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  • 01.04.2006 | PKH

    Fallstricke im PKH-Verfahren

    von VRiOLG Dieter Büte, Bad Bodenteich/Celle

    PKH spielt in Familiensachen eine große Rolle. Um so wichtiger ist für den Anwalt die Kenntnis der einschlägigen Rechtsprechung, um den Mandanten risikofrei beraten zu können. Der folgende Beitrag zeigt anhand der obergerichtlichen Rechtsprechung die wichtigsten Probleme auf.  

     

    Checkliste: PKH in Familiensachen
    • Verbindung von PKH-Antrag und Klage: Um ein Kostenrisiko zu vermeiden und die Überprüfung der Erfolgsaussichten einer Klage zu ermöglichen, wird oft ein PKH-Antrag für eine beabsichtigte Klage gestellt. Zur Vermeidung der Anhängigkeit des Rechtsstreits muss sich aus dem Inhalt des Antrags eindeutig ergeben, dass es sich um einen Klageentwurf handelt und die Klage nur unter „der Bedingung“ der PKH-Gewährung erhoben werden soll (BGH FamRZ 01, 907).

     

    Praxishinweis: Der PKH-Antrag sollte daher mit einem Entwurf der Klage eingereicht werden.

     

    • Berufung unter der Bedingung von PKH: Grundsätzlich kann die Berufung nicht an eine Bedingung geknüpft werden. Daher ist die an die Bewilligung von PKH geknüpfte Berufung unzulässig (BGH FamRZ 05, 1537). Sind die gesetzlichen Voraussetzungen der Berufungsschrift erfüllt, ist eine Deutung, dass der Schriftsatz nicht als unbedingte Berufung bestimmt war, nur möglich, wenn sich dies aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt (BGH FK 05, 199, Abruf-Nr. 053067). Unzulässig ist die Berufung, wenn zeitgleich mit der Berufungsschrift ein Schriftsatz eingeht, Berufung werde nur für den Fall der PKH-Gewährung eingelegt (BGH FamRZ 05, 1537). Wird dagegen die Durchführung der Berufung von der PKH-Gewährung abhängig gemacht, kann dies die Auslegung rechtfertigen, es werde unbedingt Berufung eingelegt.

     

    • Umfang der Darlegung der Erfolgsaussichten für PKH in Berufungsverfahren: Das Gesetz enthält keine Vorgaben für den PKH-Antrag für das Berufungsverfahren. Der BGH vertritt die Ansicht, dass eine sachliche Begründung zwar zweckmäßig und erwünscht sei, ein Zwang dazu aber sei mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der prozessualen Chancengleichheit von bemittelter und mittelloser Partei nicht zu vereinbaren (NJW-RR 01, 1146). Dieser Ansicht ist m.E. nur zu folgen, wenn die Partei selbst den PKH-Antrag gestellt hat (so zutr. OLG Celle MDR 03, 470). Eine Partei, die anwaltlich vertreten ist, muss zumindest stichwortartig darlegen, warum und in welchem Umfang das Urteil angefochten werden soll (OLG Celle, a.a.O.; OLG Schleswig OLGR 04, 266).

     

    • Isolierte PKH-Beantragung für eine Berufung: Nach ständiger BGH-Rechtsprechung sind dem PKH-Antrag innerhalb der Berufungsbegründungsfrist neben der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auch entsprechende Belege beizufügen (BGH FK 05, 199, Abruf-Nr. 053067; FamRZ 06, 32). Denn einer Partei, die vor Ablauf der Rechtsmittelfrist PKH beantragt hat, ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur zu gewähren, wenn sie vernünftigerweise nicht mit der Verweigerung der PKH mangels hinreichend nachgewiesener Bedürftigkeit rechnen musste.

     

    Praxishinweis: Vorsorglich sollte der Anwalt mit dem Mandanten das PKH-Formular ausfüllen oder selbst prüfen, ob die Fragen ordnungsgemäß beantwortet und sämtliche Belege beigefügt sind. Zur Risikovermeidung bietet es sich an, nach Belehrung des Mandanten über die Kosten die Berufung unbedingt einzulegen, diese aber nur i.H. der Mindestbeschwer (600,01 EUR) zu begründen, verbunden mit dem PKH-Antrag dafür und einem PKH-Antrag für die beabsichtigte Berufungserweiterung.

     

    • Antragsfrist für PKH für das Berufungsverfahren: Legt ein Anwalt für eine unbemittelte Partei formularmäßig Berufung ein, ohne diese zu begründen, kann diese Partei, die keinen Prozessbevollmächtigten hat, der gewillt ist, weiter für sie tätig zu werden, selbst am letzten Tag der Rechtsmittelbegründungsfrist noch ein PKH-Gesuch einreichen. Die Berufung darf nicht deshalb verworfen werden, weil nicht innerhalb der Berufungsfrist eine Berufungsbegründung eingereicht worden ist. Diese Grundsätze gelten, selbst wenn das Gesuch erst nach einem Mandatswechsel durch den neuen Prozessbevollmächtigten gestellt wird und dieser seine weitere Tätigkeit von der Gewährung von PKH abhängig macht (BGH FamRZ 04, 699).

     

    • PKH-Antrag als Berufungsbegründung: Ein PKH-Antrag nach Einlegung des Rechtsmittels innerhalb der Berufungsbegründungsfrist ist, sofern er den Anforderungen einer Berufungsbegründung genügt, in der Regel dazu bestimmt, als Berufungsbegründung zu dienen (BGH NJW 95, 2113).

     

    • Prüfung der Erfolgsaussichten zur Verteidigung gegen die Berufung: Hat der Gegner das Rechtsmittel eingelegt, ist nach § 119 Abs. 1 S. 2 ZPO im höheren Rechtszug nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint. PKH ist aber grundsätzlich erst zu bewilligen, wenn nach Eingang der Berufungsbegründung feststeht, dass das Rechtsmittel durchgeführt (OLG Celle MDR 04, 598) und nicht nach § 522 Abs. 2 ZPO zu verwerfen ist (BGH FamRZ 03, 522).

     

    Praxishinweis: Trotz des eindeutigen Wortlauts kann aber PKH versagt werden – und der Mandant ist darauf hinzuweisen –, wenn sich die Sachlage eindeutig geändert hat (BGHZ 36, 280) oder das angefochtene Urteil offensichtlich falsch ist (OLG Brandenburg FamRZ 04, 1036). I.d. Sinne ist eine Unrichtigkeit der Entscheidung anzunehmen, wenn eine nach den Umständen des Sachverhalts offensichtlich eingreifende Rechtsnorm nicht geprüft und/oder eine Auseinandersetzung mit einschlägiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht erfolgt ist. Eine Prüfung findet weiter statt, wenn sich die tatsächlichen Voraussetzungen, auf denen das Urteil beruht, zu Ungunsten des Rechtsmittelgegners geändert haben, sodass eine PKH-Bewilligung für den Rechtsmittelzug nicht mehr gerechtfertigt ist (BGH FamRZ 89, 265) oder wenn die Entscheidung in vorwerfbarer Weise erschlichen wurde (OLG Karlsruhe FamRZ 99, 726). Ein derartiger Beschluss bedarf aber einer konkreten Begründung. Fehlt diese, verstößt die Entscheidung gegen das Willkürverbot (BVerfG FamRZ 05, 509).

     

    • Verhältnis PKH zu PKV: Bei der Prüfung der Bedürftigkeit ist die Frage des Prozesskostenvorschusses (PKV) zu beachten. Denn ein Anspruch auf einen PKV stellt einen einzusetzenden Vermögenswert i.S. des § 115 Abs. 2 ZPO dar (BGH Rpfleger 93, 302), sodass PKH zu versagen ist, wenn der Anspruch auf PKV besteht und zeitnah durchsetzbar ist. Fehlt eine hinreichende Erfolgsaussicht i.S. des § 114 ZPO, entfällt ein PKV-Anspruch (BGH FamRZ 01, 1363). In einem ordnungsgemäßen PKH-Antrag ist deshalb darzulegen, dass der Antragsteller außerstande ist, die Prozesskosten im Wege eines durchsetzbaren PKV-Anspruches zu realisieren. Die Darlegungslast, dass kein PKV-Anspruch besteht oder nicht durchgesetzt werden kann, liegt beim Antragsteller (OLG Brandenburg FamRZ 02, 1414).

     

    Praxishinweis: Statt der Darlegung, dass kein durchsetzbarer PKV-Anspruch besteht, kann auch in der Hauptsache PKH beantragt und im Wege der einstweiligen Anordnung die Zahlung eines PKV verlangt werden. Dann ist PKH zu bewilligen mit der Maßgabe, dass die vom Vorschusspflichtigen gezahlten Vorauszahlungen an die Staatskasse abzuführen sind. Nach neuerer Rechtsprechung des BGH sind auch volljährige Kinder PKV berechtigt, soweit diese wegen der Fortdauer ihrer Ausbildung noch keine eigene Lebensstellung erreicht haben (FamRZ 05, 883). Eltern sind gegenüber minderjährigen Kindern PKV pflichtig, auch wenn sie den PKV nicht in einer Summe zahlen können, aber nach § 115 Abs. 1, Abs. 2 ZPO, der regelmäßig auch ihren notwendigen Selbstbehalt wahrt, für eine eigene Prozessführung zu Ratenzahlungen in der Lage wären (BGH FamRZ 04, 1633).

     

    • PKH für in Prozessstandschaft erhobene Klage: Nach § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB kann Kindesunterhalt während der Trennungszeit nur im eigenen Namen des Elternteils geltend gemacht werden. Dabei ist bei der Frage der Bedürftigkeit i.S. des PKH-Rechts abzustellen auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des klagenden Elternteils (BGH FamRZ 05, 1164; 06, 32).

     

    • Unanfechtbarkeit der PKH-Versagung bei einstweiligen Anordnungen: Einstweilige Anordnungen nach den §§ 620, 620b, 644 ZPO sind gemäß § 620c S. 2 ZPO unanfechtbar. Sie können nur nach § 620b ZPO jederzeit aufgehoben und geändert werden. Unanfechtbar ist auch die Ablehnung einer einstweiligen Anordnung, selbst wenn der Antrag als unzulässig abgewiesen wurde (BGH FamRZ 05, 790). Da der Rechtsweg in einer Nebenentscheidung nicht weitergehen kann als in der Hauptsache, ist eine sofortige Beschwerde gegen eine die PKH mangels Erfolgsaussicht ablehnende Entscheidung nicht zulässig (BGH FamRZ 05, 790).

     

    • (Keine) PKH für das PKH-Prüfungsverfahren: Von besonderer Wichtigkeit für die anwaltliche Beratung im Hinblick auf die auf den Mandanten entfallenden Kosten ist die Rechtsprechung des BGH, dass PKH für das PKH-Bewilligungsverfahren weder für den Antragsteller noch für den Antragsgegner bewilligt werden kann (FamRZ 04, 1708). Möglich ist dies nur für einen Vergleich im Erörterungstermin nach § 118 Abs. 1 S. 3 ZPO. Die anwaltliche Beratung bis zur Antragstellung von PKH kann danach nur über das Beratungshilfegesetz abgerechnet werden. Auch für das PKH-Beschwerdeverfahren gibt es grundsätzlich keine PKH-Bewilligung. Etwas anderes gilt aber für die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zugelassene Rechtsbeschwerde im PKH-Verfahren, weil diese nur durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden kann (BGH MDR 03, 405).

     

    • Entziehung der PKH: Sofern der gemäß § 20 Nr. 4c RPflG zuständige Rechtspfleger gemäß § 124 Nrn. 1bis 4 ZPO nach pflichtgemäßem Ermessen eine zuvor erfolgte PKH-Bewilligung geändert oder aufgehoben hat, kommt für dieselbe Instanz bei Verschlechterung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eine Neubewilligung der PKH in Betracht. Eine Neubewilligung darf nur abgelehnt werden, wenn greifbare Anhaltspunkte dafür sprechen, dass eine Partei z.B. eine Anordnung von Ratenzahlungen erneut missachten wird (BGH FamRZ 05, 2063).

     

    • Kostenfalle Vergleich: Kostentragung trotz ratenloser PKH: Hat ein Beklagter PKH ohne Ratenzahlung erhalten, und einigt er sich im Vergleich auf eine Kostenaufhebung, hat er damit die Hälfte der Gerichtskosten übernommen. Sofern der Kläger einen darüber hinausgehenden Anteil gezahlt hat, kann dieser die Festsetzung der über die Kostenquote hinausgehenden Belastungen verlangen (OLG Nürnberg NJW 00, 370). Um diese nachteilige Folge zu vermeiden, sollte ein Anwalt statt der Kostenregelung im Vergleich eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO herbeiführen (OLG München FamRZ 02, 257). Denn anders als bei einer Kostenaufhebung im Urteil, bei dem ein Rückerstattungsanspruch gegen die Staatskasse analog § 2 Abs. 4 GKG a.F. besteht (BVerfG FamRZ 00, 474), gelten diese Grundsätze bei der Kostenaufhebung im Vergleich nicht (BVerfG NJW 00, 3271).

     

    • Kindergeld und PKH: Höchstrichterlich geklärt ist nun die Frage, ob und ggf. inwieweit Kindergeld bei einem PKH-Antrag eines Elternteils als dessen Einkommen zu berücksichtigen ist. Der BGH sieht Kindergeld, das die PKH begehrende Partei bezieht, als deren Einkommen i.S. des § 115 Abs. 1 S. 2 ZPO an, soweit es nicht zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts eines minderjährigen Kindes zu verwenden ist (FamRZ 05, 605). Der notwendige Lebensunterhalt eines minderjährigen Kindes mit Ausnahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung sowie Sonderbedarf nach den §§ 30bis 34 SGB XII drückt sich in den Regelsätzen aus, die durch Rechtsverordnung nach § 40 SGB XII zum 1. Juli eines jeden Jahres festgesetzt werden.
     

     

    Quelle: Ausgabe 04 / 2006 | Seite 64 | ID 87099