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  • · Fachbeitrag · Pflichtteilsstrafklausel

    Erbvertrag: Durfte der Erblasser trotz gebundenem Vermögen neu testieren?

    von RA Notar StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn

    • 1. Fehlt bei Änderungen in einer notariellen Urkunde (hier: Erbvertrag) ein Vermerk oder die Unterschrift des Notars, beeinträchtigt das nicht die Wirksamkeit der Beurkundung.
    • 2. In diesem Sinne fehlerhafte Änderungen werden nicht von der Beweiskraft der Urkunde erfasst, deren Inhalt in diesem Falle insgesamt frei zu würdigen ist.

    (OLG Düsseldorf 18.12.13, I-3 Wx 72/13, Abruf-Nr. 140585)

     

    Sachverhalt

    Die Eheleute hatten sich in einem notariellen Erbvertrag gegenseitig zu Alleinerben und ihren einzigen Sohn S als Erben des Längstlebenden eingesetzt. Zu Ersatzerben des Sohnes S bestimmten sie dessen Abkömmlinge. Weiter war in dem Erbvertrag eine Pflichtteilsstrafklausel (§ 3 des Erbvertrags) vorgesehen. Die ursprüngliche Formulierung lautete: „Sollte einer unserer Abkömmlinge beim Tode des Erstversterbenden von uns den Pflichtteil fordern …, so soll er auch vom Längstlebenden von uns nur den Pflichtteil erhalten. Der Längstlebende von uns ist in diesem Fall in der Verfügung über seinen Nachlass vollständig und endgültig frei.“ Die Klausel „sollte einer unserer Abkömmlinge“ wurde handschriftlich geändert in „sollte unser Sohn S …“.

     

    Der Sohn starb 2006 und hinterließ seine Lebensgefährtin und zwei Kinder Gerda und Hans. Die Ehefrau des Erblassers starb 2007. Die Lebensgefährtin des Sohnes machte nach dem Tode von dessen Mutter für Gerda und Hans Pflichtteilsansprüche geltend. Nach deren Abwicklung testierte der Erblasser handschriftlich neu und setzte die Begünstigte B zur Alleinerbin ein. Nach dem Tod des Erblassers beantragten Gerda und Hans - gestützt auf den Erbvertrag - einen Erbschein als Erben nach dem Erblasser zu je ½. Die von dem handschriftlichen Testament des Erblassers Begünstigte B ist dem entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, der Erblasser sei durch den Erbvertrag nicht gehindert gewesen, frei zu verfügen.

     

    Für den Fall, dass einer der Abkömmlinge den Pflichtteil nach dem Erstverstorbenen fordere, könne dieser auch von dem Längstlebenden nur den Pflichtteil erhalten (§ 3 des Erbvertrags). Der Längstlebende sei demnach - abgesehen vom Pflichtteil - in der Verfügung über seinen Nachlass frei. Zwar befinde sich im Erbvertrag ein handschriftlicher Zusatz, der darauf hindeute, dass mit der Pflichtteilsstrafklausel nur der Sohn S gemeint gewesen sei. Es sei jedoch nicht klar, wer diesen Hinweis vorgenommen habe. Es sei Absicht der Parteien gewesen, zu verhindern, dass pflichtteilsberechtigte Erben den Pflichtteil verlangen. Es bestehe kein Grund, die Ersatzerben des Sohnes anders zu behandeln, als ihn selbst. In beiden Fällen sei der überlebende Ehegatte in gleichem Maße schutzwürdig.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Erbfolge richtet sich nach dem Erbvertrag der Eheleute. Nach dessen § 2 sind Gerda und Hans als Abkömmlinge des vorverstorbenen Sohnes S nach dem Verhältnis der gesetzlichen Erbfolge, also zu je ½ als alleinige Erben des Erblassers als Längstlebenden berufen. Der Erblasser konnte nicht neu testieren. Nach der Pflichtteilsstrafklausel sollte der Längstlebende ausdrücklich nur dann zur freien Verfügung über seinen Nachlass befugt sein, wenn der Sohn S den Pflichtteil geltend machen würde. Die Regelung, dies gelte dann, wenn „einer unserer Abkömmlinge … den Pflichtteil fordern“ sollte, ist gerade nicht beurkundet, sondern dahingehend geändert worden, dass dies nur dann gelte, wenn der Sohn S den Pflichtteil fordere. Dagegen kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, es sei nicht klar, wer diese Änderung vorgenommen habe.

     

    Praxishinweis

    Fehlt bei Änderungen ein Vermerk oder die Unterschrift des Notars, beeinträchtigt das die Wirksamkeit der Beurkundung nicht. Jedoch werden die fehlerhaften Änderungen nicht von der Beweiskraft der Urkunde nach § 415 Abs. 1 ZPO erfasst. Fehlt der Urkunde mithin die Richtigkeitsvermutung, ist sie insgesamt frei zu würdigen. Allerdings lässt allein das Fehlen der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit noch nicht den Schluss zu, bei der Hinzufügung bzw. Änderung handele es sich um eine Fälschung der Urkunde. Daher ist davon auszugehen, dass die Änderung von den Parteien des Erbvertrags gewollt und veranlasst worden ist. Deshalb ist der Erblasser nicht dadurch von der Bindungswirkung befreit, dass die Abkömmlinge Gerda und Hans nach dem Tode seiner Ehefrau den Pflichtteil geltend gemacht haben.

     

    Die Entscheidung überrascht: Zwar ist richtig, dass hier nicht der - ausdrücklich genannte - Sohn S den Pflichtteil nach der erstverstorbenen Mutter geltend gemacht hat, sondern dessen „Abkömmlinge“. Da die Abkömmlinge aber als Ersatzerben für den Fall des Vorversterbens des Sohnes S benannt wurden, spricht doch vieles dafür, dass auch diese in die Pflichtteilsstrafklausel einrücken. Weiter bleibt unklar, wie es zu der handschriftlichen Änderung in dem Erbvertrag gekommen ist. Häufig empfinden es die Testierenden als unangemessen, von „Abkömmlingen“ zu sprechen und bevorzugen die Nennung des konkreten Namens, selbst wenn damit eine Änderung der rechtlichen Wirkungen eintritt, die den Parteien im Moment gar nicht bewusst ist.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2014 | Seite 67 | ID 42530238

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