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  • 31.01.2024 · IWW-Abrufnummer 239401

    Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 09.06.2022 – 4 UF 158/20

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Hamm


    Die Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller

    Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 7.000,00 Euro festgesetzt.
     
    1
    Gründe:

    2
    A.

    3
    Der Antragsteller wendet sich mit der vorliegenden Beschwerde dagegen, dass das Familiengericht nach Aufhebung der Ehe mit der Antragsgegnerin den Versorgungsausgleich durchgeführt hat.

    4
    Aus der am 20.02.2010 zwischen den Beteiligten geschlossenen Ehe sind die Kinder A B, geb. am  00.00.20XX, und C, geb. am 00.00.20XX, hervorgegangen. Die endgültige Trennung der Beteiligten erfolgte am 01.07.2015 innerhalb der Ehewohnung, aus der der Antragsteller am 13.12.2015 dann auszog. Die Kinder verblieben bei der Antragsgegnerin.

    5
    Für den Antragsteller war es die dritte Ehe, nachdem er zuvor Frau D ‒ E , geb. F, am 25.08.1993 auf Jamaika geheiratet hatte und die in 1998 geschlossene Ehe mit Frau G, aus der die am 00.00.19XX geborene Tochter H hervorgegangen ist, im Jahre 2002 geschieden worden war.

    6
    Die auf Jamaika geschlossene Ehe ist vom Antragsteller bewusst nicht im Personenstandsregister angemeldet und erst im Jahre 2020 geschieden worden.

    7
    Der im Juni 2016 vom Antragsteller im vorliegenden Verfahren eingereichte Scheidungsantrag ist, nachdem die Doppelehe bekannt geworden war, nicht mehr beschieden worden. Vielmehr hat das Familiengericht auf Antrag der Antragsgegnerin am 22.02.2019 einen seit dem 26.03.2019 rechtskräftigen Eheaufhebungsbeschluss erlassen.

    8
    In Folge hat das Familiengericht das Verfahren über den Versorgungsausgleich abgetrennt.

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    Der Antragsteller hat die Ansicht vertreten, die Durchführung des Versorgungsausgleichs sei gem. § 1318 Abs. 3 BGB grob unbillig.

    10
    Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten.

    11
    Das Familiengericht hat nach Beweisaufnahme mit am 11.08.2020 erlassenen Beschluss den Versorgungsausgleich durchgeführt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Durchführung des Ausgleichs sei nicht grob unbillig. Insbesondere habe die Beweisaufnahme eine positive Kenntnis der Antragsgegnerin von der Doppelehe nicht bestätigt. Der Versorgungsausgleich sei wie geschehen durchzuführen.

    12
    Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Gründe des angegriffenen Beschlusses Bezug genommen.

    13
    Gegen den am 19.08.2020 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner am 18.09.2020 eingegangenen Beschwerde, die er mit am 14.12.2020 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

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    Er ist unter Verweis auf seine Ausführungen in den Verfahren 4 UF 167/20 und 4 UF 175/20 der Ansicht, das Familiengericht habe die positive Kenntnis der Antragsgegnerin von seiner Doppelehe sowie die diversen Verwirkungsgründe nicht hinreichend beim Versorgungsausgleich berücksichtigt.

    15
    Zudem sei die Durchführung des Versorgungsausgleichs unbillig. Hierzu führt er aus, bis zur Aufhebung der Ehe habe diese neun Jahre bestanden. Im Hinblick auf die Trennung im Jahre 2015 entfielen aber rd. vier Jahre davon auf die Trennungszeit. Wegen dieser langen Trennungszeit sei die Durchführung des Versorgungsausgleichs unbillig, wenn ein wesentlicher Teil der Anrechte in dieser Zeit erworben worden sei.

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    Ein weiterer Unbilligkeitsgrund ergebe sich daraus, dass die Antragsgegnerin den Erwerb eigener Anrechte vereitelt bzw. diesen unterlassen habe. Hierzu behauptet er, die Antragsgegner habe neben der Kinderbetreuung in Vollzeit einer Erwerbstätigkeit als „(...)“ entsprechend dem Arbeitsvertrag vom 01.02.2010 nachgehen können.

    17
    Er beantragt,

    18
    den Beschluss des Amtsgerichts ‒ Familiengericht ‒ Essen Borbeck vom 11.08.2020 dahingehend abzuändern, dass der Antrag zurückgewiesen wird.

    19
    Die Antragsgegnerin beantragt,

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    die Beschwerde zurückzuweisen.

    21
    Sie ist er Ansicht, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht unbillig sei. Hierzu behauptet sie, erst nach der Hochzeit überhaupt davon erfahren zu haben, dass es für den Antragsteller bereits die dritte Ehe ist. Dass die erste Ehe mit L F, jetzt D ‒ E nicht geschieden worden ist, habe sie erst nach der Trennung erfahren.

    22
    Weiter ist sie der Ansicht, es liege auf ihrer Seite ein ehebedingter Nachteil in Bezug auf die berücksichtigten Kindererziehungszeiten vor.

    23
    Der Senat hat die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 09.06.2022 angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf den gefertigten Anhörungsvermerk Bezug genommen.

    24
    Die Akten 12 F 33/17, 12 F 30/18 und 12 F 53/19 jeweils AG Essen-Borbeck sowie 12 F 78/17 AG Essen-Borbeck zugleich 4 UF 167/20 OLG Hamm lagen zur Information vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

    25
    B.

    26
    Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg. Das Familiengericht hat zutreffend den von Amts wegen vorzunehmenden Versorgungsausgleich durchgeführt, da dieser nicht wegen grober Unbilligkeit ausgeschlossen ist.

    27
    I.

    28
    Nach § 1318 Abs. 1 BGB bestimmen sich die Folgen der Aufhebung einer Ehe ‒ wie sie hier vorliegt ‒ grundsätzlich nach den Vorschriften über die Scheidung. Dementsprechend regelt § 1318 Abs. 3 BGB die analoge Anwendung des Versorgungsausgleichsgesetzes (VersAusglG) über die insoweit für anwendbar erklärte Norm des § 1587 BGB.

    29
    1.

    30
    Da § 1318 Abs. 3 BGB uneingeschränkt auf das VersAusglG verweist, bereitet der Versorgungsausgleich nach Aufhebung einer Doppelehe nur geringe Schwierigkeiten, weil der Versorgungsausgleich allein zwischen den Parteien der jeweiligen Ehesache stattfindet, auch soweit Versorgungsanrechte des doppelt Verheirateten auszugleichen sind, die auf in beiden Ehen gleichzeitig verbrachte Zeiten entfallen (BGH NJW 1983, 176, 177 f.; OLG Zweibrücken FamRZ 1983, 1145, 1146; OLG Stuttgart FamRZ 1986, 1006). Das gilt unabhängig davon, ob es sich um einen Versorgungsausgleich nach der früheren oder nach der bigamischen Ehe handelt und ob letztere aufgehoben oder geschieden wird. Unerheblich ist auch, ob der Versorgungsausgleich nach der jeweils anderen Ehe bereits rechtskräftig durchgeführt ist (OLG Zweibrücken FamRZ 1983, 1145, 1146).

    31
    Soweit der doppelt Verheiratete dementsprechend Anrechte zu mehr als der Hälfte abgeben müsste, besteht die Möglichkeit dem über Härteklauseln, insbesondere § 27 VersAusglG, unter Berücksichtigung der Belange des jeweils anderen Ehegatten Rechnung zu tragen (OLG Karlsruhe NJW RR 2004, 1514).

    32
    Der letztgenannte Fall liegt hier nicht vor, da im Rahmen der Scheidung der ersten Ehe der Versorgungsausgleich ehevertraglich ausgeschlossen worden ist.

    33
    2.

    34
    Die vom Familiengericht vorgenommene Halbteilung der in der Ehezeit erworbenen Anrechte der Beteiligten ist entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht im Hinblick auf die Umstände der Eheschließung oder bei Verstoß gegen § 1306 BGB im Hinblick auf die Belange des Ehegatten der Erstehe grob unbillig.

    35
    a)

    36
    Eine grobe Unbilligkeit ergibt sich vorliegend nicht im Hinblick auf die Umstände der Eheschließung. Hierbei hat der Gesetzgeber die Fälle des § 1314 Abs. 2 BGB im Blick, da es hier um Aufhebungsgründe im Zusammenhang mit der Eheschließung geht. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen bereits nach dem Vortrag des Antragstellers nicht vor und sind auch aus der Akte nicht ersichtlich. Insbesondere liegen die Voraussetzungen des § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB nicht vor, da die Beteiligten bei der Eheschließung die Verpflichtung nach § 1353 Abs. 1 BGB, also die Begründung der ehelichen Lebensgemeinschaft, gerade wollten (vgl. dazu insgesamt MüKoBGB/Wellenhofer, 9. Aufl. 2022, § 1318 Rn. 14).

    37
    b)

    38
    Ebenfalls führen auch die Belange des Ehegatten der Erstehe vorliegend nicht zur Annahme einer groben Unbilligkeit.

    39
    Insoweit kann im Ergebnis dahinstehen, ob die Antragsgegnerin Kenntnis von der Doppelehe hatte. Insoweit nimmt der Senat auf seine Ausführungen in den Verfahren 4 UF 167/20 und 4 UF 175/20 zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Denn entgegen der Auffassung des Antragstellers kommt es im Rahmen des § 1318 Abs. 3 BGB hierauf nicht an. Maßgebend sind allein die Belange des Ehegatten der Erstehe. Da entsprechende Belange der Frau D - E aber offensichtlich nicht bestehen können, da sie mit dem Antragsteller den Ausschluss des Versorgungsausgleichs ehevertraglich vereinbart hat, wie der Antragsteller erstmalig im Senatstermin mitgeteilt hat, scheidet auch unter diesem Gesichtspunkt eine grobe Unbilligkeit aus.

    40
    c)

    41
    Der Versorgungsausgleich ist auch nicht nach § 27 VersorgAusglG auszuschließen. Nach dieser Vorschrift findet ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen.

    42
    Da es sich um eine Ausnahmeregelung handelt, ist derjenige Beteiligte darlegungs- und beweispflichtig, der sich auf die Regelung beruft, hier also der Antragsteller. Seinem Vortrag sind allerdings keine Gesichtspunkte zu entnehmen, aufgrund dessen unter Berücksichtigung der von er Rechtsprechung zu § 27 VersAusglG entwickelten Fallgruppen ein Ausschluss oder eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs in Betracht käme.

    43
    aa)

    44
    Soweit sich der Antragsteller auf eine lange Trennungszeit beruft, schränkt er selbst ein, dass in dieser Zeit gerade die wesentlichen Anwartschaften bei beiden Beteiligten begründet worden sein müssen. Gerade dies ist vorliegend nicht der Fall, wie die von den Versorgungsträgern erteilten Auskünfte belegen.

    45
    bb)

    46
    Eine grobe Unbilligkeit ergibt sich entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass die Antragsgegnerin den Erwerb eigener Anrechte vereitelt bzw. diesen unterlassen habe. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob die Auffassung des Antragstellers, die Antragsgegnerin habe neben der Kinderbetreuung in Vollzeit einer Erwerbstätigkeit als „(...)“ entsprechend dem Arbeitsvertrag vom 01.02.2010 nachgehen müssen, zutreffend ist. Dies ist vom Senat in den beiden Parallelverfahren bereits verneint worden, auf die diesbezüglichen Ausführungen wird insoweit Bezug genommen.

    47
    Denn die Antragsgegnerin hat unstreitig während der Ehe im Rahmen des vereinbarten Rollenmodells nur teilschichtig gearbeitet. Da dies der gelebten Ehe entsprach, verhält sich der Antragsteller nunmehr widersprüchlich, wenn er der Antragsgegnerin vorwirft, neben der Kinderbetreuung keiner vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachgegangen zu sein. Eine grobe Unbilligkeit lässt sich damit nicht begründen.

    48
    cc)

    49
    Auch ansonsten werden vom Antragsteller keine Gesichtspunkte vorgetragen oder sind aus der Akte ersichtlich, die eine grobe Unbilligkeit im Sinne des § 27 VersAusglG begründen könnten. Insbesondere sind die vom Antragsteller in den Unterhaltsverfahren erfolglos geltend gemachten Verwirkungsgründe im Rahmen des § 27 VersAusglG nicht geeignet, eine grobe Unbilligkeit zu begründen.

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    In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, dass der Antragsteller nach seinem eigenen Vortrag, insbesondere in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, davon ausgegangen ist, mit der Antragsgegnerin eine wirksame Ehe geschlossen zu haben. Wenn diese Ehe auf seinen Antrag geschieden und nicht aufgehoben worden wäre, hätte der Versorgungsausgleich so, wie er vom Familiengericht vorgenommen worden ist, durchgeführt werden müssen. Warum nun für den Fall der Aufhebung der Ehe etwas anderes gelten soll, ist nicht ersichtlich.

    51
    II.

    52
    Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Der Festsetzung des Verfahrenswertes liegt § 50 FamGKG zugrunde.

    53
    Die Entscheidung ist nicht anfechtbar, da die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht gegeben sind.

    54
    * In dieser Sache ist ein Berichtigungsbeschluss am 05.08.2022 ergangen.

    RechtsgebieteBGB, VersAusglGVorschriftenBGB §§ 1306, 1314, 1318 Abs. 1, Abs. 3, VersAusglG 27