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  • 08.01.2008 | Ausbildungsunterhalt

    Ausbildungsunterhalt auch für die Dauer eines berufsvorbereitenden Praktikums?

    von RA Gudrun Möller, FA Familienrecht, Münster
    Ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt kann auch für die Dauer eines berufsvorbereitenden Praktikums bestehen (OLG Rostock 18.4.06, 10 WF 234/05, OLGR 07, 999, Abruf-Nr. 073573).

     

    Sachverhalt

    Die volljährige Klägerin begehrt PKH. Sie nimmt den Beklagten, ihren Vater, beginnend ab Oktober 04 auf Zahlung von Ausbildungsunterhalt in Anspruch. Für diese Zeit war sie als Hospitantin am Volkstheater unentgeltlich tätig. Ihre Mindestarbeitszeit betrug täglich 8 Stunden. Sie musste bei der Morgen- und Abendprobe anwesend sein. Das Praktikum war nicht Voraussetzung für die Aufnahme des Schauspielstudiums, das sie zum Wintersemester 06 aufgenommen hat. Bevor sie zu diesem zugelassen wurde, hat sie sich im Mai 05 vergeblich um einen Studienplatz in einer anderen Stadt beworben. Neben der Praktikumstätigkeit hatte sie als Statistin bei einer Inszenierung pro Vorstellung 30 EUR verdient. Das AG hat PKH mit der Begründung verweigert, dass das Praktikum keine Ausbildung i.S. des § 1610 Abs. 2 BGB sei, zumal es für die Aufnahme des Studiums nicht erforderlich sei. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hatte Erfolg.  

     

    Entscheidungsgründe

    Zutreffend ist, dass ein Praktikum keine Ausbildung im engeren Sinne ist. Jedoch umfasst der Begriff „Berufsausbildung“ nicht nur Ausbildungsmaßnahmen im engeren Sinne, wie z.B. ein Unterricht oder die Teilnahme an Kursen. Unter dem Begriff sind vielmehr alle Maßnahmen zu verstehen, die dem Ziel dienen, Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen zu sammeln, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind (FG Köln EFG 04, 1848, 1849). Dazu gehören auch Berufspraktika, und zwar unabhängig davon, ob sie nach der Studienordnung vorgeschrieben sind (OLG Brandenburg FamRZ 04, 560 zum berufsvorbereitenden Lehrgang; OLG Hamm FamRZ 04, 1131, ebenfalls zum berufsvorbereitenden Lehrgang). Unstreitig absolviert die Klägerin ein Praktikum, das die o.g. Voraussetzungen erfüllt. Nach Aktenlage besteht daher ein Anspruch auf Zahlung von Ausbildungsunterhalt nach § 1610 Abs. 2 BGB.  

     

    Praxishinweis

    Die Entscheidung ist wichtig. Denn oft absolvieren volljährige Kinder nach Abschluss der Schule ein Praktikum, bevor sie eine Berufsausbildung oder ein Studium aufnehmen. Ein Grund dafür ist z.B., dass die Zulassung zum Studium wegen des numerus clausus noch nicht erreicht worden ist. Das OLG hat in diesem Fall zugunsten des Unterhalt begehrenden Volljährigen entschieden, dass auch ein Praktikum im weiteren Sinne zur Berufsausbildung zählt. Eine einschränkende Voraussetzung dafür ist allerdings, dass dieses Praktikum als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet ist.