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  • 01.03.2006 | Kindesunterhalt

    Abgrenzung Mehr- und Sonderbedarf

    von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf
    1. Lässt sich absehen, dass eine für das Kind erforderliche Nachhilfe über einen längeren Zeitraum regelmäßig anfallen wird, handelt es sich nicht um Sonderbedarf, sondern um Mehrbedarf, der nur unter den Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB rückwirkend geltend gemacht werden kann. Über die konkrete Form der Nachhilfe kann der betreuende Elternteil bei gemeinsamer Sorge allein entscheiden, auch wenn sie nicht unerhebliche Kosten verursacht.  
    2. Am Mehrbedarf hat sich auch der betreuende Elternteil zu beteiligen und – wenn Kindesunterhalt ab Einkommensgruppe VI aufwärts der Düsseldorfer Tabelle zu zahlen ist – auch das Kind in Form der anteiligen Verrechnung mit dem regelmäßigen Kindesunterhalt. (OLG Düsseldorf 8.7.05, 3 UF 21/05, n.v., Abruf-Nr. 060421)  

     

    Sachverhalt

    Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Aus der Ehe sind zwei Söhne hervorgegangen. Nachdem sie sich über laufenden und rückständigen Kindes- und Trennungsunterhalt geeinigt haben, streiten sie u.a. um Kosten für die Nachhilfe für einen Sohn in Höhe von 132 EUR monatlich. Die Klägerin nimmt den Beklagten in voller Höhe in Anspruch. Dieser macht u.a. geltend, dass er selbst den Nachhilfeunterricht erteilen könne. Die Klage ist nur zu einem geringen Teil erfolgreich.  

     

    Entscheidungsgründe

    Da die Nachhilfe absehbar war, handelt es sich hier um regelmäßigen Mehrbedarf, der nur unter den Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB für die Vergangenheit gefordert werden kann. Der Elternteil, bei dem sich das Kind aufhält, kann auch bei gemeinsamer Sorge allein darüber entscheiden, in welcher Form der Nachhilfeunterricht erteilt wird. Jedoch ist auch das Kind zur Beteiligung mit dem Kindesunterhalt an dem Mehrbedarf verpflichtet, soweit Unterhalt ab der 6. Einkommensgruppe geschuldet wird. Außerdem muss sich der betreuende Elternteil an den Kosten beteiligen. Bezüglich der Beteiligung der Eltern finden die Grundsätze für die Berechnung der Haftungsanteile nicht privilegierter Volljähriger Anwendung.  

     

    Praxishinweis

    Macht ein Kind zusätzlichen Bedarf geltend, ist es von großer Bedeutung, zu klären, ob es sich um Sonder- oder um Mehrbedarf handelt (zur Abgrenzung ausführlich Brandani, FK 06, 24). Der Sonderbedarf ist ein selbstständiger Unterhaltsbestandteil und mit der Leistungsklage geltend zu machen (vgl. dazu Brandani, a.a.O., mit Musterformulierungen). Für ihn gilt § 1613 Abs. 2 BGB, so dass er auch ohne die Voraussetzungen des §§ 1613 Abs. 1 BGB für die Vergangenheit geltend gemacht werden kann. § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist jedoch zu beachten.