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  • 01.10.2014 · IWW-Abrufnummer 142812

    Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 17.03.2014 – 6 UF 196/13

    1. Auch titulierte Ansprüche auf Kindesunterhalt unterliegen der Verwirkung, wenn sie längere Zeit nicht geltend gemacht werden (Zeitmoment) und der Unterhaltsschuldner davon ausgehen durfte, dass eine Inanspruchnahme nicht mehr erfolgen wird (Umstandsmoment).
    2. Für das Umstandsmoment kann es im Einzelfall ausreichen, wenn der Unterhaltsberechtigte einen über einen bestimmten Zeitraum aufgelaufenen Unterhaltsrückstand nicht geltend macht, hingegen Rückstände aus anderen Zeiträumen durchgehend thematisiert.
    3. Besteht hinsichtlich der Unterhaltsansprüche Beistandschaft des Jugendamtes, muss sich das unterhaltsberechtigte Kind dessen Verhalten in der Unterhaltsauseinandersetzung zurechnen lassen.


    Oberlandesgericht Hamm
    6 UF 196/13
    Tenor:
    Auf die Beschwerde des Antragsstellers wird der am 13. November 2013 verkündete Beschluss des Amtsgerichts Essen (AZ: 108a F 124/13) abgeändert.
    Die Zwangsvollstreckung aus den Urkunden des Jugendamts der Stadt S vom 26.04.1999 (UR-Nr. 198/1999) und vom 13.06.2001 (UR-Nr. 345/2001) wird wegen der in dem Zeitraum von März 2005 bis Juli 2011 angefallenen Unterhaltsbeträge in Höhe von 1.276,12 € für unzulässig erklärt.
    Darüber hinaus wird der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Herne vom 08.02.2013 (Geschäfts-Nr. 24 M 121/13) aufgehoben, soweit er die ab Februar 2013 anfallenden Unterhaltsbeträge erfasst. Der Antrag auf seinen Erlass wird zurückgewiesen.
    Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
    Gründe:
    I.
    Der Antragsteller ist der Vater des am ## .##.#### geborenen Antragsgegners. Die Kindeseltern waren nie miteinander verheiratet und leben voneinander getrennt. Der Antragsgegner lebt bei der Kindesmutter.
    Mit Urkunde des Jugendamtes der Stadt S vom 26.04.1999 (UR-Nr.: 198/1999) verpflichtete sich der Antragsteller zur Zahlung von Kindesunterhalt für den Antragsgegner in Höhe von 110,6 % des Regelunterhaltes der jeweiligen Altersstufe abzüglich des hälftigen gesetzlichen Kindergeldes. In Abänderung dieser Urkunde verpflichtete er sich mit Urkunde des Jugendamtes der Stadt S vom 13.06.2001 (UR-Nr.: 345/2001) sodann beginnend mit dem 01.06.2001 zur Zahlung eines Kindesunterhaltes für den Antragsgegner in Höhe von nur noch 107,0 % des Regelunterhaltes der jeweiligen Altersstufe abzüglich des hälftigen gesetzlichen Kindergeldes.
    In dem Zeitraum Mai 2005 bis 25.07.2011 bestand hinsichtlich der Unterhaltsansprüche des Antragsgegners gegen den Antragsteller Beistandschaft des Jugendamtes der Stadt Essen. Erstmalig mit Schreiben vom 19.05.2005 forderte das Jugendamt den Antragsteller zur Auskunftserteilung über sein Einkommen auf. Mit Schreiben vom 20.06.2005 forderte das Jugendamt weitere Belege zu seinen Einkommensverhältnissen an. Unter dem 18.07.2005 teilte das Jugendamt dem Antragsteller sodann mit, dass er zwar nach der Jugendamtsurkunde vom 13.06.2001 derzeit zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltes in Höhe von 257,00 € verpflichtet sei, zunächst jedoch Einverständnis damit bestehe, wenn er „pünktlich und regelmäßig 100,00 €“ überweise. Wegen der Einzelheiten dieses Schreibens wird auf die zu den Akten gereichte Abschrift, Blatt 56 der Akten, verwiesen. Im Anschluss erbat das Jugendamt mit Schreiben vom 05.01.2006 eine Kopie der Gehaltsabrechnung des Antragstellers für Dezember 2005. Mit Schreiben vom 18.08.2006 forderte es den Antragsteller auf, rückwirkend ab August 2006 nunmehr wieder den vollen Unterhaltsbetrag von 257,00 € zu zahlen, anderenfalls die Zwangsvollstreckung eingeleitet werde. Nachdem das Jugendamt die von Seiten des Antragstellers begehrte Herabsetzung der monatlichen Zahlungsverpflichtung mit Schreiben vom 15.09.2006 abgelehnt hatte, leitete der Antragsteller mit Schriftsatz vom 31.10.2006 beim Amtsgericht Essen (AZ: 108a 196/06) ein Verfahren auf Abänderung seiner Unterhaltsverpflichtung aus der Jugendamtsurkunde vom 13.06.2001 mit dem Begehren ein, dass er beginnend mit dem 01.01.2006 nicht mehr zu Unterhaltszahlungen verpflichtet sei. Das Verfahren endete durch den am 13.11.2007 erfolgten Abschluss eines Vergleichs vor dem zuständigen Senat des Oberlandesgerichts Hamm, mit dem der Antragsteller sich beginnend mit Dezember 2007 zur Zahlung eines monatlichen Kindesunterhaltes in Höhe von 160,00 € sowie zur Zahlung eines Unterhaltsrückstandes für den Zeitraum von Januar 2006 bis einschließlich November 2007 von insgesamt 1.221,00 € verpflichtete (Az. 2 UF 129/07). Mit Schreiben vom 30.01.2008 forderte das Jugendamt den Antragsteller auf, den nach dem Vergleich ab Dezember 2007 monatlich geschuldeten Unterhalt in Höhe von 160,00 € zu zahlen. Beigefügt war diesem Schreiben eine Berechnung des aufgelaufenen Unterhalts einschließlich eines Rückstandes aus dem Jahr 2005. Mit Schreiben vom 12.12.2008 wies das Jugendamt den Antragsteller noch einmal ausdrücklich auf den bestehenden Unterhaltsrückstand aus der Zeit bis 31.12.2005 hin und bat ihn um Mitteilung, in welchen Raten (auch) dieser Rückstand zurückgezahlt werden könne. Unter dem 19.02.2009 mahnte das Jugendamt erneut die Zahlung dieses Unterhaltrückstandes an und teilte mit, dass im Fall der Nichtzahlung Pfändungsmaßnahmen ergriffen würden. Mit Schreiben vom 27.07.2011 teilte das Jugendamt dem Antragsgegner mit, dass auf seinen Antrag vom 19.07.2011 die Beistandschaft beendet sei und zu seinen Gunsten noch ein Anspruch auf Zahlung von Unterhalt in Höhe von insgesamt 1.292,97 € gegenüber dem Antragsteller bestehe. Ein entsprechendes Schreiben nebst Forderungsaufstellung erhielt auch der Antragsteller.
    Mit Schreiben vom 22.08.2011 wies sodann erstmals die Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners den Antragsteller darauf hin, dass noch ein Unterhaltsrückstand aus dem Jahr 2005 bestehe und die Zahlung dieses Rückstandes beansprucht werde.
    Der Antragsteller leitete ein erneutes Verfahren bei dem Amtsgericht Essen (AZ: 108a F 242/11) ein, mit der er die Abänderung seiner aus dem Vergleich vom 13.11.2007 bestehenden Unterhaltsverpflichtung begehrte. Mit Anerkenntnisbeschluss vom 05.03.2012 verpflichtete sich der Antragsteller im Rahmen dieses Verfahrens rückwirkend ab Juli 2011 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 266,00 € an den Antragsgegner zu zahlen.
    Auf seinen Antrag vom 18.01.2013 erwirkte der Antragsgegner am 08.02.2013 den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Herne (Geschäfts-Nr. 24 M 121/13) wegen Unterhaltsrückständen von insgesamt 1.276,12 € aus dem Zeitraum März 2005 bis einschließlich Juli 2011 sowie wegen laufenden Unterhaltes in Höhe von monatlich 266,00 € ab Februar 2013. Aus diesem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wird die Zwangsvollstreckung gegen den Antragsteller betrieben.
    Erstinstanzlich hat der Antragsteller zuletzt beantragt, die Zwangsvollstreckung aus den beiden Jugendamtsurkunden vom 26.04.1999 und 13.06.2001 sowie aus dem Anerkenntnisbeschluss vom 05.03.2012 für den Zeitraum Mai 2005 bis Juli 2011 wegen eines angeblichen Unterhaltsrückstandes in Höhe von 1.276,12 € und für den Zeitraum Februar 2013 bis September 2013 wegen des fortlaufenden Unterhaltes von monatlich 266,00 € für unzulässig zu erklären. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Antragsgegner habe nicht dargelegt, dass ein Unterhaltsrückstand in dieser Höhe noch bestehe. Jedenfalls seien die Unterhaltsansprüche verwirkt.
    Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen und ausgeführt, für den Zeitraum März 2005 bis Dezember 2005 bestehe noch ein Unterhaltsrückstand in Höhe von 1.276,12 €. Eine Verwirkung der Unterhaltsansprüche scheide aufgrund des bis heute andauernden Schriftwechsels über diese Ansprüche aus.
    Das Amtsgericht -Familiengericht- hat mit Beschluss vom 13.11.2013 den Antrag des Antragstellers zurückgewiesen. Es hat einen Unterhaltsrückstand in Höhe von 1.276,12 Euro für den Zeitraum März 2005 bis Dezember 2005 festgestellt und eine Verwirkung der Unterhaltsansprüche abgelehnt. Der laufende Unterhalt könne im Wege der Vorratspfändung neben dem rückständigen Unterhalt mitgepfändet werden.
    Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit der er unter Aufrechterhaltung seines erstinstanzlichen Vorbringens beantragt,
    die Zwangsvollstreckung aus den Urkunden des Jugendamtes der Stadt S vom 26.04.1999 (UR-Nr. 198/1999) und vom 13.06.2001 (UR-Nr. 345/2001) hinsichtlich eines angeblichen Rückstandes in Höhe von 1.276,12 € für den Zeitraum März 2005 bis Juli 2011 sowie wegen des fortlaufenden Unterhaltes von monatlich 266,00 € aus dem Anerkenntnisbeschluss des Amtsgerichts Essen vom 05.03.2012 (AZ: 108a F 242/11) für den Zeitraum ab Februar 2013 für unzulässig zu erklären.
    Der Antragsgegner beantragt unter Aufrechterhaltung seines erstinstanzlichen Vorbringens,
    die Beschwerde zurückzuweisen.
    Zu dem Vortrag der Beteiligten im Übrigen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
    II.
    Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
    1.
    Der Antragsteller hat gegenüber dem Antragsgegner einen Anspruch auf Unzulässigkeitserklärung der Zwangsvollstreckung aus den beiden Urkunden des Jugendamtes der Stadt S vom 26.04.1999 (UR-Nr. 198/1999) und 13.06.2001 (UR-Nr.345/2001) aus §§ 120 Abs. 1 FamFG, 767 ZPO. Die Vorschrift des § 767 ZPO ist auch auf Jugendamtsurkunden anwendbar (Zöller- Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 794 Rdnr. 25).
    a.
    Der Antrag ist zulässig. Dem Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers steht nicht entgegen, dass nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten wegen Unterhaltsrückständen aus dem Zeitraum März 2005 bis Dezember 2005 vollstreckt wird und hierfür allein die Jugendamtsurkunde vom 13.06.2001 (UR-Nr. 345/2001) als tauglicher Vollstreckungstitel in Betracht kommt. Denn neben der Urkunde vom 13.06.2001 ist auch die Jugendamtsurkunde vom 26.04.1999 (UR-Nr. 198/1999) ohne zeitliche Einschränkungen in dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Herne vom 08.02.2013 (Geschäfts-Nr. 24 M 121/13) als Grundlage der Vollstreckung aufgeführt, so dass ein Interesse des Antragstellers anzuerkennen ist, den dadurch geschaffenen Rechtsschein zu beseitigen.
    b.
    Der Antrag des Antragstellers ist auch begründet.
    (1)
    Die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus der Urkunde des Jugendamtes der Stadt S vom 26.04.1999 (UR- Nr. 198/1999) ergibt sich schon daraus, dass der Antragsteller die in dieser Urkunde titulierten Ansprüche unstreitig erfüllt hat
    (2)
    Darüber hinaus ist die Zwangsvollstreckung aus die Urkunde des Jugendamtes der Stadt S vom 13.06.2001 (UR-Nr. 345/2001) hinsichtlich der sich für den Zeitraum vom 01.06.2001 bis 28.02.2005 und für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis 30.11.2007 ergebenden Unterhaltsansprüche schon deshalb unzulässig, weil auch diese Ansprüche unstreitig erfüllt sind.
    (3)
    Die Zwangsvollstreckung aus der Jugendamtsurkunde vom 13.06.2001 hinsichtlich der sich für den Zeitraum 01.12.2007 bis 31.07.2011 ergebenden Unterhaltsansprüche ist unzulässig, weil diese Jugendamtsurkunde durch den Vergleich vor dem Oberlandesgericht Hamm am 13.11.2007 mit Wirkung ab Dezember 2007 abgeändert worden ist und damit nicht Vollstreckungstitel für Ansprüche aus diesem Zeitraum ist.
    (4)
    Der Zwangsvollstreckung aus der Urkunde des Jugendamtes der Stadt S vom 13.06.2001 (UR- Nr. 345/2001) hinsichtlich der sich für den Zeitraum März bis Dezember 2005 ergebenden Unterhaltsansprüche schließlich steht der Einwand der Verwirkung entgegen, auch diese Zwangsvollstreckung ist mithin unzulässig
    Weder der Umstand, dass der Unterhalt im Streitfall tituliert war noch der Umstand, dass es sich um Kindesunterhalt handelt, hindert die Verwirkung. Vielmehr unterliegt auch titulierter rückständiger Kindesunterhalt der Verwirkung, wenn sich seine Geltendmachung unter dem Gesichtspunkt illoyal verspäteter Rechtsausübung als unzulässig darstellt. Dieser zunächst für nicht titulierte Ansprüche aufgestellte Grundsatz erfährt auch für titulierte Ansprüche - deren Durchsetzung mit Hilfe des Titels eher näher liegen dürfte als bei nicht titulierten Forderungen - keine Einschränkung. Dies gilt auch für den Kindesunterhalt. Denn der Umstand, dass die Verjährung der Unterhaltsansprüche eines minderjährigen Kindes gegenüber seinen Eltern bis zur Volljährigkeit des Kindes gehemmt ist (§ 204 S. 2 BGB), steht der Annahme einer Verwirkung der Ansprüche während der Dauer der Minderjährigkeit dann nicht entgegen, wenn aus besonderen Gründen das Recht auch nach den allgemeinen Grundsätzen verwirkt ist (BGH FamRZ 1999, 1422; OLG Naumburg FamRZ 2010, 1090; OLG Dresden FamRZ 2009,1930).
    Ein Recht ist nach allgemeinen Grundsätzen verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre (Zeitmoment), und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und nach der Lebenserfahrung eingerichtet hat, dass dieses Recht auch zukünftig nicht eingefordert werde (Umstandsmoment), (vgl. nur BGH NJW 2006,219; Palandt-Grüneberg, 73. Aufl., § 242 Rdnr. 87). Verwirkung eines Unterhaltsanspruchs kann dabei schon nach einjähriger Untätigkeit vorliegen (BGH NJW 2010, 3714; OLG Brandenburg FamRZ 2012, 993; OLG Hamm NJW-RR 2007, 726).
    Bei Anwendung dieser Maßstäbe sind die Unterhaltsansprüche des Antragsgegners aus dem Jahr 2005 verwirkt. Die Voraussetzungen der Verwirkung sind sowohl hinsichtlich des Zeitmoments als auch hinsichtlich des Umstandsmomentes erfüllt.
    Das Jugendamt der Stadt F hat in der Zeit vom 18.07.2005 bis 30.01.2008 und mithin über einen Zeitraum von rund 2 ½ Jahren Unterhaltsrückstände aus dem Jahr 2005 nicht gegenüber dem Antragsteller geltend gemacht, damit ist das Zeitmoment erfüllt.
    Auch das Umstandsmoment ist zu bejahen. Wenn auch das Jugendamt zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich auf die Geltendmachung der Unterhaltsansprüche aus 2005 verzichtet hat, so durfte der Antragsteller aufgrund des von Juli 2005 bis Januar 2008 geführten Schriftverkehrs und des in 2006/2007 geführten Abänderungsverfahrens davon ausgehen, dass eine Inanspruchnahme wegen dieser Rückstände nicht mehr erfolgen wird. Denn das Jugendamt hat dem Antragssteller nach Einreichung seiner Einkommensbelege mit dem Schreiben vom 18.07.2005 mitgeteilt, dass es zunächst damit einverstanden sei, wenn er einen monatlichen Unterhalt von 100,00 € leiste und hat in der Folgezeit bis Januar 2011 weder im außergerichtlichen Schriftverkehr noch in dem 2006/2007 geführten Abänderungsverfahren einen angeblichen Unterhaltsrückstand aus dem Jahr 2005 thematisiert. Das Schreiben des Jugendamtes vom 05.01.2006 beschränkte sich auf die Anforderung von Lohn- bzw. Gehaltsabrechnungen. Die in dem Schreiben des Jugendamtes vom 18.08.2006 enthaltene Zahlungsaufforderung bezog sich ausdrücklich auf Unterhaltsrückstände (erst) ab August 2006, obwohl es nahe gelegen hätte, in diesem Schreiben auch einen Rückstand aus dem Jahr 2005 zu beanspruchen. Auch das weitere Schreiben des Jugendamtes vom 15.09.2006 beschäftigte sich inhaltlich mit dem Herabsetzungsbegehren des Antragstellers für Zahlungsverpflichtungen (erst) ab 2006. Schließlich ist auch in dem in 2006/2007 geführten Abänderungsverfahren lediglich ein Unterhaltsrückstand für den Zeitraum (erst) ab Januar 2006 bis November 2007 streitgegenständlich gewesen, obwohl die Einbeziehung von Rückständen aus 2005 möglich gewesen wäre. Der Antragsteller durfte daher bei Erhalt der ersten Anmahnung dieses Rückstandes mit Schreiben des Jugendamtes vom 30.01.2008 davon ausgehen, dass für 2005 die Differenz zwischen dem geschuldeten Unterhalt von 257,- Euro und seinem tatsächlich erbrachten monatlichen Unterhalt von 100,- Euro nicht mehr geltend gemacht wird. Soweit der Antragsgegner einwendet, der Rückstand aus 2005 sei mangels Leistungsfähigkeit des Antragstellers über diesen langen Zeitraum nicht geltend gemacht worden, so hätte dies mindestens gegenüber dem Antragssteller kommuniziert werden müssen.
    Im Übrigen hat das Jugendamt der Stadt F auch nach seiner ersten Anmahnung mit Schreiben vom 30.01.2008 und der Androhung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen mit Schreiben vom 19.2.2009 wiederum über einen Zeitraum von rund zwei Jahren - nämlich in der Zeit vom 20.02.2009 bis 27.07.2011 – hinsichtlich des Unterhaltsrückstandes aus 2005 nichts veranlasst. Erst wieder mit Schreiben vom 27.07.2011 hat es an den betreffenden Unterhaltsrückstand erinnert. Spätestens durch diese erneute Untätigkeit des Jugendamtes sind die Unterhaltsansprüche verwirkt; der Antragsgegner muss sich das Verhalten des Jugendamtes in den Jahren, in denen die Beistandschaft bestand, zurechnen lassen, weil das Jugendamt gesetzlicher Vertreter des Antragsgegners, §§ 1716 Satz 2, 1915 Abs. 1, 1793 Abs. 1 Satz 1 BGB war.
    Daneben hätte auch die Kindesmutter als weitere gesetzliche Vertreterin des Kindes neben dem Jugendamt den rückständigen Unterhalt einfordern können und müssen. Selbst nach Beendigung der Beistandschaft des Jugendamtes ist sie aber über einen Zeitraum von 1 Jahr und 4 Monaten untätig geblieben. Nachdem der Antragsteller nach Beendigung der Beistandschaft des Jugendamtes mit Schreiben der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners vom 22.08.2011 darauf hingewiesen wurde, dass noch ein Unterhaltsrückstand aus dem Jahr 2005 bestehe und die Zahlung dieses Rückstandes beansprucht werde, ist erst am 18.01.2013 der Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses beantragt worden. In dem zwischenzeitlich geführten weiteren Abänderungsverfahren sind - ebenso wie im ersten Abänderungsverfahren - die Rückstände aus dem Jahr 2005 erneut nicht einbezogen worden.
    Nach allem greift der Einwand der Verwirkung gegenüber den Unterhaltsansprüchen aus März 2005 bis Dezember 2005, die Zwangsvollstreckung ist unzulässig.
    2.
    Der Antragsteller hat darüber hinaus gegen dem Antragsgegner einen Anspruch auf Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Herne vom 08.02.2013 (Geschäfts-Nr. 24 M 121/13) gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 766 ZPO, soweit dieser die ab Februar 2013 anfallenden Unterhaltsbeträge erfasst.
    a.
    Die Erinnerung ist zulässig. Der Antragsteller wendet sich bezüglich des laufenden Unterhaltes gegen die Zulässigkeit der Vorratspfändung gemäß § 850 d ZPO. Er greift damit die Art und Weise der Vollstreckung an, so dass die Erinnerung gemäß § 766 ZPO der statthafte Rechtsbehelf ist. Dass der Antragsteller diesen Rechtsbehelf nicht ausdrücklich geltend macht, schadet nicht. Sein Antrag war aufgrund seines eindeutigen Vortrags entsprechend auszulegen. In der Beschwerdeinstanz ist der Senat auch zur Entscheidung über die Erinnerung berufen, §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 513 Abs. 2 ZPO.
    b.
    Die Erinnerung ist auch begründet. Dabei kann offen bleiben, ob bereits im Zeitpunkt des Erlasses des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses am 08.02.2013 die Pfändungsvoraussetzungen wegen des laufenden Unterhaltes fehlten, weil die rückständige Forderung aus dem Jahr 2005 stammte und der Antragsteller zumindest ab 2007 den jeweils fälligen Unterhalt immer pünktlich gezahlt hat (vgl. z.B. OLG Frankfurt OLGR 2000,269). In jedem Fall ist die Aufrechterhaltung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses mit Unzulässigkeitserklärung der Vollstreckung aus den Urkunden des Jugendamtes der Stadt S vom 26.04.1999 und 13.06.2001 im Hinblick auf den laufenden Unterhalt unzulässig. Denn die Vorratspfändung gemäß § 850 d Abs. 3 ZPO ist nur zulässig, wenn mindestens gleichzeitig eine rückständige Unterhaltsforderung mit vollstreckt wird (OLG Frankfurt a.a.O.; Zöller-Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 850 d Rdnr. 24).
    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 242 BGB; § 1601 BGB