Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Formwirksamkeit

    Testament auf ungewöhnlichem Material wirksam

    von RA und Notar, StB, FA ErbR Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, Paderborn

    | Das OLG München hat mit Beschluss vom 28.1.20 entschieden, es stehe der Wirksamkeit eines Testaments grundsätzlich nicht entgegen, dass es auf ungewöhnlichem Material (hier: ein Notizzettel minderer Qualität im Format 10 cm × 7 cm) errichtet wurde. Zur Ermittlung des Testierwillens sei in einem solchen Fall auf alle auch außerhalb der Urkunde liegenden Umstände zurückzugreifen. Erhebliches Gewicht komme dabei dem Umstand zu, dass der Erblasser auch frühere Testamente auf ungewöhnlichem Papier errichtet hat. |

     

    Sachverhalt

    Der Erblasser verstarb ledig und kinderlos. Er hinterließ eine Vielzahl von handschriftlichen Testamenten, in denen er überwiegend seine Schwester S zur Erbin bestimmte. Während eines Krankenhausaufenthaltes verfasste der Erblasser ein Schriftstück auf der Rückseite eines Notizzettels der Gemeinde Pfaffenhofen mit den Maßen 10 cm × 7 cm. Der Zettel weist an der Oberkante mittig einen Einriss von ca. 3 cm Länge auf. Auf dem Zettel stand (auszugsweise) geschrieben: „Mein Testament lautet … dass alle Geschwister gerecht verteilt werden, besonders … … und … nicht im Altenheim darben muss“. Der Zettel ist mit Datum versehen und mit dem Namen des Erblassers unterschrieben. Die S, allein begünstigt aus einem früheren Testament, ist der Ansicht, es handele sich nicht um ein Testament, da der Testierwille fehle.

     

    Entscheidungsgründe

    Das Gericht gab den Geschwistern des Erblassers Recht (OLG München 28.1.20, 31 Wx 229/19, 31 Wx 230/19; 31 Wx 231/19, Abruf-Nr. 214433). Die Erbfolge nach dem Erblasser richtet sich nach den Regelungen auf dem Zettel. Der Erblasser habe das Schriftstück mit Testierwillen errichtet und auch nicht durch Vernichtung widerrufen.

     

    Der Erblasser muss bei der Errichtung der Verfügung von Todes wegen mit Testierwillen gehandelt haben. Zur Ermittlung des Testierwillens ist auf alle dafür erheblichen Umstände zurückzugreifen. Die Rechtsprechung hat als Regel der Lebenserfahrung formuliert: Es besteht regelmäßig kein Grund, der Frage nachzugehen, ob lediglich ein Entwurf vorliegt, wenn ein formgerecht abgefasstes Testament existiert, das inhaltlich vollständig ist, und auch sonst keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Erblasser damit nicht seinen letzten Willen zum Ausdruck bringen wollte.

     

    Auch in einem wenige Zentimeter großen handschriftlich beschriebenen Notizzettel kann grundsätzlich ein wirksames Testament liegen (OLG Bremen NJW-RR 2019, 583). Dies mag ungewöhnlich erscheinen. Allerdings sei hier zu berücksichtigen, dass sich der Erblasser zur Zeit der Testamentserrichtung im Krankenhaus befand und möglicherweise nur auf diese Notizzettel Zugriff hatte. Darüber hinaus spricht für einen Testierwillen in der konkreten Situation auch, dass der Erblasser bereits in der Vergangenheit Testamente auf „Werbepapier“ niedergeschrieben hat.

     

    Weiter wurde das Testament aus Sicht des Gerichts auch nicht vom Erblasser durch Vernichtung widerrufen (§ 2255 S. 1 BGB). Für den Widerruf einer Verfügung von Todes wegen genügt insoweit jede körperliche Veränderung an der Urschrift wie Zerreißen, Zerschneiden, Verbrennen, Durchstreichen, Einklammern, Unlesbarmachen durch Schwärzen oder Ausradieren. Hier weist das Testament zwar einen mittigen Riss auf, dies sei jedoch nicht geeignet, von einem Widerruf auszugehen. Dabei trägt derjenige, der Rechte aus dem Widerruf herleiten will, die Feststellungslast für den Widerruf.

     

    Beachten Sie | Hier war noch zu berücksichtigen, dass die Urkunde schon aufgrund ihrer Beschaffenheit derart fragil war, dass ein Einriss jederzeit auch im Rahmen einer üblichen Benutzung solcher Notizzettel, z. B. beim Abreißen von einem Block, möglich war. Es erscheint fast schwieriger, einen solchen Zettel nur einzureißen, als ihn komplett durchzureißen. Einen derartigen Zettel nur einzureißen, setzt voraus, dass der Erblasser, so der Vorgang bewusst erfolgte, seine Bewegung gezielt bremsen musste, um ihn nicht doch durchzureißen. Warum er sich damit hätte begnügen sollen, erschließt sich dem Senat nicht.

     

    Relevanz für die Praxis

    Auch wenn es ungewöhnlich erscheinen mag, genügt jeder Zettel, um darauf ein wirksames handschriftliches Testament zu errichten, wenn es im Übrigen die erforderlichen gesetzlichen Formvorgaben erfüllt. Auch eine Postkarte kann diesen Anforderungen genügen, ein beliebtes Beispiel aus dem Studium im Grundkurs Erbrecht.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2020 | Seite 59 | ID 46365993

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents