 ff; Beschluss vom 29.05.1990,- 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86-, juris RdNr. 87). Allerdings ist der Staat nicht gehalten, jegliche die Familie treffende Belastung auszugleichen oder jeden Unterhaltspflichtigen zu entlasten. Die staatliche Familienforderung durch finanzielle Leistungen steht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unter dem Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen, was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann; nur unter Beachtung dieser Grundsätze lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art. 6 Abs. 1 GG nicht mehr genügt (BVerfG, Urteil vom 07.07.1992 -.1 BvL 51/86, 1 BvL 50/87, 1 BvR 873/90, 1 BvR 761/91 -, juris RdNr. 123).

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    Demgemäß lässt sich aus der Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip (nur) die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme oder konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen lassen sich nicht ableiten, insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (BVerfG, Beschluss vom 06.05.1975 - 1 BvR 332/72 -, juris RdNr. 46; Beschluss vom 29.05.1990,- 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1/ BvL 4/86-, juris RdNr. 88).

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    bb) Es liegt auch keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung i.S.d. Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG vor.

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    Es liegt keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vor zwischen Personen, die wegen der Kindererziehung keine oder eine weitgehend unterbrochene Erwerbsbiografie haben, und solchen, die lückenlos erwerbstätig waren. "Es ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG keine Pflicht des Gesetzgebers, hinsichtlich der Begründung von Rentenanwartschaften die Kindererziehung der Beitragszahlung gleichzustellen" (BVerfG, Urteil vom 07.07.1992 -.1 BvL 51/86, 1 BvL 50/87, 1 BvR 873/90, 1 BvR 761/91 -, juris RdNr. 135).

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    Der Beitrag zur Aufrechterhaltung der Rentenversicherung, der in Form von Kindererziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den monetären Beiträgen der Erwerbstätigen nicht sogleich wieder in Form von Rentenzahlungen an die ältere Generation ausgeschüttet werden. Die unterschiedliche Funktion der beiden Leistungen für das Rentensystem rechtfertigt auch ihre Ungleichbehandlung bei der Begründung von Rentenanwartschaften (BVerfG, a.a.O., juris RdNr. 135). Vielmehr ist es mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, auch i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG, sogar vereinbar, wenn der Gesetzgeber die Erziehungsleistung von Eltern auf der Leistungsseite nicht berücksichtigt, obwohl diese langfristigen Einfluss auf die Höhe der Ausgaben des sozialen Sicherungssystems hat (BVerfG, Urteil vom 03.04.2001 - 1 BvR 1629/94 - juris RdNr. 54 zur sozialen Pflegeversicherung; etwas anderes gelte allerdings für die Bemessung der Beiträge).

    29

    Entsprechendes gilt auch bei dem Vergleich zwischen Personen, die neben der Erziehung erwerbstätig sein konnten, und jenen, die wegen der Erziehung mehrerer Kinder nicht erwerbstätig waren. Die bei beiden Personengruppen anzuerkennenden Zeiten der Kindererziehung werden rentenversicherungsrechtlich nicht ungleich behandelt; zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von Kindererziehung und Erwerbstätigkeit bei der Begründung von Anwartschaften wird auf die obenstehenden Ausführungen verwiesen.

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    Es fehlt weiter an einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung bei der Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten für Kinder, die vor dem 01.01.1992 geboren sind, und solchen, die nach diesem Stichtag geboren sind. Dem Gesetzgeber ist es durch Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt (st. Rechtsprechung seit BVerfG, Urteil vom 17.12.1953 - 1 BvR 147/52 -, juris RdNr. 250).

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    Der Gesetzgeber ist seiner Verpflichtung nach Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG, den Mangel des Rentenversicherungssystems auszugleichen, der in dem durch die Kindererziehung bedingten Nachteil bei der Altersversorgung liegt, in einem ersten Schritt mit der zeitlichen Ausdehnung ab dem Stichtag 01.01.1992 und in einem weiteren mit der Erhöhung der Beitragszeiten durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz nachgekommen. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers würde nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts unzulässig beschränkt, wenn es ihm verwehrt wäre, eine derart komplexe Reform wie die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten bei der Altersversorgung in mehreren Stufen zu verwirklichen (BVerfG, Beschluss vom 29.03.1996 - 1 BvR 1238/95 -, juris RdNr. 8). Mit der Anhebung der Beitragszeit von einem auf zwei Jahre durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz vom 23.06.2014 hat der Gesetzgeber die Ungleichbehandlung nicht vertieft, sondern vermindert (so auch Koop, Die "Mütterrente" im verfassungsrechtlichen Kontext, NZS 2015, S. 650 ff., 652). Dem vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochenen Auftrag, "sicherzustellen, dass sich mit jedem Reformschritt die Benachteiligung der Familie tatsächlich verringert" (BVerfG, Urteil vom 07.07.1992 -.1 BvL 51/86, 1 BvL 50/87, 1 BvR 873/90, 1 BvR 761/91 -, juris RdNr. 138), ist der Gesetzgeber nachgekommen. Der Zeitablauf seit der vorgenannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus Juli 1992 ändert daran nichts, weil das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber dort keine zeitliche Grenze für die Umsetzung des Verfassungsauftrages gesetzt hat (BVerfG, Beschluss vom 21.10.2004 - 1 BvR 1596/01 - juris RdNr. 8).

    32

    c) Der Senat konnte sich damit von der Verfassungswidrigkeit der hier maßgeblichen Regelungen des SGB VI nicht überzeugen, so dass eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (Art. 100 Abs. 1 GG) nicht geboten war. Es ist Sache des Gesetzgebers, gegebenenfalls hinsichtlich des Aufwandes für Kindererziehung und -betreuung einen weitergehenden Ausgleich herbeizuführen (siehe auch Bundessozialgericht, Urteil vom 30.09.2015 - B 12 KR 15/12 R - zitiert aus der Medieninformation Nr. 24/15 vom 30.09.2015, siehe auch Terminbericht Nr. 42/15 vom 01.10.2015, beide abrufbar unter www.bsg.bund.de).

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    2. Auch der (Änderungs-) Bescheid vom 30.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 17.09.2014, mit welchem den Zuschuss zur privaten Krankenversicherung der Klägerin nach § 106 SGB VI bewilligt wurde, ist rechtmäßig. Nach § 106 Abs. 1 Satz 1 SGB VI erhalten Rentenbezieher, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder bei einem Krankenversicherungsunternehmen, dass der deutschen Aufsicht unterliegt, versichert sind, zu ihrer Rente einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung. Die Höhe richtet sich nach § 106 Abs. 3 Satz 1 SGB VI; die Berechnung der Beklagten ist fehlerfrei. Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben.

    34

    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

    35

    4. Gründe, im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Die Rechtsfrage, ob die Gesetzgebung von Verfassungs wegen verpflichtet war und ist, Zeiten der Kindererziehung und -betreuung im Leistungsrecht der gesetzlichen Rentenversicherung im höheren Maße als bisher renten(wert)erhöhend zu berücksichtigen, ist durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wie zuvor dargelegt, bereits beantwortet. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt auf die Gestaltungsfreiheit der Gesetzgebung verwiesen. Angesichts dieser verfassungsgerichtlichen Entscheidungen fehlt es an einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage.

    RechtsgebietRentenversicherung