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  • 01.12.2005 | Abstammung

    Vaterschaftsanfechtung während des Scheidungsverfahrens

    von RA Gudrun Möller, Nordkirchen

    Häufig werden während des Scheidungsverfahrens Kinder geboren, deren rechtlicher, aber nicht biologischer Vater der Noch-Ehemann der Mutter ist. Fraglich ist, wie der rechtliche Vater auf diese Situation reagieren kann. Dazu ein praktisches Beispiel.  

     

    Der Fall des OLG Köln

    Leitsatz: Ein Ehemann, dessen Ehefrau nach Anhängigkeit eines Scheidungsverfahrens ein Kind zur Welt bringt, das von einem anderen Mann abstammt, kann, um die rechtliche Vaterschaft für das Kind den tatsächlichen Verhältnissen anzupassen, den kostenaufwendigeren Weg des Statusprozesses wählen. Die Rechtsverfolgung ist trotz der möglichen außerprozessualen freien Ab- und Anerkennung der Vaterschaft nach § 1599 Abs. 2 BGB jedenfalls nicht mutwillig i.S. von § 114 ZPO, wenn das Vaterschaftsanerkenntnis eines Dritten noch nicht vorliegt und im Übrigen offen ist, wie lange das Scheidungsverfahren voraussichtlich noch andauern wird (OLG Köln 30.12.04, 14 WF 234/04, FamRZ 05, 743, Abruf-Nr. 053069).  

     

    Entscheidungsgründe: Die Rechtsverfolgung ist nicht mutwillig i.S. von § 114 ZPO. Dies ist nur der Fall, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde (Zöller/Philippi, ZPO 24. Aufl., § 114 Rn. 30). Eine Klage ist allgemein mutwillig, wenn das Klageziel einfacher erreicht werden kann (a.a.O. § 114 Rn. 31).  

     

    Der Antragsteller gilt nach § 1592 Nr. 1 BGB als Vater der während des Scheidungsverfahrens geborenen Antragsgegnerin. Etwas anderes gilt nach § 1599 Abs. 2 BGB nur, wenn ein Dritter innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft der Scheidung die Vaterschaft nach § 1595, 1596 BGB anerkennt. Die Möglichkeit der außerprozessualen freien Ab- und Anerkennung der Vaterschaft lässt aber die Möglichkeit der gleichzeitigen Anfechtungsklage unberührt (Gaul, FamRZ 97, 1441). Offen ist hier, ob ein Dritter bereit ist, die Vaterschaft anzuerkennen.  

     

    Es ist auch nicht absehbar, wann die Ehe rechtskräftig geschieden wird. Die Dauer des Scheidungsverfahrens liegt nicht allein in der Hand des Antragstellers. Wann alle Erfordernisse des § 1599 Abs. 2 BGB erfüllt sein werden, lässt sich nicht absehen. Im Hinblick auf die Fristen des § 1600b BGB kann dem Antragsteller aber nicht zugemutet werden abzuwarten, welchen Verlauf das Scheidungsverfahren nimmt und ob ein Dritter rechtzeitig die Vaterschaft anerkennt, um ggf. doch kurz vor Ablauf der Fristen das Anfechtungsverfahren zu betreiben. Dies gilt insbesondere auch, weil während der Schwebezeit erhebliche unterhalts- und kindbezogene Leistungen anfallen, bezüglich derer der Antragsteller haftet, solange er als Vater der Antragsgegnerin gilt.  

     

    Konsequenzen für die Praxis: Es besteht keine Obliegenheit des Antragstellers, vor Einleitung eines Anfechtungsverfahrens zunächst den Dritten zur Abgabe eines Vaterschaftsanerkenntnisses aufzufordern (OLG Brandenburg MDR 00, 1380). Aus anwaltlicher Vorsorge sollte jedoch der Ehemann den biologischen Vater zur Abgabe einer entsprechenden Erklärung vor Einreichung des PKH-Antrags für eine Vaterschaftsanfechtungsklage auffordern.  

     

     

    Quelle: Ausgabe 12 / 2005 | Seite 212 | ID 87266