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  • 01.07.2007 | Versorgungsausgleich

    Berücksichtigung von Härtegründen im Abänderungsverfahren

    von VRiOLG Hartmut Wick, Celle
    1. Für das Abänderungsverfahren nach § 10a VAHRG bleiben Umstände, die eine Härte i.S. des § 1587c BGB begründen können, in Ansehung der auf den ausgleichsberechtigten Ehegatten bereits übertragenen Versorgungsanrechte grundsätzlich unberücksichtigt, wenn sie im Rahmen der Erstentscheidung nicht zur Herabsetzung oder einem Ausschluss des Versorgungsausgleichs geführt haben, obwohl sie auf schon damals abgeschlossenen Tatbeständen beruhten. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Umstände bereits bei der Erstentscheidung bekannt waren, ob sie zu diesem Zeitpunkt beweisbar waren oder aus welchen sonstigen Gründen der Erstrichter sie unberücksichtigt gelassen hat (im Anschluss an FamRZ 93, 175, 176).  
    2. Diese grundsätzliche Beschränkung des Abänderungsverfahrens gilt nicht, soweit der (weiterhin) ausgleichspflichtige Ehegatte aufgrund der veränderten Wertverhältnisse zusätzliche Rentenanrechte abgeben müsste. Mit der abzuändernden Entscheidung steht rechtskräftig nur fest, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs in der dem ausgleichsberechtigten Ehegatten bereits zuerkannten Höhe von § 1587c BGB nicht ausgeschlossen wird. Dagegen lässt sich der abzuändernden Entscheidung nicht eine rechtskräftige Feststellung dahin entnehmen, dass unter den Ehegatten ein Versorgungsausgleich in ungekürzter Höhe der sich jeweils ergebenden hälftigen Wertdifferenz ihrer ehezeitlichen Versorgungsanrechte durchzuführen ist.  
    (BGH 11.10.06, XII ZB 39/03, FamRZ 07, 360, Abruf-Nr. 070040)  

     

    Sachverhalt

    In der Erstentscheidung über den Versorgungsausgleich (VA) wurden zu Lasten der Beamtenversorgungsanwartschaften der Ehefrau für den Ehemann gesetzliche Rentenanwartschaften von monatlich 104,08 DM = 53,22 EUR, bezogen auf den 30.9.91 als Ende der Ehezeit, begründet. Die Ehefrau ist zum 1.1.02 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden und bezieht beamtenrechtliches Ruhegehalt. Sie hat die Abänderung des VA begehrt, weil es ihr unerträglich sei, einen Teil ihrer Pension an den Ehemann abgeben zu müssen, der die 1988 geborene Tochter der Parteien 1991 sexuell missbraucht und später weitere Verbrechen begangen habe. Vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs der Tochter ist er 1995 rechtskräftig freigesprochen worden. 1999 wurde er u.a. wegen Mordes und sexuellen Missbrauchs einer Nichte verurteilt. In diesem Strafverfahren räumte er die Straftat an seiner Tochter ein. Im vorliegenden Verfahren bestreitet er diese Tat jedoch.  

     

    Das AG hat den VA insgesamt ausgeschlossen, weil davon auszugehen sei, dass der Ehemann die Tochter missbraucht habe und daher die Durchführung des VA grob unbillig sei. Das OLG hielt die Berücksichtigung des behaupteten Missbrauchs der Tochter im Abänderungsverfahren nicht mehr für zulässig, weil die Straftat bereits vor der Erstentscheidung begangen worden sein soll, im Erstverfahren aber nicht zur Kürzung des VA geführt hatte. Das OLG änderte die Erstentscheidung dahin ab, dass zugunsten des Ehemannes Rentenanwartschaften von monatlich 69,87 EUR begründet wurden. Die Rechtsbeschwerde der Ehefrau führt zur Zurückverweisung an das OLG.  

     

    Entscheidungsgründe

    Die Voraussetzungen des § 10a Abs. 1 und 2 VAHRG für eine Abänderung der Erstentscheidung über den öffentlich-rechtlichen VA liegen vor: Der Ehezeitanteil der Beamtenversorgung der Ehefrau ist, nachdem sie vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden ist, nun auf der Grundlage ihres tatsächlichen Ruhegehalts und ihrer verkürzten ruhegehaltfähigen Dienstzeit zu berechnen (BGH FamRZ 82, 36; 99, 499). Dadurch ergibt sich ein höherer ehezeitlicher Wert ihrer Anwartschaft und damit ein höherer Gesamtausgleichsanspruch des Ehemannes als im Erstverfahren. Der aktuelle Ausgleichsanspruch übersteigt den Wert der in der Erstentscheidung ausgeglichenen Anwartschaften auch um mehr als 10 Prozent. Eine Abänderung zugunsten des Ehemannes wird nicht dadurch gehindert, dass nur die Ehefrau die Abänderung beantragt hat. Denn dem Abänderungsantrag kommt nur verfahrenseinleitende Bedeutung zu. Er ist kein Sachantrag, der das Gericht binden und einer der Ehefrau nachteiligen Abänderung entgegenstehen würde.