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  • 24.03.2011 | Wohnvorteil

    So behalten Sie bei der Ermittlung des Wohnvorteils den Überblick

    von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf

    Die Ermittlung des Wohnvorteils bereitet in der Praxis Probleme. Die folgende Übersicht zeigt Ihnen, welche Positionen dabei zu beachten sind (im Anschluss an Soyka, FK 11, 50).  

     

    Übersicht: Ermittlung des Wohnvorteils
    • Berücksichtigung von Hauslasten: Die Nutzung einer Immobilie als Vermögensgegenstand begründet nur einen Wohnvorteil, wenn die Eheleute billiger gewohnt haben als ein Mieter. Daher sind die Kreditbelastungen abzuziehen, mit denen der Wohnwert finanziert wurde (BGH FamRZ 95, 869). Staatliche Förderungsmittel, z.B. die Eigenheimzulage, sind mit den Belastungen zu verrechnen. Es handelt sich unterhaltsrechtlich um Einkommen (OLG München FamRZ 99, 251).

     

    • Zur Ermittlung des Wohnvorteils sowohl beim Bedarf, der Bedürftigkeit oder der Leistungsfähigkeit ist zu prüfen, ob neben den Zinsen auch Tilgungsleistungen abzuziehen sind. Diese dürfen nur noch berücksichtigt werden, wenn es sich nicht um einseitige Vermögensbildung handelt (BGH FK 08, 91, Abruf-Nr. 080907). Möglich ist aber die Berücksichtigung als angemessene Altersversorgung im zulässigen Rahmen (BGH FK 06, 1, Abruf-Nr. 052903). Einseitige Vermögensbildung kommt dem anderen Ehegatten allerdings noch bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags beim Zugewinnausgleich zugute, sodass bis dahin auch die Tilgungsleistungen berücksichtigt werden können.

     

    • Verbrauchsunabhängige Kosten: Diese sind nicht abzuziehen. Dasselbe gilt für verbrauchsabhängige Nebenkosten, soweit diese Kosten auf die Mieter umgewälzt werden können (BGH FK 09, 147, Abruf-Nr. 092236). Dazu gehören Grundsteuern, Kosten der Gebäude-, Haftpflicht- und Glasversicherung sowie Schornsteinfegergebühren mit Ausnahme der Hausverwaltungskosten.

     

    • Notwendige Instandhaltungskosten: Diese sind abzuziehen. Dabei dürfen auch Rücklagen für unaufschiebbar bevorstehende notwendige Instandsetzungsaufwendungen geltend gemacht werden, soweit diese in naher Zukunft zu erwarten sind. Nicht berücksichtigungsfähig sind aber Rücklagen, die ohne konkreten Anlass gebildet werden, weil erwartungsgemäß immer mit Instandsetzungsmaßnahmen zu rechnen ist (BGH FamRZ 00, 351). Anders dürfte es sich bei dem Hausgeld bei Eigentumswohnungen verhalten, da der Ehegatte als Eigentümer auf diese Umlage keinen Einfluss hat, sondern sich der Eigentümergemeinschaft beugen muss.

     

    • Behandlung von Hausschulden, die den Wohnwert übersteigen: Übersteigen die berücksichtigungswürdigen Hausverbindlichkeiten den Wohnwert, entfällt die Zurechnung eines Wohnvorteils. Der Wohnwert wird allerdings insoweit berücksichtigt, als die monatlichen Belastungen nicht in vollem Umfang in die Unterhaltsberechnung eingestellt werden dürfen. Vielmehr sind sie zunächst mit dem Wohnwert zu verrechnen. Lediglich die Differenz bleibt als berücksichtigungswürdige Verbindlichkeit übrig. Diese ist wie ein Konsumkredit vom Einkommen des die Hausschulden befriedigenden Ehegatten abzuziehen.

     

    Wurde die Immobilie nach Trennung oder Scheidung veräußert und sind dabei die Schulden getilgt worden, werden diese insoweit ab diesem Zeitpunkt bei der Unterhaltsberechnung nicht mehr berücksichtigt. Verbleibt eine Restschuld, weil der Veräußerungserlös nicht ausgereicht hat, die Hausschulden in vollem Umfang zu tilgen, sind die zu deren Bedienung notwendigen Aufwendungen weiterhin als eheprägend wie ein Konsumkredit zu behandeln.

     

    Soweit den Eheleuten nach Tilgung der Hausschulden ein Veräußerungserlös verbleibt, mit dem Zinsen zu erzielen sind, prägen die Zinsen nach dem Surrogationsgedanken die ehelichen Lebensverhältnisse. Der Umstand, dass bisher nur Hausschulden verblieben sind, spielt dabei keine Rolle (BGH FamRZ 02, 88).

     

    • Verbrauch des Veräußerungserlöses aus dem Verkauf der Immobilie nach Trennung oder Scheidung: Haben die Eheleute die Immobilie nach Trennung oder Scheidung veräußert, sind beide gehalten, das Kapital so ertragreich wie möglich anzulegen und zu nutzen. Die daraus erzielten bzw. erzielbaren Zinsen sind dem jeweiligen Ehepartner zuzurechnen und im Wege des Surrogats in die Bedarfsberechnung einzustellen. Ist das Kapital bei einem der getrennt lebenden oder geschiedenen Eheleute aufgebraucht, stellt sich die Frage, wie dieser Kapitalverbrauch unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen ist. Soweit der Verbrauch akzeptiert wird, verändert sich die Unterhaltsberechnung, sodass insoweit eine Schieflage eintritt. Daher dürfte es angebracht sein, hohe Anforderungen an die Rechtfertigung des Kapitalverbrauchs zu stellen.

     

    Praxishinweis: Den Eheleuten ist anzuraten, in den Fällen, in denen auf gleichen Seiten der gleiche Zinssatz in die Unterhaltsberechnung einzustellen ist, die Zinseinkünfte auf beiden Seiten wegzulassen, da sich dadurch im Ergebnis nichts ändert. Vorteil: Sie können mit ihrem Vermögen verfahren, wie sie wollen, ohne dem anderen darüber Rechenschaft schuldig zu sein.

     

    • Veräußerung des Miteigentumsanteils an den anderen Ehegatten: Sehen die Eheleute davon ab, die während des Zusammenlebens als Ehewohnung genutzte Immobilie an einen Dritten zu veräußern, und überträgt ein Ehegatte seinen Miteigentumsanteil an den anderen Ehegatten, gilt: Die ehelichen Lebensverhältnisse werden zum einen durch die Zinseinkünfte bestimmt, die der veräußernde Ehegatte aus dem Veräußerungserlös erzielen muss, zum anderen aus dem Wohnvorteil, den der erwerbende Ehegatte durch die Nutzung der Immobilie erzielt.

     

    Der Wohnvorteil ist jedoch mit dem monatlichen Schuldendienst aufgrund der übernommenen Hauslasten zu verrechnen, die schon während der Ehezeit bestanden, und aufgrund der neu eingegangenen Verbindlichkeiten zur Finanzierung des Miteigentumserwerbs.

     

    Bei den übernommenen Hauslasten sollen sowohl Zins- als auch Tilgung zu berücksichtigen sein (BGH Familie und Recht [FuR] 05, 361), während für die neu eingegangene Verbindlichkeit nur die Zinsen zu berücksichtigen sind, weil die Tilgung einseitige Vermögensbildung darstellt. Soweit allerdings geltend gemacht wird, dass sie Altersversorgung ist und die bisherige Altersversorgung weniger als 24 % des Bruttoeinkommens darstellt, ist die Tilgung nach neuer BGH Rechtsprechung anzuerkennen, weil nun für die angemessene Altersversorgung 24 % des Bruttoeinkommens eingesetzt werden dürfen (BGH FK 06, 1, Abruf-Nr. 052903). Warum allerdings für die übernommenen Verbindlichkeiten, die schon während der Ehezeit bestanden, auch die Tilgung abzuziehen ist, ist nicht verständlich. Dass diese die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben, dürfte nach dem Erwerb des Miteigentumsanteils keine Rolle mehr spielen, da es hier ausschließlich um einseitige Vermögensbildung geht.

     

    Stellt sich heraus, dass die Anlage des Veräußerungserlöses aufseiten des Veräußerers eine eindeutig unwirtschaftliche Vermögensanlage ist, ist im Rahmen einer Vermögensumschichtung mit den erzielbaren Vermögenserträgen zu rechnen. Eine eindeutig unwirtschaftliche Vermögensanlage muss auch aufseiten des Erwerbers geprüft werden. Hier wird zu überlegen sein, ob der Erwerb des Miteigentumsanteils nicht deswegen unwirtschaftlich war, weil ein Wohnvorteil im Hinblick auf die gegenzurechnenden monatlichen Belastungen nicht anzusetzen ist, während bei der Veräußerung der Immobilie an einen Dritten Zinserträge erzielt würden. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Erwerber in diesem Fall auch eine Miete zahlen müsste, um seinen Wohnbedarf zu decken. Er wird sich darauf berufen, dass im Hinblick auf den sonst zu deckenden Wohnbedarf auch dann eine Vermögensanlage für ihn nicht unwirtschaftlich ist, wenn Wohnvorteil und monatlicher Schuldendienst sich decken.

     

    Anmerkung: Leider hat der BGH die Ansicht der Vorinstanz nicht geteilt, die Beteiligten so zu behandeln, als sei die Immobilie an einen Dritten veräußert worden. Dann hätten beide den gleichen Erlösanteil erhalten, sodass sich letztlich die erzielten oder erzielbaren Zinseinkünfte auf gleicher Höhe bewegen und diese bei der Unterhaltsberechnung weggelassen werden könnten.

     

    Den Parteien ist daher zu raten, bei derartigen Rechtsgeschäften im notariellen Kaufvertrag zu vereinbaren, dass weder Zinsen noch Wohnvorteil unterhaltsrechtlich berücksichtigt werden sollten. Sonst läuft der veräußernde Ehegatte Gefahr, dass er, wenn er unterhaltsberechtigt ist, durch eine Unterhaltsreduzierung die Vermögensbildung des anderen mitfinanziert.
     

     

    Quelle: Ausgabe 04 / 2011 | Seite 61 | ID 143320