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  • 30.11.2010 | Ehegattenunterhalt

    So behalten Sie beim Betreuungsunterhalt den Überblick

    von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf

    In der Praxis ist es wichtig, den Unterhaltsanspruch auf die richtige Anspruchsgrundlage zu stützen.  

     

    Anspruchsgrundlage § 1570 BGB

    Einer der wichtigsten Unterhaltstatbestände ist der Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB. Dazu folgende Checkliste:  

    Übersicht: Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB
    • Gemeinschaftliches Kind
    • Sorgeberechtigung
    • Verhältnis zum Aufstockungsunterhalt
    • Erwerbsobliegenheit

     

    Checkliste: Betreuungsunterhalt und Erwerbsobliegenheit
    • Kinder im Alter bis 3 Jahre: Beim Alter des Kindes bis zu 3 Jahren besteht keine Erwerbsobliegenheit. Der Ehefrau ist es freigestellt, Betreuungsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen oder das Kind persönlich zu betreuen. Jede Erwerbstätigkeit ist überobligatorisch und führt dazu, dass ein Teil des Einkommens nach § 1577 Abs. 2 BGB anrechnungsfrei bleibt.

     

    • Kinder im Alter über drei Jahre: Beim Alter des Kindes über drei Jahre sind zunächst die kindgerechten Betreuungsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen. Der Wille, das Kind persönlich betreuen zu wollen, tritt dahinter zurück. Dies begründet eine Erwerbsobliegenheit.

     

    • Prüfungsschritt 1
    Ob und in welchem Umfang eine Erwerbsobliegenheit in Betracht kommt, richtet sich nach dem Alter des Kindes. Hat es ein Alter erreicht, dass es auch über mehrere Stunden unbeaufsichtigt bleiben kann, kommt eine vollschichtige Erwerbstätigkeit in Betracht. Ist dies noch nicht der Fall, hängt die weitere Beurteilung von den Betreuungsmöglichkeiten ab. Offen ist, ab welchem Alter Kinder über längere Zeit ohne Aufsicht bleiben können.

     

    Kann das Kind nicht längere Zeit ohne Aufsicht bleiben, ist als Nächstes zu prüfen, wie die Betreuungsmöglichkeiten zeitlich ausgestaltet sind. Nur in diesem Rahmen ist eine Erwerbstätigkeit möglich. Dabei sind allerdings auch die Fahrten von und zur Arbeitsstelle zu berücksichtigen. Lässt sich die Arbeitszeit bei einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit mit den Betreuungszeiten nicht vereinbaren, kommt eine Vollzeittätigkeit nicht in Betracht.

     

    Wird über diese Grenzen hinaus gearbeitet und die Betreuung im Übrigen durch eigene Verwandte sichergestellt, handelt es sich hierbei um freiwillige Leistungen Dritter, die den anderen unterhaltsverpflichteten Ehegatten nicht entlasten sollen. Daher ist die eigentlich mit den Betreuungszeiten nicht zu vereinbarende Tätigkeit überobligatorisch und darf nur teilweise angerechnet werden, § 1577 Abs. 2 BGB.

     

    • Prüfungsschritt 2
    Lässt sich eine vollschichtige Erwerbstätigkeit mit den Kinderbetreuungszeiten vereinbaren, ist zu prüfen, ob kindbezogene Gründe einer Fremdbetreuung entgegenstehen. Hierbei muss es sich allerdings um besondere Umstände handeln, die eine persönliche Betreuung zwingend erforderlich machen. Der BGH hat dies bisher bei schwerem Asthma und bei einer ADS-Erkrankung abgelehnt (BGH FK 09, 165, Abruf-Nr. 091901). In einem Fall hatte das Kind eine Gluten-Unverträglichkeit. Damit hat der BGH sich jedoch nicht befasst.

     

    Stehen kindbezogene Gründe einer Fremdbetreuung nicht entgegen, ist weiterhin zu prüfen, ob die außerhalb der Betreuungszeiten verbleibende persönliche Betreuung neben einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit zu einer überobligatorischen Belastung führt. Um dies darzulegen, sind Einzelfallumstände erforderlich, die der dafür darlegungs- und beweisbelastete betreuende Elternteil darzulegen und zu beweisen hat. Er muss im Einzelnen den Tagesablauf schildern, der außerhalb der Zeiten in der Betreuungseinrichtung zu bewältigen ist. Daraus muss sich ergeben, dass eine vollschichtige Erwerbstätigkeit im Hinblick auf die verbleibende Betreuungsleistung nicht zumutbar ist. Der BGH hat allerdings zum Ausdruck gebracht, dass die Betreuung in einer kindgerechten Einrichtung sowohl vom zeitlichen als auch vom sachlichen Umfang her eine persönliche Betreuung entbehrlich macht. Insbesondere hat er auf die Hausaufgabenbetreuung hingewiesen, die einen persönlichen Betreuungsbedarf insofern nicht mehr aufkommen lässt. Woher der BGH die Sicherheit nimmt, dass die Hausaufgabenbetreuung derart zuverlässig durchgeführt wird, lässt sich der Entscheidung allerdings nicht entnehmen.

     

    Wenn nach den gesamten Abwägungen eine Vollzeittätigkeit an sich erforderlich ist, sind damit die Voraussetzungen des § 1570 Abs. 1 BGB für einen Betreuungsunterhalt nicht mehr gegeben.

     

    • Prüfungsschritt 3
    Nun ist zu prüfen, ob eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts gemäß § 1570 Abs. 2 BGB in Betracht kommt. Hierbei handelt es sich um einen besonderen Verlängerungsgrund, der nach Auffassung des BGH zu prüfen ist, wenn nach § 1570 Abs. 1 BGB eine Vollzeittätigkeit in Betracht kommt. Hierbei kommt es auf die Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit während der Ehe an. Haben die Eheleute sich für eine längere persönliche Betreuung entschieden und hat der betreuende Elternteil deswegen während des Zusammenlebens von einer Erwerbstätigkeit abgesehen, muss dieser Lebensplanung auch nach der Scheidung Rechnung getragen werden. Dabei wird es sicherlich von der Ehedauer und von der Verfestigung dieser Lebensplanung abhängen, ob der weitere Verlängerungsgrund gegeben ist.

     

    Praxishinweis: Es ist zu empfehlen, die Versicherungsverläufe in den Versorgungsausgleichsakten zu würdigen. Daraus ergibt sich, in welchem Umfang der kinderbetreuende Elternteil während der Ehe erwerbstätig war. Hat er während der intakten Ehe im Verlauf der Kinderbetreuung bis zur Trennung nicht gearbeitet, spricht dies dafür, dass dies auch der Lebensgestaltung der Eheleute entsprach. Dieser Umstand ist nach § 1570 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen und führt zu einer weiteren Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus Billigkeitsgesichtspunkten.

     

    • Prüfungsschritt 4
    Zu prüfen ist weiterhin, ob eine Begrenzung in Betracht kommt. Der Betreuungsunterhalt selbst kann nicht begrenzt werden. Der BGH begründet dies damit, dass der Betreuungsunterhalt auf einer Billigkeitsabwägung beruht und diese der Unterhaltsbegrenzung entgegensteht (BGH FK 09, 165, Abruf-Nr. 091901). Der Betreuungsunterhalt ist aber immer auf den Unterhalt begrenzt, den der Unterhaltsberechtigte durch eine vollschichtige Tätigkeit selbst sicherstellen könnte. Letztlich sollen durch den Betreuungsunterhalt Erwerbseinbußen ausgeglichen werden, die gerade im Hinblick auf die Kinderbetreuung entstehen. Unterstellt man dem unterhaltsberechtigten Ehegatten ein Einkommen aus einer vollschichtigen Tätigkeit und ist er sodann immer noch unterhaltsberechtigt, beruht dies darauf, dass er mit seinen Einkünften nicht in der Lage ist, den eheangemessenen Bedarf sicherzustellen. Hierbei handelt es sich um Aufstockungsunterhalt. Dieser Teil des Unterhalts kann begrenzt werden. Allerdings muss dies der Billigkeit entsprechen. Es dürfen insbesondere weder das Kindeswohl noch die Erziehung und Betreuung des Kindes beeinträchtigt werden.
     

    Tipp: Zu den gesetzlichen Unterhaltsansprüchen im Überblick, zum Prüfungsschema Ehegattenunterhalt und den Unterhaltstatbeständen vgl. Soyka, FK 10, 169 und 188.