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  • 05.01.2011 | Elternunterhalt

    Elternunterhalt verwirkt nur in engen Grenzen

    von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf

    1. Gemäß § 1611 Abs. 1 S. 1 Alt. 3 BGB setzt die Verwirkung wegen einer schweren Verfehlung ein Verschulden des Unterhaltsberechtigten voraus. Es genügt nicht, wenn er in einem natürlichen Sinne vorsätzlich gehandelt hat.  
    2. Eine Störung familiärer Beziehungen im Sinne des § 1611 BGB genügt grundsätzlich nicht, um eine unbillige Härte im Sinne des § 94 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII zu begründen und damit einen Anspruchsübergang auf den Träger der Sozialhilfe auszuschließen.  
    3. Etwas anderes gilt nur, wenn der nach § 1611 BGB zu beurteilende Lebenssachverhalt aus Sicht des Sozialhilferechts auch soziale Belange erfasst, die einen Übergang des Anspruchs nach öffentlich-rechtlichen Kriterien ausschließen (Klarstellung zum Senatsurteil vom 21.4.04, XII ZR 251/01, FK 04, 189, Abruf-Nr. 041616 = FamRZ 04, 1097).  
    (BGH 15.9.10, XII ZR 148/09, FamRZ 10, 1888, Abruf-Nr. 103615)

     

    Sachverhalt

    Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Elternunterhalt für seine Mutter aus übergangenem Recht in Anspruch. Die Klägerin ist Trägerin der öffentlichen Hilfe, die der Mutter des Beklagten seit November 05 gewährt wird. Die Mutter befindet sich seit April 05 in einem Pflegeheim. Sie litt schon während der Kindheit des Beklagten an einer Psychose mit schizophrener Symptomatik und damit einhergehend an Antriebsschwäche und Wahnideen. Sie hat den 1961 geborenen Beklagten bis zur Trennung und Scheidung von ihrem damaligen Ehemann im Jahr 1973 mit Unterbrechungen wegen zum Teil längerer stationärer Krankenhausaufenthalte erzogen und versorgt. Seit spätestens 1977 besteht bis auf gelegentliche Zusammentreffen auf Familienfeiern kein Kontakt mehr zwischen dem Beklagten und seiner Mutter. Die Klägerin forderte den Beklagten mit Rechtswahrungsanzeige vom 9.11.05 zur Auskunftserteilung auf. Dieser erteilte Auskunft und berief sich auf Verwirkung gemäß § 1611 BGB. Nach Bezifferung des Anspruchs im Dezember 06 und Zahlungsaufforderung im März 07 hat die Klägerin im April 08 Klage erhoben. Das Familiengericht hat dieser im Wesentlichen stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung blieb ebenso erfolglos wie die zugelassene Revision.  

     

    Entscheidungsgründe

    Die Verwirkung nach § 242 BGB erfordert ein Zeit- und ein Umstandsmoment. Das Zeitmoment kann erfüllt sein, wenn die Unterhaltsrückstände Zeitabschnitte betreffen, die etwas mehr als ein Jahr vor Klageerhebung zurückliegen.  

     

    Die gleichen Anforderungen gelten auch, wenn eine Behörde aus übergangenem Recht tätig wird, weil dadurch der Charakter des Unterhaltsanspruchs nicht verloren geht.