Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 26.10.2010 | Ehegattenunterhalt

    In diesen Fällen wirkt sich der Mindestunterhalt von Ehegatten in der Praxis aus

    von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf

    Der Mindestunterhalt von Ehegatten wirkt sich lediglich in zwei Fällen aus, zum einen beim Einkommen aus Karrieresprung und zum anderen bei der Konkurrenz mit Ansprüchen nach § 1615l BGB im Mangelfall. Dazu folgende Beispiele:  

     

    Beispiel: Mindestunterhalt bei Einkünften aus Karrieresprung

    Ehemann M erzielt zum Zeitpunkt der Scheidung als Fahrer ein bereinigtes monatliches Nettoeinkommen von 1.300 EUR. Die einkommenslose erwerbsunfähige Ehefrau F verlangt nach der Scheidung Unterhalt. Sechs Monate nach der Scheidung wird M zum Leiter der Abteilung Logistik befördert und erzielt nun ein bereinigtes monatliches Nettoeinkommen von 3.800 EUR. Wie hoch ist der Unterhaltsanspruch von F gegen M (Beispiel im Anschluss an FK 10, 171, 172)?  

     

    Lösung: Bei der Unterhaltsberechnung ist zu differenzieren zwischen den Zeiten vor und nach der Beförderung des M:  

     

    • Unterhaltsberechnung bis zur Beförderung: 3/7 von 1.300 EUR = 557 EUR, der Mindestbedarf beträgt allerdings 770 EUR, Leistungsfähigkeit bei Selbstbehalt von 1.000 EUR = 300 EUR, der Mindestbedarf von 770 EUR ist im Hinblick auf den zu schützenden Selbstbehalt ohne Bedeutung. Der Unterhalt der F beträgt 300 EUR.

     

    • Unterhaltsberechnung ab Beförderung: Geht man davon aus, dass ein Karrieresprung gegeben ist, ist das höhere Einkommen auch nach der Rechtsprechung des BGH zum Wandel der ehelichen Lebensverhältnisse nicht eheprägend. Dort muss es ausschließlich dazu eingesetzt werden, Bedarf senkende gegenläufige Entwicklungen aufzufangen. Diese gibt es hier nicht. Es bleibt also bei einem Mindestbedarf von 770 EUR. Das Karrieresprungeinkommen ist allerdings bei der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Hier sind alle Einkünfte von Bedeutung, gleich ob eheprägend oder nicht. Im Hinblick auf eine gegebene Leistungsfähigkeit von 3.800 EUR ist M in der Lage, den Mindestunterhalt zu zahlen. Der Unterhalt der F beträgt daher 770 EUR.
     

    Der Mindestunterhalt spielt auch eine Rolle bei der Konkurrenz mit Ansprüchen nach § 1615l BGB:  

     

    Beispiel: Mindestunterhalt bei Konkurrenz mit Ansprüchen nach § 1615l BGB

    Ehemann M war mit Ehefrau F verheiratet. Das aus der Ehe hervorgegangene Kind ist zum Zeitpunkt der Scheidung zwei Jahre alt. F ist nicht erwerbstätig. M hat eine Lebensgefährtin L, die ein gemeinsames Kind im Alter von 6 Monaten betreut. L erzielt zurzeit keine Einkünfte. Bis zur Geburt des Kindes bezog sie ein Nettoeinkommen von 1.400 EUR monatlich. F und L verlangen Unterhalt. M verbleiben von seinem Einkommen nach Abzug der Kindesunterhalte und sonstiger zu berücksichtigender Positionen 1.800 EUR. Wie hoch ist der Unterhaltsanspruch von F und L?  

     

    Lösung: Der Unterhaltsanspruch von F und L ist wie folgt zu ermitteln:  

     

    • Bedarf der L: Ihr Bedarf entspricht nach § 1615l Abs. 3, § 1610 BGB den Einbußen, die sie wegen der Kinderbetreuung hat. Der Bedarf ist allerdings darauf begrenzt, dass sie mit eigenem Einkommen und Unterhalt nicht mehr zur Verfügung haben darf als der Unterhaltspflichtige (BGH 16.12.09, XII ZR 50/08, FK 10, 75, Abruf-Nr. 100274). Daraus folgt ein Bedarf von 1.400 EUR. Da es sich - wie später zu sehen ist - um einen Mangelfall handelt, dem M also nur 1.000 EUR als Selbstbehalt verbleiben, darf auch L nur 1.000 EUR zustehen. Der Bedarf der L beträgt also 1.000 EUR.

     

    • Bedarf der F: Ihr Bedarf richtet sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Eheprägend sind die Kindesunterhalte und der Unterhalt nach § 1615l BGB. Hier sind F und L nach § 1609 Nr. 2 BGB sogar gleichrangig. Dies bedeutet, dass der Unterhalt nach § 1615l BGB - die Kindesunterhalte sind schon abgezogen - von dem Einkommen des M als prägende Verpflichtung abzuziehen ist. Der Bedarf der F berechnet sich daher wie folgt: 3/7 von (1.800 EUR ./. 1.000 EUR) = 342 EUR.

     

    Es ist eine Mangelfallberechnung erforderlich: Die Verteilungsmasse beträgt 800 EUR (1.800 EUR ./. 1.000 EUR Selbstbehalt des M). Der Einsatzbetrag für L beträgt 1.000 EUR, derjenige für F 770 EUR (Mindestbedarf und nicht etwa 342 EUR). Dies führt zu folgender Berechnung:  

     

    L: 1.000 EUR x 800 EUR : 1.770 EUR = 452 EUR.  

    F: 770 EUR x 800 EUR : 1.770 EUR = 348 EUR.  

     

    In diesem Fall erhält L mit 452 EUR einen höheren Unterhalt als F mit 348 EUR. Die unterschiedlichen Bedarfssätze für Ehegatten und Berechtigte nach § 1615l BGB sind verfassungsgemäß. Denn sie knüpfen an unterschiedliche Regelungen an. Die ehelichen Lebensverhältnisse richten sich u.a. nach der Lebensstellung des Unterhaltspflichtigen. Für § 1615l BGB ist ausschließlich die Lebensstellung des Bedürftigen maßgebend. Die Unangemessenheit der unterschiedlichen Bedarfssätze beruht vorliegend auf der BGH-Rechtsprechung, nach der auch nach der Scheidung entstandene Unterhaltspflichten die ehelichen Lebensverhältnisse prägen. Eine solche Frage steht beim BVerfG zur Überprüfung an. Die Stellungnahme aller Beteiligten sind bereits abgegeben.