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  • 30.06.2011 | Prozessrecht

    Haftungsfalle PKH im Berufungsverfahren

    Wenn die gesetzlichen Anforderungen an eine Berufungsschrift oder eine Berufungsbegründung erfüllt sind, kommt die Deutung, dass der Schriftsatz nicht als zugleich eingelegte Berufung oder Berufungsbegründung bestimmt war, nur dann in Betracht, wenn sich dies aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt (im Anschluss an die Senatsbeschlüsse vom 18.7.07 FamRZ 07, 1726; 20.7.05 FamRZ 05, 1537).
    (BGH 8.12.10, XII ZB 140/10, FamRZ 11, 366, Abruf-Nr. 110414)

     

    Sachverhalt

    Das Urteil des AG wurde der Klägerin am 11.12.09 zugestellt. Am 11.1.10 ging beim Berufungsgericht ein Schriftsatz des Klägervertreters ein, der als „Berufung“ überschrieben ist. Dieser Schriftsatz enthielt ferner eine Berufungsbegründung und den Hinweis: „vorbehaltlich einer PKH-Bewilligung“. Die Berufung wurde als unzulässig verworfen, nachdem am letzten Tag der Berufungsfrist keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin eingegangen ist. Dabei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass eine durch die Bewilligung von PKH bedingte Berufung eingelegt worden ist. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.  

     

    Entscheidungsgründe

    Ein Schriftsatz, der alle formellen Anforderungen an ein Rechtsmittel erfüllt, ist regelmäßig als wirksam eingelegte Prozesserklärung zu behandeln. Der Schriftsatz der Klägerin erfüllt sämtliche Anforderungen an einen Berufungsschriftsatz. Er wurde daher zu Unrecht nur als bedingt eingelegte Berufung behandelt. Allein der Hinweis „vorbehaltlich PKH-Bewilligung für die zweite Instanz“ ist im Hinblick auf anders lautende eindeutige Hinweise nur von untergeordneter Bedeutung.  

     

    Praxishinweis

    Die Einlegung eines Rechtsmittels bedingt durch VKH-Bewilligung ist unzulässig. Eine Deutung, dass der Schriftsatz nur als unbedingte Berufung bestimmt war, kommt nur in Betracht, wenn sich entweder aus dem Schriftsatz selbst oder aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit Derartiges ergibt. Zulässig ist die Einreichung eines VKH-Antrags (früher PKH-Antrags) für ein beabsichtigtes Rechtsmittel. Folge: Wenn VKH bewilligt worden ist, muss das Rechtsmittel innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist eingelegt werden. Die weitere Möglichkeit ist, das Rechtsmittel uneingeschränkt einzulegen und für das Verfahren VKH zu beantragen. Um Letzteres ging es hier. Das OLG hat die Berufung als unzulässig verworfen, nachdem keine PKH-Unterlagen eingereicht worden sind. Darauf kam es aber nicht an, weil das Berufungsgericht annahm, dass es sich um ein durch PKH-Bewilligung bedingtes Rechtsmittel handelte. Dies war von Anfang an unzulässig, ohne dass es auf die Einreichung von PKH-Unterlagen ankommt.