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  • 05.02.2009 | Ehevertrag

    Regressrisiko: Vertraglicher Ausschluss des Versorgungsausgleichs

    von VRiOLG Hartmut Wick, Celle

    1. Ein im Ehevertrag kompensationslos vereinbarter Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn die Ehegatten bei Abschluss des Vertrags bewusst in Kauf nehmen, dass die Ehefrau wegen Kindesbetreuung alsbald aus dem Berufsleben ausscheiden und bis auf Weiteres keine eigenen Versorgungsanrechte (abgesehen von Kindererziehungszeiten) erwerben wird.  
    2. Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs kann in solchen Fällen zur Gesamtnichtigkeit des Ehevertrags führen, wenn die Ehefrau bei seinem Abschluss im neunten Monat schwanger ist und ihr der Vertragsentwurf erstmals in der notariellen Verhandlung bekannt gegeben wird.  
    (BGH 9.7.08, XII ZR 6/07, FamRZ 08, 2011, Abruf-Nr. 083016)

     

    Sachverhalt

    Die Parteien schlossen 14 Tage vor ihrer Eheschließung einen notariellen Ehevertrag. Darin vereinbarten sie Gütertrennung, den Ausschluss des Versorgungsausgleichs (VA) und einen grundsätzlich wechselseitigen Verzicht auf nachehelichen Unterhalt für den Fall, dass die Ehe vor Ablauf von fünf Jahren geschieden wurde. Nach der Geburt eines Kindes sollte ein Ehegatte seine Berufstätigkeit für die Dauer der Kindesbetreuung aufgeben. Für diesen Fall sollte ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt, jedoch begrenzt auf den am früheren Erwerbseinkommen des Betreuenden orientierten Bedarf, bestehen. Der Vertrag enthielt auch eine salvatorische Klausel. Bei Vertragsschluss war der Ehemann 44 Jahre alt und Jurist. Die Ehefrau war 24 Jahre alt und als Erzieherin tätig. Sie war im neunten Monat schwanger. Der Text des Ehevertrags war ihr vor dem Beurkundungstermin nicht bekannt gegeben worden. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor, die die Ehefrau betreute. Die Parteien wurden nach 22-jähriger Ehe geschieden. Zu diesem Zeitpunkt war das jüngste Kind 12 Jahre alt. Die Ehefrau ging einer Teilzeitbeschäftigung nach. Im Scheidungsverbundverfahren begehrte sie neben nachehelichem Unterhalt auch Zugewinn- und VA. Sie vertrat die Ansicht, dass der Ehevertrag insgesamt nichtig sei. Das OLG verurteilte den Ehemann zur Zahlung von Unterhalt und Auskunft über sein Endvermögen. Ferner führte es den öffentlich-rechtlichen VA durch und wies den Antrag des Ehemannes auf Feststellung, dass ein schuldrechtlicher VA nicht stattfinde, zurück. Die Revision des Ehemannes gegen die Entscheidungen zum Zugewinnausgleich und zum schuldrechtlichen VA blieb ohne Erfolg.  

     

    Entscheidungsgründe

    Der Ehevertrag hält der Inhaltskontrolle nach den vom BGH entwickelten Grundsätzen (vgl. dazu BGH FK 04, 73, Abruf-Nr. 040581; 06, 165, Abruf-Nr. 062578; 07, 171, Abruf-Nr. 072218) nicht stand. Allerdings sind die Einzelregelungen zum nachehelichen Unterhalt und zum Zugewinnausgleich bei isolierter Betrachtung nicht zu beanstanden. Der Zugewinnausgleich gehört nicht zum Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts und ist daher ehevertraglicher Gestaltung weitgehend offen. Auch die Regelung zum nachehelichen Unterhalt ist hinnehmbar, weil der vereinbarte Verzicht auf den Fall einer kurzen Ehedauer beschränkt und zudem ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt dem Grunde nach gewahrt war.  

     

    Der vereinbarte Ausschluss des VA hält jedoch einer Überprüfung am Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB nicht stand. Zwar ist auch der VA grundsätzlich ehevertraglich disponibel, wie sich aus § 1408 Abs. 2, § 1587o BGB ergibt. Er ist jedoch als vorweggenommener Altersunterhalt zu verstehen und nimmt daher in der Kernbereichslehre des BGH den gleichen hohen Rang ein wie der Anspruch auf Altersunterhalt. Ein Ausschluss des VA ist unwirksam, wenn er dazu führt, dass ein Ehegatte aufgrund des schon bei Vertragsschluss geplanten Zuschnitts der Ehe über keine hinreichende Alterssicherung verfügt und dieses Ergebnis mit dem Gebot ehelicher Solidarität schlechthin unvereinbar erscheint. Hier war bei Vertragsschluss absehbar, dass die Ehefrau nach der Geburt des bereits erwarteten Kindes ihre Berufstätigkeit aufgeben und - abgesehen von Kindererziehungszeiten - zunächst keine weiteren Versorgungsanwartschaften erwerben würde. Diese ehebedingten Nachteile wurden nicht kompensiert.