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  • · Fachbeitrag · Testament

    Hatte die Erblasserin mit der neuen Verfügung das alte Schenkungsversprechen widerrufen?

    von RA Notar StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn

    | Der BGH hatte mit Urteil vom 30.1.18 die Frage zu beantworten, ob ein Schenkungsversprechen aus einem Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall durch ein Testament widerrufen werden kann. |

    1. Wertpapierdepot im Nachlass

    Dem Urteil des BGH (30.1.18, X ZR 119/15, Abruf-Nr. 200478) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die spätere Erblasserin E hatte neben anderem Vermögen ein Wertpapierdepot bei einer Bank unterhalten. Mit der Bank hatte die E in 1976 eine schriftliche Vereinbarung geschlossen, nach der mit ihrem Tod das Eigentum an den Wertpapieren zunächst auf die Bank übergehen sollte. Der B sollte mit dem Tod der E das Recht erwerben, von der Bank die Übertragung der Wertpapiere auf sich zu fordern, wobei der B ein von der Bank zu übermittelndes Schenkungsangebot der E mit dem Empfang der Nachricht über seine Begünstigung sollte stillschweigend annehmen können. Die E behielt sich das Recht vor, die Vereinbarung gegenüber der Bank einseitig durch schriftliche Erklärung aufheben zu können.

     

    Anfang 2007 errichtete die E ein handschriftliches Testament. Das Testament ist in drei Abschnitte gegliedert. Abschnitt 1 betrifft das Immobilienvermögen, Abschnitt 2 das Kapitalvermögen und Abschnitt 3 die restlichen Gegenstände wie Mobiliar, Schmuck und persönliche Gebrauchsgegenstände. In Abschnitt 2 des Testaments teilte sie ihr gesamtes Kapitalvermögen zugunsten zweier Familien auf. Der B ist in dem Testament weder bedacht noch erwähnt. Das Testament hatte die E in amtliche Verwahrung gegeben.

     

    E verstarb im Februar 2009. Offenbar im Mai 2009 hatte der B von dem Testament Kenntnis erhalten und war erstaunt, dass er nicht bedacht worden war. Im Mai 2011 benachrichtigte die Bank den B von der Vereinbarung aus 1976 und übertrug ihm den Inhalt des Wertpapierdepots. Die Erben widerriefen daraufhin die Verfügung der E zugunsten des B. Fraglich ist nun, ob das Depot wirksam auf den Beklagten B übergegangen ist oder Bestandteil des Nachlasses blieb.

     

    • 1. Verfügt ein Erblasser in einem Testament umfassend über sein Vermögen, so kann dies jedenfalls dann als konkludenter Widerruf einer früheren entgegenstehenden rechtsgeschäftlichen Erklärung anzusehen sein, wenn der Erblasser sich von dieser Erklärung auch schon zu Lebzeiten jederzeit hätte einseitig lösen können.
    • 2. Das Bewusstsein, in einem Testament die Verteilung des Vermögens umfassend zu regeln, schließt das Bewusstsein, dass damit etwaige entgegenstehende frühere Verfügungen widerrufen werden, mit ein. Ein gesondertes Erklärungsbewusstsein, das gezielt auf den Widerruf einer bestimmten Willenserklärung gerichtet ist, ist darüber hinaus nicht erforderlich.
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    • 3. Eine Willenserklärung in einem in amtliche Verwahrung genommenen Testament ist gegenüber jedem als abgegeben anzusehen, den es angeht, auch wenn er in dem Testament nicht bedacht ist.
     

    2. BGH bejaht die Ansprüche der Erben

    Der BGH bejaht die geltend gemachten Ansprüche der Erben auf Herausgabe der noch vorhandenen Wertpapiere und zur Erstattung des Werts der von B veräußerten Wertpapiere. Ein Schenkungsvertrag zwischen der E und dem B sei nicht zustande gekommen. Bei der Vereinbarung zwischen der E und der Bank aus 1976 handelt es sich um eine Verfügung unter Lebenden zugunsten Dritter auf den Todesfall. Bei solchen Verträgen ist zwischen dem Deckungsverhältnis ‒ die Vertragsbeziehungen zwischen der E und Bank ‒ und dem Valutaverhältnis zwischen der E und dem B zu unterscheiden. Beide Rechtsverhältnisse unterliegen allein dem Schuldrecht; erbrechtliche Bestimmungen finden insoweit keine Anwendung.

     

    • Im Deckungsverhältnis liegt ein Vertrag zugunsten Dritter vor, durch den der B als Begünstigter gegenüber der Bank einen Anspruch auf die Übertragung der mit dem Tod der E zunächst in das Eigentum der Bank übergegangenen Wertpapiere in dem in der Vereinbarung bezeichneten Depot erhalten hat (§§ 328, 331 BGB).

     

    • Das Valutaverhältnis ist entscheidend für die Frage, ob der Begünstigte das Erlangte im Verhältnis zu den Erben behalten darf oder nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung herauszugeben hat. Hier liegt dem Valutaverhältnis eine Schenkung nach § 516 BGB zugrunde. Nach der Vereinbarung sollte der Schenkungsvertrag in der Weise zustande kommen, dass das Schenkungsangebot der E von der Bank als Botin dem B übermittelt wurde und dieser das Angebot ‒ gegebenenfalls stillschweigend mit dem Empfang der Nachricht der Bank ‒ annahm.

     

    Nach Auffassung des BGH ist hier kein wirksamer Schenkungsvertrag zustande gekommen, da zum Zeitpunkt der Benachrichtigung des B durch die Bank ein wirksames Schenkungsangebot, das der B hätte annehmen können, nicht mehr vorlag. Das Angebot ist durch das nachfolgende Testament der E wirksam widerrufen worden. Dies ergibt sich aus § 130 Abs. 1 S. 2 BGB. Danach wird eine empfangsbedürftige Willenserklärung (das Schenkungsangebot), die in Abwesenheit des Empfängers abgegeben wird, nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht. Dabei kann ein Schenkungsangebot auch durch Testament widerrufen werden.

     

    Dem kann nicht entgegengehalten werden, das Wertpapierdepot sei von vornherein nicht Gegenstand der testamentarischen Verfügungen der E gewesen. Unter Abschnitt 2, der sich auf das Kapitalvermögen bei der hier entscheidenden Bank bezieht, heißt es: „Mein gesamtes Kapitalvermögen bei der ... (Konten, Sparbücher und Depots) teile ich wie folgt auf: ...m“. Schon dies legt die Annahme nahe, dass die Erblasserin auch das in Rede stehende Wertpapierdepot zu dem bei ihrem Tode noch vorhandenen und dementsprechend zu verteilenden Vermögen zählte.

     

    Hinzu kommt, dass der Aufbau des Testaments dafür spricht, dass die Erblasserin eine umfassende Regelung bezüglich ihres gesamten Vermögens treffen wollte. Dadurch, dass die E ihr „gesamtes Kapitalvermögen“ bei der Bank aufteilte, lässt dies den Willen erkennen, die E lasse entgegenstehende frühere Verfügungen insgesamt nicht mehr gelten und wolle sich von diesen lösen. Dazu war sie auch in der Lage, denn die E konnte die Vereinbarung mit der Bank jederzeit einseitig aufheben und somit das Schenkungsangebot ohne Weiteres widerrufen.

     

    Der Widerruf ist hier dem B auch rechtzeitig zugegangen. Für das Wirksamwerden einer empfangsbedürftigen Willenserklärung ist ‒ außer dem Zugang an den Erklärungsgegner ‒ erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Erklärung mit Willen des Erklärenden in den Verkehr gelangt ist und der Erklärende damit rechnen konnte, dass sie (sei es auch auf Umwegen) den richtigen Empfänger erreichen werde. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die E hatte das Testament in amtliche Verwahrung gegeben. Damit hat sie eine Verwahrungsart gewählt, die das Auffinden des Testaments und die Unterrichtung der Betroffenen hierüber sicherstellte. Adressaten einer Willenserklärung in einem in amtliche Verwahrung gegebenen Testament sind nicht nur diejenigen Personen, die in dem Testament ausdrücklich erwähnt werden, sondern auch solche, die aufgrund ihrer Beziehung zum Erblasser zum Kreis der möglicherweise Betroffenen gehören, auch wenn sie in dem Testament nicht bedacht worden sind.

    3. Verträge zugunsten Dritter auf den Todesfall

    Die Entscheidung dürfte erhebliche praktische Bedeutung haben. Verträge zugunsten Dritter auf den Todesfall sind häufig anzutreffen, so bei Sparguthaben, Wertpapierdepots und Lebensversicherungen.

     

    Hier wurde in dem Testament ausdrücklich über das Depot bei der betreffenden Bank verfügt, sodass ein Widerruf insoweit tatsächlich naheliegt. In Fällen, in denen der Erblasser schlicht nur einen Erben bestimmt und gerade keine Einzelzuordnung bestimmter Vermögensgegenstände vornimmt, ist die Frage schwieriger zu beurteilen. Verfügt er in Kenntnis eines abweichenden Begünstigten eines Vertrags zugunsten Dritter über sein „Gesamtvermögen“ und will damit auch die Begünstigung widerrufen oder ist er sich bei der Verfügung bewusst, dass sich ein Erwerb aufgrund von Verträgen zugunsten Dritter auf den Todesfall (wie z. B. Lebensversicherungen) für gewöhnlich außerhalb des Erbrechts vollzieht. Im letzteren Fall wäre nicht von einem Widerruf auszugehen.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2018 | Seite 150 | ID 45256695

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