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  • · Fachbeitrag · UVG

    Titel der Unterhaltsvorschusskasse kann auf das Kind umgeschrieben werden

    von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf

    | Ein vom Land erstrittener Unterhaltstitel (§ 7 Abs. 4 UVG) kann analog § 727 ZPO auf das unterhaltsberechtigte Kind umgeschrieben werden, wenn die Vorschussleistung eingestellt wurde. Dies hat der BGH klargestellt. |

     

    Sachverhalt

    Der Antragsgegner ist der unterhaltspflichtige Vater (V) der Antragstellerin (T). Er wendet sich dagegen, dass eine zweite vollstreckbare Teilausfertigung eines vom Land gegen ihn erstrittenen Urteils erteilt wurde. Danach war er verpflichtet, für die T Unterhalt in Höhe des Regelbedarfs zu zahlen. Das Land erbrachte an die T Unterhaltsleistungen nach dem UVG und stellte seine Leistung ein. Nachdem das AG ihren Antrag, den Unterhalt neu zu titulieren, wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses abgewiesen hat, hat T beantragt, das vorliegende Urteil auf sie umzuschreiben und ihr eine vollstreckbare zweite Teilausfertigung zu erteilen. Das AG hat dem Antrag entsprochen. Die dagegen gerichtete Beschwerde und Rechtsbeschwerde blieben erfolglos.

     

     

    Entscheidungsgründe

    Der BGH hält § 727 ZPO für analog anwendbar (BGH 23.9.15, XII ZB 62/14, FamRZ 15, 2150, Abruf-Nr. 180819). Es liegt eine planwidrigen Regelungslücke vor, weil nicht zu erkennen ist, dass die Vorschrift nur bei Rechtsnachfolge gelten soll. Eine analoge Anwendung wird auch für die Fälle bejaht, in denen eine gesetzliche Prozess- oder Verfahrensstandschaft endet.

     

    Im Übrigen sind die Interessenlagen vergleichbar. Der Zweck des § 727 ZPO besteht in Folgendem: Es soll ermöglicht werden, einen bestehenden Vollstreckungstitel an nachträgliche Veränderungen der materiellen Berechtigung bzw. Verpflichtung anzupassen, um vollstrecken zu können. Ändert sich die materielle Berechtigung durch Rechtsnachfolge, könnte die im Titel bezeichnete Person vollstrecken, ohne selbst materiell Berechtigter zu sein. Dagegen wäre dem Rechtsnachfolger eine Zwangsvollstreckung nicht möglich, weil er formal in dem Vollstreckungstitel nicht als Gläubiger ausgewiesen ist. Daher schafft das Gesetz mit § 727 ZPO eine einfache, schnelle und kostengünstige Möglichkeit, den existierenden Titel der materiellen Rechtslage anzupassen, wenn

    • die Rechtsfolge bei dem Gericht offenkundig ist oder
    • durch öffentliche oder öffentliche Beurkundung nachgewiesen wird.

     

    Eine vergleichbare verfahrensrechtliche Situation besteht auch, wenn das Land nach § 7 Abs. 4 S. 1 UVG einen Titel über den Kindesunterhalt erwirkt hat und Unterhaltsansprüche nicht mehr nach § 7 Abs. 1 UVG übergehen können, weil es die Vorschussleistungen eingestellt hat:

     

    Zwar ist das unterhaltsberechtigte Kind nicht Rechtsnachfolger des Landes, wenn das Land einen Titel erwirkt hat, der auch künftige Unterhaltsansprüche erfasst, und die Vorschussleistungen eingestellt werden. Denn der Unterhaltsanspruch des Kindes geht nur auf das Land über, wenn und soweit es tatsächlich Unterhaltsvorschussleistungen erbracht hat. Liegen die Voraussetzungen für den gesetzlichen Forderungsübergang nicht vor, bleibt das unterhaltsberechtigte Kind materiell-rechtlich Gläubiger des Unterhaltsanspruchs. In diesem Fall kann das Kind daher seine künftigen Unterhaltsansprüche selbst geltend machen. Erwirkt das Kind einen Unterhaltstitel, kann das Land diesen gem. § 727 ZPO auf sich umschreiben lassen, wenn und soweit es Vorschussleistungen für die Zeiträume erbracht hat, die von dem Unterhaltstitel erfasst werden und die zum Forderungsübergang nach § 7 Abs. 1 UVG geführt haben.

     

    Stellt das Land seine Unterhaltsvorschussleistungen endgültig ein und steht damit fest, dass die titulierten künftigen Unterhaltsansprüche nicht auf das Land übergehen werden, kann das Kind diese Ansprüche, die ihm weiterhin zustehen, auch wieder uneingeschränkt selbst gerichtlich geltend machen.

     

    Diese verfahrensrechtliche Situation ist aber den Fällen einer Rechtsnachfolge soweit vergleichbar, dass eine Umschreibung des Unterhaltstitels, der entgegen der materiellen Rechtslage und lediglich aufgrund einer Prognose des künftigen Anspruchsübergangs das Land als Gläubiger ausweist, eine entsprechende Anwendung des § 727 ZPO rechtfertigt.

     

    Dafür sprechen auch verfahrensökonomische Gründe, weil das Kind mit der Titelumschreibung schnell, einfach und kostengünstig seine Unterhaltsansprüche durchsetzen kann, nachdem die Vorschussleistungen entfallen sind.

     

    Schützenswerte Belange des Unterhaltspflichtigen werden dadurch nicht beeinträchtigt. Zum einen kann der Verpflichtete mit dem Vollstreckungsgegenantrag einwenden, dass die Unterhaltsvorschusskasse nicht mehr materiell Berechtigter ist. Zum anderen kann er Abänderungsgründe auch nach der Titelumschreibung geltend machen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung ist zu begrüßen, da sie praxisorientiert ist und eine verfahrensökonomische Handhabung gewährleistet.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2016 | Seite 112 | ID 44054484